Die andere Kirche
Kirche in der DDR: Der Fotograf Harald Kirschner hat Szenen des kirchlichen Lebens in der DDR festgehalten. Das nun erschienene Fotobuch lässt Erinnerungen wach werden und fragen: Welche Kirche wollen wir heute sein?Der Fotoband »Credo. Kirche in der DDR« von Harald Kirschner hat etwas von einem Dachbodenfund. Man blättert die Schwarz-Weiß-Fotografien durch und staunt. Kirschner hat Szenen kirchlichen Lebens in der DDR der 70er und 80er Jahre festgehalten, die aus heutiger Sicht wie symbolisch-verdichtete Schlaglichter auf die besondere Situation der Christen in der DDR wirken.
Viele der Bilder zeigen Ausschnitte des katholischen Lebens – wie die Palmsonntags-Prozession im Eichsfeld, die Jugendwallfahrt 1983 in Erfurt oder das Dresdner Katholikentreffen 1987. Doch finden sich auch genügend evangelische Motive. So entsteht ein durchaus charakteristisches Bild vom Christsein in der DDR.
Es wird deutlich: Trotz aller Kirchenfeindlichkeit dieses Staates, hat es auch ein öffentliches Leben von Kirchen gegeben. Kirchen- und Katholikentage oder der öffentlich spielende Posaunenchor stehen beispielhaft dafür. Die Fotos finden jetzt erst den Weg in die Öffentlichkeit, weil sie in der DDR nicht gezeigt werden konnten – und sie danach in einer Fotokiste Kirschners vor sich hindämmerten. Zum Glück hat er sie wiedergefunden. 2016 wurden sie erstmals zum Katholikentag in Leipzig ausgestellt.
Kirschner, der bislang vor allem bekannt war als Fotograf Leipziger Lebenswelten und Chronist des Neubauviertels Leipzig-Grünau, in dem er seit 1981 lebt, zeigt sich nun auch als ein sensibler Chronist des kirchlichen Lebens in der späten DDR.
Seine Bilder transportieren vor allem eine besondere Atmosphäre. Es wird deutlich: die Gemeinschaft der Gläubigen war ein entscheidender Faktor im kirchlichen Leben der DDR. Besonders spürt das der Betrachter bei den Aufnahmen von der Ökumenischen Umweltaktion »Mobil ohne Auto« 1982 in Leipzig oder bei den Fotos von einer großen Jugendbegegnung mit den Brüdern von Taizé 1982 im Dom zu Magdeburg. Hier wird ein Zusammenhalt erahnbar, der heute weitgehend verflogen ist. Kirche war damals eine Verbindung von Menschen, die mehr und anderes suchten als das, was in der uniformen DDR-Gesellschaft Standard war.
Ahnbar sind aber auch die Konfliktlinien, die gleichsam im Hintergrund der Bilder schweben. Dass es nicht ohne war, sich öffentlich zum Glauben zu bekennen oder einen Friedensanstecker zu tragen. Manches Bild zeigt, wie Kirche und Staat wirklich zwei verschiedene Welten waren. Und dass die Kirche ihre Wirksamkeit erhielt über das mutige Setzen von Zeichen – wie die Aktion »Mobil ohne Auto« oder die öffentlichen Kirchentage mit ihren Spruchbändern zeigen.
Dass es die Kraft des Zusammenstehens war, die das Besondere der DDR-Kirche war, zeigt sich auch im vorletzten Bild des Fotobandes. Es zeigt eine im Oktober 1989 spontan entstandene Gedenkstelle vor der Leipziger Nikolaikirche. Kerzen und Blumen erinnern an die Festnahmen bei den vorangegangenen Montagsdemonstrationen. Mit Kreide steht an der Kirchenmauer geschrieben: »Solidariät und Freiheit für die Gefangenen«. Wohlgemerkt: das steht außen an der Mauer.
So wird das Erbe einer Kirche gesichtet und gesichert, die heute Geschichte ist. Von der aber einiges gelernt werden kann über die Macht der Symbole und die Kraft der Gemeinschaft.
Harald Kirschner: Credo – Kirche in der DDR. Mit einer Rede zum Geleit von Wolfgang Thierse. Mitteldeutscher Verlag, 160 Seiten, 24,95 Euro.
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