Die Landessynode in der Dresdner Dreikönigskirche.
Sonntag, 21.10 Uhr:
Wir haben einen neuen Gesprächsprozess! Diesmal zur Diakonie. Die Synode hat fast einstimmig den – leicht abgesofteten – Antrag des Ad-hoc-Diakonieausschusses beschlossen. Der will jetzt mit diakonischer und kirchlicher Basis diskutieren. »Ein Gesprächsprozess wie zur Strukturreform wäre eine hervorragende Möglichkeit der Beteiligung«, so der Ausschussvorsitzende Christoph Apitz.
Sonntag, 20.46:
Die Sitzung ist wieder unterbrochen. Heftig umstritten sind die sieben Vorschläge des Ad-hoc-Diakonieausschusses: Diakonische Werke der Kirchenbezirke zu stärken, indem alle kleineren diakonischen Träger bei ihnen Mitglied werden sollen – statt im Landesverband. Das Ziel: mehr Nähe zu Gemeinden und mehr regionale Kooperation. Doch einige Synodale fürchten, damit auf die Schnelle eine Grundsatzentscheidung zu fällen.
»Mir liegt sehr viel daran, dass wir diese Debatte eröffnen«, sagt Landesbischof Carsten Rentzing. »Aber die Gefahr ist groß, dass der Eindruck entsteht, dies wäre eine Vorentscheidung der Synode.« In der Tat bezeichnet der Ausschuss seine Vorschläge nur als Arbeitsgrundlage für die Arbeit an einem erneuerten Diakoniegesetz. »Wir wollen das nicht von oben herab durchsetzen, sondern mit denen ins Gespräch kommen, die das betrifft«, sagt der Ausschussvorsitzende Christoph Apitz.
Sonntag, 19.40 Uhr:
Darf der Ad-hoc-Diakonie-Ausschuss der Synode die umstrittenen Umstände der Diakoniestiftung untersuchen? Der Ältestenrat der Synode empfiehlt: Der Rechtsausschuss soll ersteinmal prüfen, ob der Diakonie-Ausschuss zuständig ist. Aufklärung aufgeschoben.
Sonntag, 17.30 Uhr:
Die Debatte um die Diakonie wird unterbrochen – zu hoch wogen die Emotionen und zu vernebelt scheinen die Fakten. Der Ad-hoc-Ausschuss der Synode hat zuvor einen Antrag vorgelegt: Er schlägt vor, die Diakonischen Werke und Stadtmissionen der Kirchembezirke zu stärken – mehr Gemeindenähe und weniger Einfluss des Diakonie-Landesverbandes. Der Zwischenbericht des Ausschusses sorgt für Diskussionen. Die Synodalen hätten 12 Kirchenbezirke und 14 ephorale Diakonische Werke befragt, berichtet der Ausschussvorsitzende Christoph Apitz. Sie wünschten sich mehrheitlich die Bündelung diakonischer Kräfte in einer Region und mehr Nähe zu Kirchgemeinden.
»Auch die Kommunikation untereinander wie auch mit dem Landesverband müsste verbessert werden«, fasst Apitz zusammen. »In etwa zwei Dritteln der Rückmeldungen wurde ein Vertrauensverlust gegenüber dem Vorstand der Diakonie Sachsen im Zusammenhang mit dem Aufbau der Diakoniestiftung beklagt.«
Diese Vorgänge würde der Ausschuss gern untersuchen, immerhin hat ihn eine Mehrheit der diakonischen Träger in Sachsen darum gebeten. Doch das Landeskirchenamt versuche das zu verhindern, so der Ausschuss-Vorsitzende. Daran entzündet sich die Debatte. Oberlandeskirchenrat Klaus Schurig beklagt seinerseits »phantasievolle Geschichten und die Methode der Umdeutung« auf Seiten einiger Kritiker. »Mit der Saat des Misstrauens oder des Verdachts ist keine Kirche erfolgreich zu bauen.« Auch Synodalpräsident Otto Guse hält den Ad-hoc-Ausschuss für nicht zuständig und sieht in ihm »möglicherweise interessengeleitete Handlungen«. Konkreter werden die gegenseitigen Vorwürfe nicht. Jetzt entscheidet der Ältestenrat der Synode, wie es weitergeht.
Sonntag, 13.05 Uhr:
Nach Gottesdienst und Mittagspause arbeitet die Synode weiter – und hat wieder ein großes Thema vor sich: die Zukunft der Diakonie in Sachsen.
