Welchen Gewinn haben Kirchgemeinden, Staat und Asylsuchende, wenn das Thema "Kirchenasyl" breit diskutiert wird? Ich kann verstehen, dass der Pfarrer in Bautzen jetzt vor der Öffentlichkeit, die man, augenscheinlich bewusst, eingeschaltet hat, zurück schreckt. So etwas kann auch nach hinten los gehen.
Das es in Sachsen nur einige Fälle und dazu noch Fälle eines "stillen Kirchenasyls" gegeben hat, spricht m.E. für die Vernunft und die guten Überlegungen aller beteiligten. Ich denke nicht, das es etwas mit einer Risikoscheu, dem Staat gegenüber, zu tun hat.
Aber wer Menschen in seiner Kirche Asyl gewähren möchte, muss sich doch vorher einige Dinge klar machen. Es ist doch nicht nur ein zutiefst menschliches Problem, das da auf die Gemeinde zu kommt. Es ist auch ein technisches und logistisches Problem.
Der Kirchenraum bietet zunächst nur eine schützende Hülle. Ich kenne Kirchen, die haben kein fließendes Wasser, die haben kein WC, die haben keine oder nur eingeschränkte Heizmöglichkeiten.
All das muss geklärt sein. Ebenso die Versorgung und viele kleine Dinge.
Es ist ja sowieso nicht die alleinige Entscheidung des Pfarrers. Es ist immer eine Entscheidung, die durch den Kirchenvorstand getragen werden muss. Da sollte Einstimmigkeit herrschen und nicht die Mehrheit einer Stimme. Sonst geht es schief.
Das ein vernünftiges Verhältnis zu den Behörden dazu gehört, ist, so denke ich, auch logisch. Man muss miteinander reden.
Dann muss, mit den Asylsuchenden, ein Rahmen für ihren Aufenthalt abgesteckt werden. Auch das kann kompliziert sein. Es muss den Menschen deutlich sein, das Kirchenasyl außerhalb der normalen Verfahren zur Asylsuche steht und kein Rechtsmittel ist, sondern, in gewisser Weise ein Akt der Gnade des Altares. Sie sind Bittsteller vor dem Altar des Ewigen. Aber genau darin kann auch eine Hoffnung liegen.
Gert Flessing
Letzte Zuflucht Kirchenasyl
Der Streit um das Kirchenasyl wird erbittert geführt, hat aber keinen Einfluss auf die Zahlen: Die Flüchtlinge in der Kirche werden immer mehr. Nur in Sachsen ist das anders.Es war nur eine kleine Mitteilung an die Lokalpresse in Bautzen, doch das Medieninteresse war gewaltig – und für die Kirchgemeinde überraschend. Sie bietet einer iranischen Familie in ihren Räumen Schutz vor der drohenden Abschiebung, doch das zu einer Zeit, in der das Kirchenasyl von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scharf kritisiert, ja »prinzipiell und fundamental« abgelehnt wird. »Wir hätten es besser nicht öffentlich machen sollen«, sagt Pfarrer Jörg Sirrenberg von der Kirchgemeinde Bautzen-Gesundbrunnen wenige Tage später. Etliche Anfragen von Presse, Funk und Fernsehen habe es gegeben. »Ich hatte gedacht, wenn eine Öffentlichkeit da ist, wäre es besser. Doch jetzt möchten wir die Familie davor schützen«, so der Pfarrer.
Der kirchliche Schutz für Flüchtlinge sorgt in Deutschland gerade für heftige Diskussionen. Grund dafür sind die rasant gestiegenen Zahlen: Waren es Anfang 2014 noch bundesweit 34 Fälle, so hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl in dieser Woche schon 226 Fälle mit über 400 Personen gezählt. Parallel steigen auch die Flüchtlingszahlen enorm an.
Die Kirchen wollen an dieser Asyltradition festhalten, um Härtefälle überprüfen und Menschlichkeit zum Zuge kommen zu lassen. Der Bundesinnenminister hält dagegen, die Kirchen würden das Asyl missbrauchen und sich über geltendes Recht stellen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwägt unterdessen eine Verschärfung der Regelungen für die sogenannten Dublin-Fälle, den Großteil der Kirchenasyle: Dabei sollen Flüchtlinge in das EU-Land zurückgeschickt werden, in das sie zuerst eingereist sind. Um ein Asylverfahren in Deutschland zu erhalten, mussten sich Flüchtlinge bislang mindestens sechs Monate im Land aufhalten. Dabei half das Asyl in der Kirche, die Frist zu überstehen. Nun könnte sich diese Wartefrist für Menschen im Kirchenasyl auf 18 Monate verlängern. Der Druck auf das Kirchenasyl würde für Flüchtlinge und Gemeinde größer.
