Wenn man das so liest, kommen einem als "gelernter kritischer DDR-ler" schon ein paar Fragen:
1. Ist jedem bewußt, wer unter welchen Vorraussetzungen "1986 an der Hochschule der Deutschen Volkspolizei Berlin diplomierte Staatswissenschaftler" werden konnte und durfte?
2. Warum wird nicht erwähnt, daß der Mann zu DDR-Zeiten eines bewaffneten Staatsorgans war?
Da ist dann nicht verwunderlich, daß der Mann der Ansicht "ist mir das so überhaupt nicht bekannt", "Neben der Stadt Leipzig und den Gewerkschaften würden auch die Kirchen den Eindruck vermitteln, linke Gewalt zu tolerieren."
Anerkennesnwert ist allerdings auch seine Ansicht:
"Blockaden kommen nicht in Frage, dagegen muss die Polizei vorgehen. Blockaden sind natürlich auch eine Ausdrucksform, die häufig von linken Gewalttätern genutzt wird. Das sind nun mal Straftaten und die müssen verhindert werden. Da mag man schon den Eindruck gewinnen, wer zu Blockaden aufruft oder sich daran beteiligt, der steht links. Natürlich gibt es auch bei kirchlichen Aktionen Menschen mit linken Ansichten"
Oder auch: " Einen signifikanten Anstieg bei Übergriffen auf Asylbewerber und Asylbewerberheime kann ich nicht belegen"
»Wir sind nicht Beamte von Gott gegeben«
Der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz spricht im Interview über Vorwürfe der Polizeigewerkschaft gegen die Kirche, über Legida, Gewissensnöte bei Abschiebungen und wofür er betet.Herr Polizeipräsident Merbitz, Die Kirche in Leipzig hat montags ihre Demonstration eingestellt. Schon hieß das Fazit der Polizei: »Es war der friedlichste Montag, seit Legida in Leipzig aufgetreten ist«. Sehen Sie einen Zusammenhang?
Merbitz: Wir haben einen leichten Rückgang bei Legida und auch bei den Gegendemonstrationen zu verzeichnen. Aber es wäre jetzt vollkommen falsch zu sagen, weil die Kirche nun die Pilgerwege nicht mehr geht, ist das Demonstrationsgeschehen einfacher. Das ist ein völlig falscher Schluss. Da würde man der Kirche, dem Superintendenten und allen anderen friedlichen Demonstranten etwas unterstellen, was dem nicht gerecht wird.
Wird die Kirche an dieser Stelle gebraucht?
Merbitz: Wenn wir so schwer zu lösende Probleme haben wie jetzt mit Pegida und Legida, dann greift man gern auf die Kirche als Vermittler zurück. Ich glaube, das ist gut so. Wenn es um den Schutz des Abendlandes geht oder die Islamisierung des Abendlandes – das sind schauderhafte Begriffe – fordert das die Kirche doch geradezu heraus. Da erwarte ich auch von der Kirche, dass sie etwas dazu sagt, dass sie auf die Straße geht. Das hat sie hervorragend gemacht.
Hintergrund meiner Frage ist ein Schreiben der Polizeigewerkschaft vom 8. Januar: Neben der Stadt Leipzig und den Gewerkschaften würden auch die Kirchen den Eindruck vermitteln, linke Gewalt zu tolerieren.
Merbitz: Was ich sehe – und ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Pfarrern – ist mir das so überhaupt nicht bekannt. Legida verdirbt ja nicht nur das Klima, dort wird auch ein gewisser Hass geschürt. Dass man sich dem entgegen stellen will, da spielt nun auch die Geschichte eine Rolle und die Friedliche Revolution 1989. Wie das mit dem Aufruf zu den Sitzblockaden ausgeht, ist ein anderes Kapitel. Aber dass man sagt, die Kirche ruft zu Gewalt auf, da distanziere ich mich ganz stark davon.
Woher kommt dann der Eindruck?
Merbitz: Es gab diesen Blockade-Aufruf gegen Legida, den ja über 1700 Leute unterschrieben haben. Ich glaube, dass die Polizeigewerkschaft deshalb gesagt hat, Blockaden kommen nicht in Frage, dagegen muss die Polizei vorgehen. Blockaden sind natürlich auch eine Ausdrucksform, die häufig von linken Gewalttätern genutzt wird. Das sind nun mal Straftaten und die müssen verhindert werden. Da mag man schon den Eindruck gewinnen, wer zu Blockaden aufruft oder sich daran beteiligt, der steht links. Natürlich gibt es auch bei kirchlichen Aktionen Menschen mit linken Ansichten. Warum auch nicht, das ist legitim.