Sonnabend, 20.54 Uhr:
Die Synodalen können sich noch selbst überraschen: Ohne eine einzige Gegenstimme haben sie die Richtung für eine Reform der Kirchgemeindestrukturen beschlossen. »Den Kirchgemeinden ist in den künftigen Arbeitsstrukturen die Selbstständigkeit zu erhalten« mit eigenen Kirchenvorständen sowie Hoheit über Personal- und Finanzfragen, heißt es in dem Beschluss. Das soll in veränderten Schwesterkirch-Verhältnissen oder Kirchspielen auf Basis des bisherigen Kirchgemeindestrukturgesetzes geschehen.
Der aus vielen Eingaben inspirierte neue Weg versucht einen Spagat aus »Nähe und Flexibilität«: Einerseits sollen bei zurückgehenden Gemeindegliederzahlen größere Arbeitsstrukturen für »auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse« auch im Blick auf 2040 geschaffen werden – andererseits soll die Bildung größerer Verbünde »in mehreren Schritten« umgesetzt werden können und nicht wie bei »Kirche mit Hoffnung« im Hauruck-Verfahren bis 2025.
Die praktischen Probleme bisheriger Schwesterkirch-Verhältnisse sollen durch neue Entscheidungsstrukturen und Ausschüsse behoben werden. Nun muss das Landeskirchenamt aus all dem Gesetzesvorschläge bis zur Frühjahrssynode 2018 machen.
»Wir haben bewusst kein neues Modell vorgebracht, sondern Anregungen aus den verschiedenen Modellen zusammengeführt und daraus einen Kompromissantrag gemacht«, sagt der Bornaer Pfarrer Jochen Kinder, der mit seinem Vorschlag zusammen mit dem Gemeindeaufbauausschuss den Beschluss vorbereitet hat.
Sonnabend, 17.35 Uhr:
Bisher waren sinkende Einnahmen eher theoretischer Natur – nun rechnet die Landessynode erstmals seit vielen Jahren mit sinkenden Einnahmen. 218 Millionen Euro plant der landeskirchliche Haushalt für das nächste Jahr – für 2017 standen noch sieben Millionen Euro mehr darin. »Der Mitgliederrückgang fängt jetzt an, sich auf unsere Steuereinnahmen auszuwirken«, sagt Heinz Hartwig Böhmer, der Vorsitzende des Finanzausschusses. Aufgefangen wird das Minus jetzt noch durch wegfallende Ausgaben für Reformationsjubiläum und Archiv-Neubau – und es bleiben sogar noch 2 Millionen für die Rücklagen übrig.
Doch dann will die Synode in der ersten Lesung doch noch ein paar inhaltliche Signale setzen. Mit 100 000 Euro verdoppelt sie die Förderung für missionarische Projekte. Und mit 15 000 Euro will sie im nächsten Jahr das evangelikale Magazin Idea unterstützen. Dem hatte die EKD-Synode erst vor einer Woche den jährlichen Zuschuss von 132 000 Euro gestrichen – aus Verärgerung mancher Kirchenoberen über die Berichterstattung der bundesweit gelesenen theologisch konservativen Zeitschrift vor der Bundestagswahl, wie zu hören war.
»Ich bin ein entschiedener Gegner von dem, was in Idea zu lesen ist – aber es steht uns gut an, die Meinungsvielfalt zu ermöglichen«, warb der Leipziger Synodale Leo Krause. »Dann würde die sächsische Landeskirche zwei Kirchenzeitungen haben und Idea so freundlich über das Landeskirchenamt berichten wie der SONNTAG«, gibt der für Medien zuständige Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer augenzwinkernd zu bedenken. Eine Mehrheit unterstützt gegen 24 Nein-Stimmen diesen Antrag. »Das finde ich jetzt richtig gut«, sagt auf der Pressebank der designierte Idea-Leiter Matthias Pankau – er ist Pfarrer im Ehrenamt in Leipzig.
Sonnabend, 14.30 Uhr:
Friedhelm Zühlke hat den Protest gegen die Strukturreform der Kirchenleitung organisiert – nun sitzt der Gründer der Initiative »Zurück auf Los« in der Besucherreihe der Synode und sieht nicht unzufrieden aus. »Mit einem größeren Schwesterkirch-Verhältnis im Sinne einer Pfarrei könnte man gut leben«, sagt der Auerswalder Kirchvorsteher. »Entscheidend ist die rechtliche Selbstständigkeit der Gemeinden, ihre Personalhoheit und ihr Haushaltsrecht. Und dass man das ihnen später nicht wieder wegnehmen kann.«
Er wünscht sich ein flexibles Strukturmodell, das unter den Bedingungen der Oberlausitz ebenso gut funktioniert wie in Dresden. Hinter den Kulissen der Synode wird gerade an den Details eines solchen Antrages gefeilt. Dann könnte abgestimmt werden.