Von steigenden Zahlen im Kirchenasyl kann in Sachsen keine Rede sein. So ist der Fall von Bautzen das erste öffentlich gewordene Kirchenasyl seit langer Zeit. In den letzten fünf Jahren habe es überhaupt nur drei Fälle, sogenannte »stille Kirchenasyle« gegeben, sagt der Ausländerbeauftragte der sächsischen Landeskirche, Albrecht Engelmann. Die Kirchgemeinden informierten lediglich ordnungsgemäß die Behörden, sonst niemanden. Doch auch bei den wenigen Einzelfällen kommt Kritik aus dem sächsischen Innenministerium. Die Gemeinden hätten mit dem Kirchenasyl »gezielt die vollziehbare Ausreisepflicht unterlaufen«, heißt es. Dabei war das Ende der Fälle nicht immer positiv: Ein Fall sei noch nicht entschieden. Ein Mann habe den Druck im Kirchenasyl nicht ausgehalten und sei untergetaucht. Und ein Mann sei von Sachsen nach Berlin ins Kirchenasyl gewechselt, wo er jetzt die Aufenthaltserlaubnis bekommen habe, berichtet Engelmann.
Warum es in Sachsen kaum Kirchenasyl gibt, weiß Albrecht Engelmann nicht genau. »Vielleicht weil die Gemeinden andere Lösungen mit den Behörden suchen«, meint er. Oder weil sie das Risiko der Konfrontation mit dem Staat scheuen?
»Kirchen sind Orte der Religionsausübung und der religiösen Begegnung, aber keine rechtsfreien Räume«, sagt dazu eine Sprecherin des Innenministeriums. Wie die Rechtsdurchsetzung in kirchlichen Räumen Sachsens im Einzelfall gestaltet werden könne, werde im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Pfarrer geklärt. Für den kirchlichen Ausländerbeauftragten Albrecht Engelmann klingt das nach »einer neuen Denkart«, seitens der Behörden »eine gute Kommunikation aufzubauen«. »Ich verstehe das als Gesprächsangebot«, so Engelmann.
Ich dachte immer, es geht bei Asylsuchenden um Menschen, die Asyl suchen. Flessing fragt erst einmal nach dem „Gewinn“ - ? Das ist immer die erste Frage: bringts was, haben wir was davon, rechnet sichs? Dann müssen vorher WC, KV und Rahmen klar sein! Vor allem muß ganz viel gemußt werden, und bitte immer schön vernünftig, da sollte schon Einstimmigkeit herrschen. Man muß vor allem vernünftig sein müssen. Denn vor allem das vernünftige Verhältnis zu den Behörden und das permanente Müssen haben wesentlich dazu beigetragen, daß „Kirchenasyl“ ein Thema ist. Wer so bürokratisiert über Asylsuchende phantasiert, hat offensichtlich noch nie mit einem zu tun gehabt.
kein wc - notdurft hinter dem altar. keine heizung - aufschrei der nächsten bürgerrechtsgruppe und lokalpresse. kv nicht einstimmig - kirchgemeinde gespalten. echt toll. echt gutmenschlich.
genau: wenn kein wc vorhanden, wird hinter den altar geschissen. und wenn der kv nicht einstimmig beschließt, ist die kirchgemeinde gespalten... echt toll. echt durchdacht. echt klugmenschlich. ich höre schon die nächste bürgerrechtsgruppe aufschreien - *Text wurde von der Redaktion entfernt*
wirklich schlimm an der äußerung von herrn flessing ist die ansicht, es handele sich um "ein zutiefst menschliches Problem", ferner auch um "ein technisches und logistisches Problem". deshalb auch der tunnelblick. ich weiß nicht, wie weit weg von aller realität man sein muß (die britta gerade bei herrn flessing bemerkt haben will und voller dankbarkeit ist), um so eine auffassung ernsthaft zu vertreten. es ist einizg und allein ein politisches problem und dem ist nicht beizukommen durch eine diskussion der umstände der unterbringung. ich wünsche solchen kommentatoren nicht, daß sie einmal in not geraten und dann darauf angewiesen sind, daß bei der entscheidung, hilfe zu leisten, einstimmgkeit erzielt werden muß. bis alle anderen fragen auch noch geklärt sind, braucht der betroffene wahrscheinlich keine hilfe mehr...
