Die frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, nerven die Erzählungen von einer Corona-Diktatur. "Wenn Menschen behaupten, die heutige Bundesrepublik wäre eine DDR 2.0, wegen der Corona-Maßnahmen, oder behaupten, wir wären ein Überwachungsstaat wie zu Stasizeiten, kann ich ihm oder ihr nur sagen: Du hast wirklich das Abc von Politik noch nicht verstanden, du kennst den Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien nicht", sagte Birthler der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Ausgabe vom 8. April). Auch die Erzählung von der nicht vollendeten Revolution 1989 stoße sie ab, sagte die frühere DDR-Dissidentin. Sie werde nicht nur von den Rechten, sondern auch von einigen Linken bemüht.
Für sie sei die friedliche Revolution von 1989 eine Art Osterwunder, sagte die 73-Jährige, die von 2000 und 2011 die Stasiunterlagen-Behörde leitete. Sie bedaure jedoch, dass diese Befreiungserfahrung in Deutschland und exkommunistischen Ländern kaum als eine Art von Hoffnungsressource genutzt werde. Die Deutschen hätten vor allem wegen der Nazi-Zeit besondere Schwierigkeiten, sich auf gute und fortschrittliche Erfahrungen und auf deren Symbole zu beziehen. Dazu gehörten auch die Farben Schwarz-Rot-Gold. "Für mich ein Symbol von Redefreiheit, Demokratie und Freiheit", sagte Birthler: "Deshalb bin ich regelmäßig stinksauer, wenn die schwarz-rot-goldene Fahne entweder für antidemokratische Zwecke missbraucht wird oder aber auf linken Demos als unerwünscht gilt." Diese Fahne symbolisiere für sie die Hoffnung auf bessere, demokratische und freie Zeiten.
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