Sonnabend, 11.45 Uhr:
Viel Unterstützung für das »Modell der Nähe« – und ergänzende Anträge. Zehn Prozent der Pfarrstellen sollen künftig außerhalb der Gemeinden für missionarische Arbeit eingesetzt werden, lautet der eine. Ein Zweiter will die Ko-Finanzierung von Personal durch Spenden, Fördervereine und Stiftungen stärken. Und ein Dritter will mehr Kantoren und Kirchenmusiker.
Die Berufsverbände der Kirchenmusiker und Gemeindepädagogen fordern gemeinsam die Anstellung dieser Berufe bei Kirchenbezirken oder Landeskirche, um in größeren Strukturen nicht zwischen Gemeinden zerrieben zu werden und attraktive Stellen zu schaffen.
Sonnabend, 11.20 Uhr:
Die Debatte um die Strukturreform geht weiter – jetzt liegt der erste konkrete Antrag auf dem Tisch. »Modell der Nähe« nennt er sich und will eine Weiterentwicklung des schon bestehenden Kirchgemeindestrukturgesetzes. »Wir sollten das aufnehmen, was wir in vielen Eingaben und Diskussionen gehört haben – aber die Regelungen müssen auch pragmatisch umsetzbar sein in einer überschaubaren Zeit«, sagt der Antragsteller Jochen Kinder, Pfarrer in Borna bei Oschatz.
Sein Vorschlag: Kirchgemeinden sollen ihre Selbstständigkeit bei Personal- und Finanzfragen erhalten könen, dafür sollten die Entscheidungsstrukturen in Schwesterkirch-Verhältnissen weiterentwickelt werden. Der Horizont bis 2040 soll mit diesem Antrag im Blick bleiben – aber nötige Strukturänderungen bis dahin könnten in mehreren Schritten und flexibel umgesetzt werden.
Sonnabend, 9.07 Uhr:
»Wir haben kein Recht, uns unablässig mit uns selbst zu beschäftigen und unseren Auftrag zu vernachlässigen«, sagt Landesbischof Carsten Rentzing in seinem Bericht vor der Synode. »Unsere auseinander triftende Gesellschaft verlangt geradezu nach der Botschaft des Friedens und der Versöhnung.« Nach 20 Jahren der Debatte über kirchliche Strukturen sei es Zeit, die Debatte zu einem konstruktiven Abschluss zu führen. »Im 500. Jahr der Reformation benötigen wir etwas vom reformatorischen Wagemut.«
Der Landesbischof plädiert nicht für ein bestimmtes Strukturmodell. Aber er zeigte eine Richtung. »Wir dürfen uns nicht zurückziehen in unsere Lieblingswinkel. Als Landeskirche haben wir deshalb immer gesagt, dass es auf dem Territorium, auf das uns der Herr gestellt hat, keine weißen Flecken geben wird. Das Licht der Welt muss hineinstrahlen in alle Lebensbereiche: in Schulen, Gefängnissen, Krankenhäusern, Diakonie und im allgemeinen gesellschaftlichen Leben«, warb der Bischof auch für Sonderpfarrstellen.
Nur wenn künftige Gemeindestrukturen der Zusammenarbeit und nicht der Isolierung dienten, könnten sie die Mission Gottes für sich beanspruchen, so der Bischof.
Auch zu seiner umstrittenen Stellungnahme zur Bundestagswahl und dem Ergebnis der AfD nahm er Stellung. »Ich hatte mich nach der Wahl dazu entschlossen, nicht nur das allzu Erwartbare zu sagen«, erklärt Rentzing vor der Synode. »Der gekreuzigte Christus tritt in den Riss der Auseinandersetzungen. Das aber zielt selten nur in eine Richtung und es zielt viel tiefer als der Politsprech unserer Tage.«
Freitag, 21.17 Uhr:
Die Synode macht Feierabend – und viele Fragen bleiben offen. Klar ist, dass vieles in den Alternativmodellen zu »Kirche mit Hoffnung« unklar ist für viele Synodale. Deshalb suchen die meisten Ausschüsse Rettung bei einer alten Bekannten: dem Schwesterkirchverhältnis aus dem bisherigen Kirchgemeindestrukturgesetz. SchViele der Eingaben an die Synode hätten sich dafür ausgesprochen, sagt Sebastian Schurig aus dem Gemeindeaufbau-Ausschuss, und wünschten sich den Erhalt der Selbstständigkeit ihrer Gemeinden. »Es lohnt sich eher, das Kirchgemeindestrukturgesetz im Sinne dieser Eingaben zu überarbeiten«, sagt der Dippoldiswalder Pfarrer.
Auch der Rechtsausschuss sieht das mit Blick auf die juristische Umsetzung so. »Wenn man das Pfarrei-Modell in Richtung des Schwesterkirch-Verhältnisses entwickeln würde, wäre das leichter«, so der Markersbacher Pfarrer Gaston Nogrady. Und der Finanzausschuss stellt fest, dass nur für die bisher schon praktizierten Gemeindemodelle die Kosten wirklich durchzurechnen seien.
