Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
Johannes 12, Vers 32
Nach dem Wettkampf wird es aufgestellt: das Siegertreppchen mit drei Stufen. Der Abstand von Siegern und Verlierern wird inszeniert. Wer gesiegt hat, ist ganz oben. Alle anderen können auf den so Erhöhten nur noch von unten hinaufschauen, neidisch oder respektvoll – aber stets in gehörigem Abstand.
Jesus spricht: »Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.« Wer das Siegertreppchen im Kopf hat, der wird sagen: Das ist verrückt. Alle von unten mit hinauf nach oben? Was soll das für ein Sieg sein, bei dem der verdiente Abstand vom Sieger selbst eingeebnet wird? Der Sieg Jesu ist tatsächlich verrückt. Er verrückt und sprengt die Maßstäbe von oben und unten. Wenn der Evangelist Johannes von »erhöhen« redet, dann ist das doppeldeutig: Es meint den Sieg, die Auferstehung Jesu, seine Rückkehr zu Gott, dem Vater, seine Himmelfahrt. Aber immer ist mitgemeint: das aufgerichtete, erhöhte Kreuz, an dem der Verurteilte für alle sichtbar hängt. Ein paradoxes Wortspiel: Es redet von Erniedrigung und Erhöhung Jesu zugleich, vom Heil der Welt durch das Kreuz.
Jesus, der Sieger, setzt nicht auf den gehörigen Abstand, sondern auf Hingabe und Menschlichkeit. Er will alle mitnehmen auf seinem Weg ins Leben, der am Kreuz nicht vorbeigeht. Auch wir werden nicht erhöht, ohne uns zu bücken, ohne Schritte auf dem Weg des Kreuzes. Jesus zieht uns hinein in seine Nachfolge, dass auch wir nicht auf Abstand setzen, nicht auf Abschottung in Gesellschaft und Kirche, nicht auf zementierte Verhältnisse von oben und unten. Dem Sieger folgen: anderen die Hand reichen, Menschen in der Würde begegnen, die Gott ihnen zuspricht, auch denen, die nicht auf dem Siegertreppchen stehen.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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