Typisch Kirche: Grabenkämpfe ohne Ende. Danke für den tiefen Einblick in das, was den Menschen wirklich am Herzen liegt - Macht.
Synode setzt Segel
Mit ihrem Präsidenten Otto Guse setzt die neue Synode auf Kontinuität – doch im Präsidium und in den Ausschüssen verschieben sich die Gewichte.Irgendwie muss die biblische Losung für den ersten Tag der neuen Synode unter deren Mitgliedern einen wunden Nerv getroffen haben. »Da das Schiff ergriffen wurde und nicht mehr gegen den Wind gerichtet werden konnte«, heißt es in der Apostelgeschichte über die stürmische Reise des Paulus, »gaben wir auf und ließen uns treiben.« Lachen geht durch die Reihen der Dresdner Dreikönigskirche, als Landesbischof Jochen Bohl diese Zeilen liest. Geht es um das immer kleiner werdende und von Debatten geschüttelte Schiff, das sich Kirche nennt?
»Sich treiben lassen«, spricht der Bischof zu den Synodalen vor ihrer ersten Tagung, »ist im Glauben keine Option. Der Glaube sieht auf Christus, was auch immer geschehen mag.«
Die neue Synode, das wird schnell klar, ist entschlossen, es kraftvoll und einig anzugehen. Bei der Wahl ihres neuen Präsidenten verzichtet sie anders als vor sechs Jahren gleich auf einen Gegenkandidaten zum bisherigen Amtsinhaber Otto Guse. Der 55-jährige Rechtsanwalt aus dem Vogtland hat sich Ansehen erworben als tief gläubiger Protestant (»Ich habe ein kindliches Vertrauen in die Güte Gottes«) und strenger Tagungsleiter mit staubtrocken-rheinischem Humor (»Alle, die jetzt noch zur Sitzung kommen, sind nicht Zu-Spät-Gekommene, sondern Zurückgebliebene.«). Allein der Umstand, dass mindestens einem neuen Synodalen diese Art von Humor ungewohnt war, bewahrt Guse vor einem vollends SED-artigen Wahlergebnis. 74 von 77 anwesenden Synodalen stimmen für ihn. Bei der Wahl zu den beiden Vizepräsidenten setzt sich unter den Theologen die Pirnaer Superintendentin Uta Krusche-Räder klar gegen den Leipziger Pfarrer Peter Amberg durch. Als nicht-theologische Vizepräsidentin wird wie schon in der letzten Synode die Dresdner Historikerin Bettina Westfeld gewählt.
Umkämpfter ist hingegen die Wahl der vier weiteren Präsidiumsmitglieder. Die Dresdner Synodale Gisela Merkel-Manzer fordert mehr Frauen und Nicht-Theologen für die Kandidatenliste und findet dafür eine Mehrheit.
Nach zwei Wahlgängen sitzen nun auch der Oelsnitzer Rechtsanwalt Christoph Apitz, die Oberin des Dresdner Diakonissenhauses Esther Selle, der Annaberger Bauingenieur Frank Seidel und die Macherner Pfarrerin Barbara Lötzsch im Präsidium. Mit den letzten beiden sind je ein Kritiker der Öffnung von Pfarrhäusern für homosexuelle Paare wie eine Befürworterin im obersten Gremium der Synode vertreten. Frauen haben dort nun weiterhin die Mehrheit – die Mehrheit der Nicht-Theologen im Synodenpräsidium wächst.
Groß ist das Gerangel offenbar bei der Besetzung der Ausschüsse mit ihren maximal 15 Mitgliedern. 22 Synodale wollen in den Theologischen Ausschuss, 20 in den Finanzausschuss – denn dort werden wichtige Weichen der Landeskirche gestellt. Acht Synodale, die in den Finanzausschuss drängten, hätten entgegen der Gepflogenheiten nicht einmal einen Alternativwunsch angegeben, sagt der Vorsitzende des Nominierungsausschusses, Leipzigs Superintendent Martin Henker. Ein gelinder Erpressungsversuch.
Auf den Fluren der Dreikönigskirche wird eifrig lobbyiert. Der Nominierungsausschuss habe schließlich hinter verschlossenen Türen nach Kompetenz und Erfahrung ausgewählt, sagt Martin Henker: »Es kam zu keiner Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit.« Bis abends halb zehn dauert das Prozedere. Etwas müde winkt die Synode die Ausschuss-Listen des Nominierungsausschusses ohne Gegenstimmen schließlich durch.
Im Theologischen Ausschuss sitzen sich profilierte Kritiker und Befürworter des Kirchenleitungsbeschlusses zur Öffnung für homosexuelle Paare gegenüber. Diese Synode wird sich nicht treiben lassen. Sie wird spannend.
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