Barbara Schubert begleitet als Ärztin Menschen beim Sterben – Werner Billing ist Bestatter in Dresden und will seinem Leben lieber selbst ein Ende setzen als gepflegt zu werden. Ein Streitgespräch.
Die Ärztin Dr. Barbara Schubert und der Bestatter Werner Billing in der Palliativstation des Dresdner St. Joseph-Stifts. ©
Steffen Giersch
Herr Billing, Sie sind Bestatter und Mitglied im Sterbehilfe-Verein Dignitas – haben Sie Angst vor dem Sterben?
Billing: Nein, aber ich möchte nicht irgendwann einmal Tag und Nacht auf fremde Menschen angewiesen sein. Ich bin Diabetiker. Als Bestatter habe ich eine alte Dame betreut, wegen Diabetes waren ihr beide Beine abgenommen worden und sie war fast blind. Die hat man mittags aus dem Bett gehoben und zehn Zentimeter vor den Fernsehbildschirm gesetzt. Da habe ich gesagt: Wenn meine Beine schwarz werden, fahre ich zu Dignitas nach Zürich. Ich möchte mit klarem Bewusstsein frei entscheiden: Bis hierher und nicht weiter.
Schubert: Ich habe Respekt vor einer solchen Entscheidung. Aber in meiner Arbeit als Ärztin erlebe ich immer wieder, dass Menschen genau diese Gründe angeben, so lange die Abhängigkeit von anderen nicht da ist – aber wenn sie dann eintritt, wird das Leben kostbar. Es gibt viele Patienten in unserer Palliativstation, die sagen heute: Lasst mich doch sterben – und morgen sagen sie: Habt Ihr nicht noch irgendwas, das mir hilft? Studien zeigen, dass nur etwa zehn Prozent der Patienten in einer palliativen Behandlung einen beständigen Sterbewunsch haben. Meine Sorge ist, dass eine gesetzliche Möglichkeit zur aktiven Sterbehilfe alte und schwer kranke Menschen unter Druck setzt, über diese Möglichkeit nachzudenken.
Sie schütteln den Kopf, Herr Billing.
Billing: Ich kann mich ja nur für aktive Sterbehilfe frei entscheiden, so lange ich klar im Kopf bin. Und da sage ich nicht heute ja und morgen nein. Wenn es mir mit der Pflege gut geht, ist doch alles in Ordnung. Es ist ja lediglich ein Hintertürchen.
Schubert: Bei der überwiegenden Zahl meiner Patienten, die sich so wie Sie entschieden haben, erlebe ich etwas anderes: Gerade dann, wenn der Moment herangekommen ist, wird der feste Vorsatz noch einmal in Frage gestellt. Dann gibt es bestimmte Dinge, die man in der begrenzten Zeit noch tun möchte.
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