Doch: Bernd K., der seine früheren Kirchenaustrittsüberlegungen nun wohl erst mal zurückstellt. J.L.
Der überraschende Bischof
In der längsten Bischofswahl Sachsens gewann knapp der konservative Carsten Rentzing. Wie kam es dazu – und was sagt das über die Situation der Landeskirche?![](https://www.sonntag-sachsen.de/sites/default/files/styles/article/public/field/image/2015_23/2015_23_90561.jpg?itok=UYmhCV0x)
Plötzlich stand Energie im Raum. Hitzige Diskussionen in kleinen Gruppen, Kopfschütteln, lauter wurde es auch. Drei erfolglose Wahlgänge brauchte die Synode, bis den meisten in ihr klar wurde: Diese Wahl wird sehr knapp, sehr lang – und sie wird sehr viel sagen über die augenblickliche Lage der Landeskirche.
Sie bot das ganze Panorama. Und rüttelte es zugleich gehörig durcheinander. Ging es um einen Lager-Wahlkampf zwischen so genannten Liberalen und Konservativen? Wäre es so, wäre der Ausgang klar gewesen: Der Sächsischen Bekenntnisinitiative, die sich gegen den Kirchenleitungsbeschluss zur Öffnung von Pfarrhäusern für homosexuelle Paare stark gemacht hatte, stehen nur höchstens 15 von 80 Synodalen nahe.
Doch vom ersten Wahlgang an lag überraschend der auch in dieser Frage konservative Markneukirchener Pfarrer Carsten Rentzing – dem Beobachter wie viele Synodale nur Außenseiterchancen zumaßen – mit über 33 Stimmen im Vorsprung. Viel spricht dafür, dass dies in erster Linie kein Votum etwa gegen eine Öffnung in Sachen Homosexualität war – sondern für einen Theologen mit Profil, freundlichem Mut zur Kante und einen Mann der Gemeindebasis. Nicht wenige Synodale, die durchaus nicht in allen Punkten eins sind mit Rentzing, unterstützten ihn deshalb. Eine Mehrheit aber fehlte ihm.
23 Synodale stimmten im dritten Wahlgang am Sonnabendnachmittag für Landesjugendpfarrer Tobias Bilz, 17 für die Dresdner Pfarrerin Margrit Klatte und vier für Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer. Deren Anhängern waren es, die am heftigsten diskutierten: Sie wollten einen etwa in der Frage der Homosexualität konservativen Kandidaten verhindern – doch auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können sie sich nicht. Den einen war dieser Kandidat zu nebulös, den anderen jener zu wenig theologisch – oder zu hochtheologisch. Oder es gab menschliche Dissonanzen.
Geschlossene Reihen gab es nicht einmal unter den Frauen. 28 weibliche Synodale wählten mit, doch die erste mögliche Bischöfin Margrit Klatte erhielt im vierten Wahlgang am Sonnabendabend nur noch zwölf Stimmen. Die Zustimmung zu Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer war von zehn Stimmen im ersten Wahlgang auf zwei am Abend ebenfalls geschmolzen – offenbar zugunsten von Tobias Bilz, der mit 31 Stimmen nah an Carsten Rentzing heranreichte. Aber eben nur fast.
Vor der Stichwahl zwischen Rentzing und Bilz lag eine harte Nacht für einige Synodale. Mit vielen Gesprächen, mit Zweifeln, Gewissensfragen. Das Ergebnis am Sonntagvormittag: Fast die Hälfte der Klatte-Wähler wechselten zu Rentzing, der mit 39 Stimmen nur noch zwei Wähler mehr gewann als Bilz. Doch drei Synodale konnten sich für keinen der beiden Kandidaten entscheiden und machten damit eine Mehrheit unmöglich.
Nun stand viel auf dem Spiel: Die Wahl, der Zeitplan – und das öffentliche Bild der Landeskirche. Wieder Gespräche. Wieder Gewissensfragen.
14.57 Uhr das Ergebnis des sechsten Wahlgangs: Ein Synodaler wechselte zu Carsten Rentzing – diese 40. Stimme brachte die Mehrheit. 38 Synodale stimmten für Tobias Bilz, eine Stimme war ungültig. Carsten Rentzing atmete tief durch.
Neben ihm saß der knapp unterlegene Landesjugendpfarrer und reichte ihm die Hand, dann ging er leise davon, während die Gratulanten Aufstellung nahmen. Manche Gesichter strahlten. Andere waren gerötet.