Über Legida und deren zehn Thesen heißt es inzwischen schon, die seien gar nicht fremdenfeindlich. Wie sind ihre Erfahrungen?
Merbitz: Wenn es volksverhetzenden Charakter tragen würde oder verfassungswidrige Kennzeichen, dann würden wir als Polizei einschreiten. Es sind schon einige Momente drin, wo manches so ein bisschen verschleiert wird. Das ist vielleicht auch dem ganzen Gerangel um die Asylpolitik geschuldet.
Die Probleme, die hier gelöst werden müssen, sind aber nicht die Probleme der Polizei, sondern da sind die Politiker gefragt. Es gibt viel Unverständnis und es ist wie ein Ventil, das jetzt mal Luft ablässt. Politik muss eben einleuchtend erklärt werden. Und wenn das nicht gelingt, dann ruft das Frustration hervor.
Haben sich in der Folge die Übergriffe auf Asylbewerber und Flüchtlinge erhöht?
Merbitz: Einen signifikanten Anstieg bei Übergriffen auf Asylbewerber und Asylbewerberheime kann ich nicht belegen. Wenn wir sachsenweit schauen, hat sich die Atmosphäre so verändert, dass Autofahrer mit „Sieg Heil“ vor dem Asylbewerberheim vorbeifahren oder Farbbeutel geworfen werden. Ich möchte nie wieder solche Ereignisse haben wie in Hoyerswerda. Und da sind wir als Polizei schon sehr auf der Hut.
Stimmt es, dass die Polizei Probleme damit hat, alle Abschiebungen umzusetzen?
Merbitz: Naja, der Staatssekretär hat zum Beispiel gesagt: »Montags können wir keine Abschiebungen machen, weil da die Polizei gebunden ist«. Sicherlich ist das eine Zusatzaufgabe, die wir auch in Amtshilfe über die Ausländerbehörde zu erfüllen haben. Und gerade durch die Demonstrationen kommt der ganze Dienstplan durcheinander. So ist das auch mit den Abschiebungen. Wenn das immer mehr werden, dann ist das zusätzlich eine erhebliche Aufgabe für uns.
Stoßen Polizisten auch mental an ihre Grenzen und haben Gewissensnöte, wenn Abschiebungen von Familien nachts vor sich gehen?
Merbitz: Das ist in der Tat so, dass sich einige Beamte an mich gewandt haben und übrigens auch an den Polizeiseelsorger, wenn es um Abschiebungen von Familien geht. Da dreht es einem schon das Herz um. Vor allem, wenn sie schon Jahre hier waren und dann abgeschoben werden. Da sind Beamte vor Ort, die auch Familie haben und das geht auch meist mit vielen Tränen aus. Aber die Entscheidung liegt ja nicht bei uns. Wir haben aber jetzt mit dem Innenministerium in vielen Gesprächen Regelungen gefunden, dass es nicht mehr die Nachtzeiten betrifft – zumindest bei Familien. Ich verstehe die Beamten da auch. Da spielt die menschliche Komponente eine wahnsinnig große Rolle. Aber ich betone, Recht und Gesetz müssen auch eingehalten werden.
Wie geht es Ihnen als Christ in solchen Situationen?
Merbitz: Ich glaube, man muss mit sich erst mal selbst im Reinen sein. Welche Funktionen hat man als Präsident? Und da steht an erster Stelle, Recht und Gesetz umzusetzen für das Wohl aller. Und dann kommt auch die menschliche Komponente, ich sage immer das Herz. Da muss man sich schon manchmal fragen, wie manche Probleme auch anders zu lösen sind. Ich habe meinen Beamten auch gesagt: Wir sind nicht Beamte von Gott gegeben. Wir haben den Beruf erlernt und sind Beamte des Freistaats. Bitte üben Sie Ihr Amt auch mit einer gewissen Demut aus.