Eine Kirchgemeinde ist politisch neutral. Die Kirche hat, so ist es meine Überzeugung, über der Parteipolitik zu stehen.
Von daher kann auch ihr Agieren in der Asylpolitik nicht der Versuch sein, politischen Druck zu erzeugen, sondern, wie es ihr Auftrag ist, in menschlicher Notlage zu helfen. Das aber bedingt ganz gewiss einige Überlegungen, die auch wir uns in unserer Kirchgemeinde - weit weg von einer aktuellen Situation - gemacht haben.
Wer diesen Staat und seine Gesetzgebung, als Feind ansieht, wie es obiger Schreiber annehmen lässt, der tut den Menschen, die in Not sind, gewiss keinen Gefallen.
Als Kirchgemeinde kann und darf ich nicht, um ein politisches Zeichen zu setzen, geltendes Recht brechen. Wir sind keine Diktatur in Deutschland, sondern eine lebendige Demokratie.
Ich kann, um einer aktuellen und, anders nicht lösbaren, persönlichen Notlage willen, geltendes Recht so weit bedrängen, wie es machbar ist. Das kann aber nur gelingen, wenn sich alle beteiligten darüber im Klaren sind, das es sich um eine Ausnahmesituation handelt und nicht um etwas, was "Normalität" sein kann.
Im Gegensatz zum Schreiber kann ich mich durchaus noch daran erinnern, welche Folgen für alle Beteiligten, Flucht und Vertreibung 1945 hatten und wie schwer es, nicht nur für die Flüchtlinge (zu denen meine Mutter und Großmutter gehörten) hatten.
Genau deshalb denke ich, dass jede Gemeinde, nicht erst dann, wenn ein solcher Fall auftritt, sondern schon in der Theorie, überlegen sollte, was notwendig zu bedenken ist, wenn es zu einem Asylfall kommen sollte.
Gert Flessing
Was haben Sie gegen Vernunft? Gott hat sie uns gegeben, damit wir sie auch verwenden.
Nun hat bei mir noch kein Asylsuchender auf der Matte gestanden. Dafür dürfte unsere Gemeinde zu klein sein. Aber es gehört schon dazu, dass man sich über die Bedingungen, unter denen ein solches Asyl gewährt werden kann, bei Zeiten Gedanken machen sollte. Ihre Emotionalität mag ja vielleicht herzerwärmend sein. Hilfreich ist sie, wenn es darauf ankommt, gewiss nicht.
Gert Flessing
"Da sollte Einstimmigkeit herrschen und nicht die Mehrheit einer Stimme. Sonst geht es schief." Sie wissen immer so viel, Herr Flessing. Woher wissen Sie denn das schon wieder - Einstimmigkeit soll herrschen und nicht die Mehrheit einer Stimme, sonst geht es schief? Mir ist kein Kirchenasyl bekannt, daß "schief gelaufen" ist, was immer das heißen mag; wahrscheinlich hat immer Einstimmigkeit geherrscht und Sie haben wie immer Recht.
Das bekannteste Beispiel eines "schief gelaufenen" Kirchenasyls gab es vor ziemlich genau einem Jahr:
http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/beitrag/items/skandal-bayerische-po...
Eines der drei "stillen Kirchenasyle" in Sachsen in den vergangenen Jahren, wo der Flüchtling danach untergetaucht ist (siehe Beitrag), würde ich auch als "schiefgelaufen" bezeichnen.
Lieber Herr Naumann, die Frage, wo dieses Kirchenasyl möglich ist, hatten wir im Konvent und es stellte sich, wir hatten eine Ausländerbeauftragte bei uns, heraus, dass es bei der Aufnahme in einem Pfarrhaus nicht gilt. Das Pfarrhaus ist kein sakraler Raum. Jedenfalls wurde es uns so erklärt. Allein die Kirche als sakraler Raum, würde vor einem Zugriff durch die Polizei schützen.
Gert Flessing
Seiten
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- nächste Seite ›
- letzte Seite »
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.
Diskutieren Sie mit