Bis knapp vor den letzten Wahlgang hatten Synodale Gott um eine weise Entscheidung gebeten – nach der Wahl hatten einige sichtlich Mühe mit ihr. Der künftige Bischof versprach ihnen in seinen ersten Worten, »ein offenes Ohr und ein offenes Herz« haben zu wollen für jeden in der Landeskirche. »Ich reiche Ihnen allen die Hand.«
Wie der künftige Landesbischof Carsten Rentzing seine Kritiker überzeugen will, seine Kinder sein Amt mitprägen werden – und warum vielleicht gerade Konservative einen Sprung nach vorn ermöglichen können, lesen Sie im SONNTAG-Digital-Abo hier.
Kommt immer darauf an, wo man sich rumtreibt!
Ganz schön hochmütig.
Entschuldigung, ich komme mit der Navigation nicht immer klar. Das war für den Beitrag von Gast, 16:01 Uhr gedacht.
Lieber Gast,
da Sie so explizit Freude vermissen, dann kommt sie hier: Ich freue mich über die Wahl von Rentzing zum Landesbischof. Aber stimmt natürlich: getroffen haben Sie mich jetzt noch immer nicht. Insofern bleibt Ihr Satz korrekt.
Ich merke hierzulande (Großraum DD), dass sich vor allem Hauptamtliche mit ihm wenig anfreunden können, während überraschend viele Gemeindeglieder seine Wahl begrüßen. Ich vermute deshalb auch, dass Rentzing vor allem unter den (wenigen) synodalen Gemeindegliedern gewählt worden ist. Wie gut, dass das Landeskirchenamt nicht mitwählen konnte. Für mich zeigt sich im Wahlergebnis und auch in der Kommentierung desselben auch, dass zwischen Hauptamtlichen und Gemeinden ein ziemlich großer Abstand besteht. Viele Hauptamtliche schätzen die Stimmungslage unter großen Teilen der Gemeinden offenbar völlig falsch ein.
Ich frage mich zudem immer ein wenig, wie die Kommentare wohl hier lauten würden, wenn die Wahl anders ausgegangen wäre. Aber das ist sie Gott sei Dank nicht.
Lieber Manuel,
da geselle ich mich gerne dazu. Auch ich freue mich von Herzen über den Wahlausgang. Und hoffe, dass wir darauf achten, den neugewählten Bischof jetzt mit unseren Erwartungen nicht zu überfrachten oder vor uns her zu treiben.
Und: "Ich frage mich zudem immer ein wenig, wie die Kommentare wohl hier lauten würden, wenn die Wahl anders ausgegangen wäre." Das habe ich mich auch schon oft gefragt - mit einer ganzen Bandbreite von Antworten (allesamt nicht so ganz erfreulich).
Herzliche Grüße
Christoph
Ihr lieben,
ich denke, gerade in Sachsen, lassen sich einfache treue Gemeindeglieder nicht gleich von jedem von "Oben" vorschreiben, was sie denken oder glauben sollen.( War schon zu DDR-Zeiten so) Die Sachsen sind eben helle! Manchmal hat man den Eindruck, sie kennen sich im Wort Gottes besser aus, als die "Studierten" und stehen weniger unter dem Druck einer gewissen Lobbygruppe als diese?
Gruß Joachim
Albrecht Häußler schreibt: 03. Juni 2015, 11:54
Sehr geehrter Herr Häußler,
bei allem Respekt: manche Ihrer Formulierungen eröffnen (für mich) tiefe Einblicke in die Befindlichkeit des theologischen Lagers, dem Sie sich zuordnen:
- "Der Autor oder die Autorin hat wohl intuitiv erfasst, was nach Herrn Dr. Rentzing "Vertrauen" bedeutet." - Das halte ich für eine schamlose Unterstellung. Wohlgemerkt: Sie schieben den Verschreiber eines Journalisten dem Bischof als Intention unter!
- "Wenn ich mich nicht sehr irre, zeigen diese Überlegungen, welcher Geist durch die Landeskirche in den nächsten zwölf Jahren wehen wird." - Wenn ich Sie recht verstehe, der Geist der Angst, des Drucks und der geistlichen Enge? Welch trauriger Zustand der sächsischen Christenheit, die solche Wege auch noch wählen.