Gegen die an der Basis so beliebten Alternativen Pfarrei-Modell und kleine Kirchenbezirke sprach sich auch der Sozialethische Synodenausschuss aus. »Beide sind sehr binnenorientiert und schauen stark nur auf die Kerngemeinde«, sagt die Macherner Pfarrerin Barbara Lötzsch. »Uns war wichtig, dass wir über unsere Grenzen hinausschauen.«
Wird das Schwesterkirchverhältnis der Kompromiss? Das wäre dann von nicht geringer Ironie. Denn genau dieser Kooperation wollte die Kirchenleitung in ihrem Konzept »Kirche mit Hoffnung« ein Ende bereiten – mangels Erfolg in der Praxis.
Freitag, 20.35 Uhr:
Nach Stunden der Diskussion in Ausschüssen diskutiert die Synode nun im Plenum weiter über die Strukturreform – und wägt die Vor- und Nachteile der vier vorliegenden Modelle ab. Die 71 den Synodalen vorliegenden Eingaben aus Gemeinden zeigen ein Ergebnis: 25 von ihnen plädieren für das Pfarrei-Modell, 20 für das Modell der 28 bis 33 kleinen Kirchenbezirke – und nur wenige für das Modell der Kirchenleitung.
Freitag, 12.30 Uhr:
Die Synode macht Mittagspause – und hat sich zuvor noch eine Mammutaufgabe aufgetischt: Sie muss jetzt aus vier Modellen, vielen Eingaben und ungezählten Argumenten einen Weg für zukünftige Gemeindestrukturen basteln. Wie das gehen könnte, darüber beraten am Nachmittag die Ausschüsse. In der Debatte zuvor gab es mehrere Stimmen, die – wie das Konzept der Kirchenleitung – eine Weiterentwicklung des bisherigen Kirchgemeindestrukturgesetzes vorschlugen, die Identität der Ortsgemeinden aber stärker berücksichtigt. Andere fragten nach einer Kombination von Elementen verschiedener Strukturmodelle. Wie dieses Knäuel genau entwirrt werden könnte, ist zur Stunde unklar. Um 20.30 Uhr setzt die Synode ihre öffentliche Sitzung fort. Es könnte spät werden.
Freitag, 11.40 Uhr:
Im Pfarrei-Modell sieht der Zwickauer Bezirkskatechet Thomas Reuter ein »Konjunkturprogramm für die Verwaltung«. Er befürchtet, dass die in diesem Modell vorgesehene Schaffung von Verwaltungsämtern in Pfarreien mit Verwaltungsleitern letztlich zulasten des Verkündigungsdienstes geht. »Der Blick des Pfarrei-Modells fokussiert unsere Kraft auf die immer kleiner werdenden Kirchgemeinden – und nicht auf unserer Aufgabe als Salz der Erde.«
Freitag, 11.20 Uhr:
Beim Modell der 28 bis 33 Mini-Kirchenbezirke stehen für den Annaberger Superintendenten Olaf Richter »Aufwand und Nutzen in keinem akzeptablen Verhältnis«. »Gerade in Krisenzeiten hilft die Rückkehr zur Kleinteiligkeit nur wenig weiter«, sagt er vor der Synode. »Nur gemeinsam sind wir stark.« Mit Mini-Kirchenbezirken befürchtet Richter eine Schwächung der mittleren Ebene als Puffer zwischen Kirchenleitung und Gemeinden sowie im Auftritt gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
Freitag 10.15 Uhr:
Die sächsische Landessynode nimmt sich für das große Thema Strukturreform extra viel Zeit und startet schon am Freitagvormittag mit dem Plenum – und mit einer ungewöhnlichen Idee: »Das Präsidium dachte sich: Es ist gut, einmal eine gegenteilige Meinung zu jedem Strukturmodell zu hören«, sagte Synodalpräsident Otto Guse zu Beginn. »Wir müssen wissen, ob sie etwas taugen.«
Den Auftakt machte der frühere pommersche Bischof Eduard Berger. Das Modell der Kirchenleitung »Kirche mit Hoffnung« empfinde er als »kühl rechnend« und die Prognosen als »bedrückend«. »Zusammenarbeit bringt auch Mehrarbeit, Ärger, Reibungsverluste und einen hohen Zeitbedarf«, sagt der in Dresden lebende Pfarrer vor der Synode. »Ich frage mich manchmal, ob nicht tiefere Einschnitte mit geistlichem Mut nötig werden.« Berger plädierte für eine Stärkung und mehr Geld für Ortsgemeinden als »einzige Lebenszellen christlicher Existenz«.
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