Gleich 17 Werke von Sofia Gubaidulina stehen in den Kapellkonzerten der aktuellen Spielzeit auf dem Programm, ein Großteil davon in den kommenden Tagen. Darauf machte die Sächsische Staatskapelle Dresden aufmerksam. So intensiv wie in dieser Spielzeit habe sich die Sächsische Staatskapelle Dresden in der Vergangenheit noch nie mit dem Oeuvre eines ihrer Capell-Compositeure auseinandergesetzt.
Seit Beginn der achtziger Jahre gelangten die Werke der russischen Komponistin – mithilfe des Geigers Gidon Kremer – ins westliche Konzertprogramm: 1931 in Tschistopol geboren, einer Stadt in der tatarischen Republik, erhielt sie mit fünf Jahren den ersten Musikunterricht, mit 13 komponierte sie. Sie studierte Komposition in Kasan und Moskau. Sie galt damals als eigensinnige Künstlerin, die nichts mit staatskonformer Ästhetik am Hut hatte. 1992 verließ Gubaidulina Russland, seitdem lebt sie in der Nähe von Hamburg.
Im 8. Symphoniekonzert der Staatskapelle gelangt am 2., 3. und 4. März unter der Leitung von Donald Runnicles Gubaidulinas Werk »Fachwerk« für Bajan (eine russische Variante des Knopfakkordeons), Schlagzeug und Streichorchester zur Aufführung. »Gubaidulina ließ sich zu diesem dramatischen und zugleich geheimnisvollen Werk von ihrer Begeisterung für das architektonische Phänomen der Fachwerkbauweise inspirieren, die nichts verdeckt, sondern ihre Struktur vielmehr offenlegt«, sagt Kapelldramaturg Tobias Niederschlag.
Gewidmet hat die Komponistin ihr Werk dem Bajan-Virtuosen Geir Draugsvoll, mit dem Gubaidulina schon seit Jahren eng zusammenarbeitet und der auch in Dresden den Solopart übernehmen wird. Donald Runnicles dirigiert im 8. Symphoniekonzert darüber hinaus drei Werke aus seiner britischen Heimat: die »Four Sea Interludes« op. 33a aus »Peter Grimes« von Benjamin Britten, die Fantasie auf ein Thema von Thomas Tallis von Ralph Vaughan Williams sowie Edward Elgars Konzert-Ouvertüre »In the South« (Alassio).
Zehn Kammermusikwerke Gubaidulinas erklingen außerdem am Samstag, den 4. März 2017, ab 17 Uhr im Porträtkonzert der Capell-Compositrice in der Schlosskapelle des Dresdner Residenzschlosses. Dieses Konzertformat ist für die Staatskapelle eine Premiere und entsprang einer Initiative aus den Reihen des Orchesters. Das erste Konzert in diesem neuen Format, das von der Kammermusik der Staatskapelle organisiert wird, hat zwei Pausen, in denen die Zuhörer die Komponistin und Musiker der Staatskapelle im Gespräch erleben können.
»In unserem musikalischen Porträt von Sofia Gubaidulina geht es uns darum, ihr Wirken in drei Stationen vorzustellen«, erklärt Niederschlag. Der Abend ist so aufgebaut, dass Gubaidulinas kompositorische Wurzeln in den 60er Jahren, ihre Inspirationsquellen und ihr heutiges Schaffen zu hören sein werden. Für Niederschlag gehört es zum Selbstverständnis der Kapelle, diese Momente, in denen Musikgeschichte der Gegenwart greifbar wird, mit dem Publikum zu teilen. »Gerade wenn es um Neue Musik geht, ist es wichtig, sie nicht nur in den Raum zu stellen, sondern sie gemeinsam mit der Komponistin und dem Publikum zu erobern – so wird Musik tatsächlich erlebbar.«
8. Symphoniekonzert
Donnerstag, 2. März 2017, 20 Uhr
Freitag, 3. März 2017, 20 Uhr
Samstag, 4. März 2017, 11 Uhr
Ort: Semperoper Dresden
Dirigent: Donald Runnicles
Bajan: Geir Draugsvoll
Benjamin Britten
»Four Sea Interludes« op. 33a aus »Peter Grimes«
Sofia Gubaidulina
»Fachwerk« für Bajan, Schlagzeug und Streichorchester
Ralph Vaughan Williams
Fantasie auf ein Thema von Thomas Tallis
Edward Elgar
»In the South« (Alassio), Konzert-Ouvertüre op. 50
Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der Semperoper
Liveübertragung am Freitag, den 3. März 2017, ab 20.05 Uhr auf MDR Kultur
Porträtkonzert der Capell-Compositrice
Samstag, 4. März 2017, 17 Uhr
Ort: Schlosskapelle des Dresdner Residenzschlosses
Geir Draugsvoll, Bajan
Andrej Kasik, Klavier
Michael Schöch, Klavier
Musikerinnen und Musiker der Sächsischen Staatskapelle Dresden
17 Uhr – 1. Teil: WURZELN
Sofia Gubaidulina
Fünf Etüden op. 1 für Harfe, Kontrabass und Schlagzeug (1965)
Dmitri Schostakowitsch
Streichquartett Nr. 7 fis-Moll op. 108 (1960)
Sofia Gubaidulina
»Allegro rustico« für Flöte und Klavier (1963)
»Duo Sonata« für zwei Fagotte (1977)
»Quasi hoquetus« für Viola, Fagott und Klavier (1984/1985/2008)
PAUSE
19 Uhr – 2. Teil: INSPIRATION
Johann Sebastian Bach
»O Haupt voll Blut und Wunden«, Choral aus der Matthäuspassion BWV 244 (vermutlich 1727)
Auszüge aus »Die Kunst der Fuge« BWV 1080 (1742-49)
Sofia Gubaidulina
»Garten von Freuden und Traurigkeiten« für Flöte, Harfe und Viola (1980/1993)
Anton Webern
Konzert für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Trompete, Posaune, Violine, Viola und Klavier op. 24 (1934)
Sofia Gubaidulina
»Concordanza« für Kammerensemble (1971)
»Reflections on the Theme B-A-C-H« für Streichquartett (2002)
Pause
21 Uhr – 3. Teil: »IN TEMPUS PRAESENS«
Sofia Gubaidulina
»Silenzio« Fünf Stücke für Bajan, Violine und Violoncello (1991/2010)
»De profundis« für Bajan solo (1978)
Viktor Suslin
»Ton H« für Violoncello und Klavier (2001)
Sofia Gubaidulina
»So sei es« für Violine, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug (2013)