Mit einem Beamten, der im Einsatz verletzt wurde, habe ich gesprochen und ihm gesagt: „Ich werde für Dich am Sonntag in der Kirche beten.“ Ich gehe ja jeden Sonntag in die Kirche. Und da hat dieser Atheist gesagt: „Herr Merbitz, ich bedanke mich bei Ihnen dafür.“ Also es wirkt schon auch.
Sprechen Sie vor kritischen Situationen, vor schwierigen Einsätzen auch mit Gott darüber?
Merbitz: Ich gehe nicht in die Kirche, um zu beten, dass es mir und meinen nächsten Verwandten gut geht. Im Gegenteil: Ich erwische mich schon immer mehr, dass ich fast meine Familie beim Beten vergesse. Und natürlich bewegt mich immer eins, und das schließe ich auch in mein Gebet ein, dass es alles friedlich verläuft.
Es gibt natürlich auch in der Polizei Situationen, wo wir Beamte verlieren, durch einen Dienstunfall oder durch eine Krankheit. Da versuche ich auch bei den Beerdigungen dabei zu sein, auch als Zeichen, dass jemand von den Vorgesetzten da ist. Und da gibt es so viel Leid in den Familien. Da sage ich ihnen dann auch, ich bete für Sie. Manche schauen mich dann ganz entgeistert an, weil es eher polizeiuntypisch ist. Aber gerade diese Schmerzen, die diese Familien da durchmachen, die bewegen mich relativ viel. Ich bin auch Mensch, manches geht mir auch sehr nahe und da habe ich dann auch mal Tränen in den Augen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Schön, sie "gelernter, kritischer DDR-ler". Aber irgendwo musste ein Mensch damals ja auch seinen Lebensweg beginnen. Lange genug habe ich in der DDR gelebt, um genügend Genossen kennen zu lernen, die sich menschlicher verhielten als mancher, der sich Christ nannte.
Von daher finde ich es fatal, jemanden seiner Vergangenheit zu beschuldigen. Freilich hat das ja in Deutschland eine ungute Tradition.
Gert Flessing
Lieber Herr Flessing,
Sie können sich sicher vorstellen, wer hier schreibt?
Natürlich habe ich auch solche Genossen kennengelernt, zum Beispiel den Kaderleiter/Parteisekretär und damit Stasivertreter im meinem damaligen Betieb zu Zeiten meines Ausreiseantrages. Schon vorher war er der Familie meiner Frau, als diese durch Unfall des Rnähres in tiefe Not geiriet, als einer der wenigen aufgefallen, die wirklich Hilfe anboten und vermittelte, aufgefallen. Und das, obwohl als "ganz Fromme" bekannt waren.
Man könnte dem Mann jetzt unterstellen, daß er sich ein Hintertürchen für den Fall, daß es mal "andersherum" kommen könnte, offenhalten wollte. Ich hatte in diesem Fall nicht den Eindruck. Auf jeden Fall wußte man, wofür der Mann stand, aus Überzeugung und aber trotzdem auch als Mensch.
Gerne hätte ich mich mit ihm nach der Wende nochmal über alles ohne Druck unterhalten. Dafür verstarb er aber zu früh!
Wie ich Sie einschätze, wissen SIe aber auch was von Leuten verlangt wurde (was sie "liefern" mußten!) oder wovon sie überzeugt waren, wenn sie auf entsprechende Schulen, Auslandsstudien (andere waren FDJ-Sekretäre!) gehen wollten und später entsprechende "Posten" bekleideten!
Freilich hat das "Wendehälsen", ganz besonders in Deutschland, eine ungute Tradition.
Die Meisten können aber ihre Vergangenheit nie mehr ganz abstreifen oder (zum Glück) vor uns verbergen! "An ihren Früchten" (nicht an ihren jetzt frommen Sprüchen!) sollt Ihr sie erkennen!"
P.S. Eigentlich wollte ich und werde ich solche Diskussionen, wie ich schon mal betonte, bis nach Ostern verschieben. Aber das brannt mir zu sehr unter den Nägeln!
Besinnliche Tage! Bis dahin!
zu - 1. Ist jedem bewußt, wer unter welchen Vorraussetzungen "1986 an der Hochschule der Deutschen Volkspolizei Berlin diplomierte Staatswissenschaftler" werden konnte und durfte?
Zum Nachdenken - Schon mal was von Paulus gehört? Nicht nur im Pietismus gibt es den Begriff „Bekehrung“.
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