- "Er muss die Gräben, die er durch die Unterstützung der Bekenntnisinitiative aufgerissen hat, selbst wieder verfüllen" - Eine geradezu klassische Umkehrung der Tatsachen! Hier wird der, der auf einen Brand aufmerksam macht, gleichsam zum Brandstifter. Er stört damit ja Ruhe und Frieden.
Und dies alles, ohne dass der neugewählte Bischof bisher in irgendeiner Weise zum Zuge gekommen ist. In seiner Haut möchte ich nicht stecken.
Wenn ich Ihre und manch andere Reaktion so lese, wird mir deutlich, was uns durch ein umgekehrtes Wahlergebnis (vorerst?) erspart geblieben ist. Und die Toleranzfähigkeit der Toleranzforderer kommt schneller zum Erliegen, als gedacht.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph
Ja, so sind sie, die "Toleranten"! Gut, daß das mal so deutlich zu Tage kommt. Da wieß wenigstens jeder, was von denen zu halten ist und wovor (voeläufig?) man noch in Sachsen bewahrt wurde!
Albrecht Häußler schreibt:
04. Juni 2015, 12:38
Leserin schreibt:
04. Juni 2015, 13:23
Sabine Graul schreibt:
04. Juni 2015, 13:40
Liebe Frau Graul, liebe Leserin, lieber Herr Häußler,
ich gestehe, dass ich die Aufregung nicht ganz verstehe. Die Synode hat einen sächsischen Bischof gewählt, keinen Papst. Dass seine Meinung bezüglich Homosexualität falsch ist – nach meiner Überzeugung – darf ich sagen. Ich werde nicht verpflichtet, seine falsche Bibelsicht – nach meiner Sicht – zu übernehmen. Auch der Kirchenleitungsbeschluss steht nicht infrage – im Gegenteil, einige der unangemessenen Bedingungen, die tief in die Persönlichkeitsrechte von Menschen eingreifen, werden modifiziert werden müssen. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass Menschen, die homosexuell empfinden, für ihre Partnerschaft – bei Wunsch – auch den Segen Gottes in einem Gottesdienst zugesprochen bekommen. An der Schwierigkeit dieser Bemühungen hat sich durch die Wahl nichts geändert. Es wird dadurch auch nicht leichter. Das liegt aber nicht an der Wahl des Bischofs, sondern daran, dass es in Sachsen zu viele Berge gibt, die allzu leicht den Horizont versperren.
Und wenn Sie liebe Leserin, mit dem Katholizismus kokettieren – auch das hatten wir hier mehrfach. Aber immer von denen, die die Ev.-Luth. Landeskirche in Sachsen als Hort des liberalen Zeitgeistes betrachtet hatten. Sie finden das hier http://a.sonntag-sachsen.de/2013/01/26/der-neue/comment-page-1/ - spannend waren auch die Diskussionen hier: http://a.sonntag-sachsen.de/2013/10/17/lehren-aus-limburg/comment-page-1/ und a.sonntag-sachsen.de/2013/07/31/franz-nah/comment-page-1 – wie Sie sehen, ist es überall das gleiche Elend und überall genauso gut. Es kommt nämlich darauf an, was wir daraus machen. Und da meine ich, dass ich in der evangelischen Kirche immer noch mehr Möglichkeiten habe als in der katholischen. Und nun wäre es erst einmal Zeit, Dr. Rentzing Zeit zu lassen, bis er sich selbst äußert und positioniert. Wenn wir ihm kein vorauslaufendes Vertrauen zubilligen, sollten wir vielleicht auch mit vorauslaufender Kritik warten. Und, lieber Herr Häußler, vielleicht wäre es der richtige Weg, erst mal unter vier Augen, dann zwei oder drei dazu nehmen und dann öffentlich. Denn auch ein evangelikal-geprägter Bischof hat eine unverlierbare Würde. Da geht es nicht um Kuschen oder Schweigen. Im Zweifel an der Seite derer, die zum Opfer gemacht werden – oder zwischen denen, die Steine schmeißen und denen, auf die gezielt wird. Ich finde, in Sachsen sind die Rollen sehr eindeutig verteilt. Und da steht die Position des künftigen Bischofs auf der Seite der Schmeißer. Ob er auf der Seite steht, bleibt abzuwarten.
Herzlich
Ihr Paul
P.S. Lieber Herr Rau, sehen Sie das? Jetzt muss ich Ihren Bischof verteidigen. So weit ist es schon gekommen.
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