Sachsens Ministerpräsident zum Kampf gegen Rechts und die Kooperation mit den Kirchen
»Zudecken ist immer schlecht«Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht Erfolge im Kampf gegen Rechtsextremismus in seinem Land, aber weiterhin auch ein großes Problem. Der Kampf gegen Extremisten müsse »aus der Mitte der Gesellschaft heraus« geführt werden. Verschwörungstheoretiker und Populisten seien »ins Licht der Öffentlichkeit ziehen«, sagt er. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht er zudem über das Verhältnis der Landesregierung zu den Kirchen und die Frage, ob eine Frauenquote im Sächsischen Landtag sinnvoll ist.
epd: Die politisch motivierte Kriminalität hat 2018 weiter zugenommen, ein Großteil kommt von rechts. Wo steht Sachsen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus heute – mehr als ein Jahr nach Ihrem Amtsantritt?
Kretschmer: Es gibt weiter viel zu tun. Wir brauchen bei diesem Thema einen politischen und gesellschaftlichen Konsens, dass wir diesen Kampf aus der Mitte der Gesellschaft führen müssen. Das betrifft den Kampf gegen rechts, aber auch gegen links oder religiöse Extremisten. Wobei ich aber ganz klar sage: Der Rechtsextremismus ist unser größtes Problem. Wir müssen diesen Kampf nicht gegen, sondern für etwas führen: nämlich für Demokratie, Meinungsfreiheit, für eine offene Diskussionskultur und für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das muss jeder Einzelne von uns in seinem privaten Umfeld tun. Es muss aber darüber hinaus natürlich auch auf allen Ebenen passieren, gemeinsam durch Schule, Kommunalpolitik, Polizei, Justiz, Kirchen und Verbände.
epd: Gilt das für Populisten und Gewalttäter gleichermaßen?
Kretschmer: Verschwörungstheoretiker und Populisten müssen wir mit ihren Thesen ins Licht der Öffentlichkeit ziehen, und die Leute fragen: »Wollt ihr denen wirklich hinterherlaufen?« Und natürlich gibt es Straftaten, die ganz klar ein Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft sind. In diesem Bereich stocken wir ja auch auf. Jeder in der Statistik auftauchende Fall schmerzt und ist für das Land eine Wunde. Aber nur durch das Aufdecken dieser Dinge kann dies letztlich auch gesunden. Zudecken ist immer schlecht.
epd: Haben Sie Sorge, dass das Ergebnis der Landtagswahl im September sein könnte, dass weite Teile der sächsischen Bevölkerung demokratieverdrossen sind?
Kretschmer: Nein, das sehe ich nicht. Bei den jüngsten Bürgermeisterwahlen gab es immer eine große demokratische Mehrheit, das sehe ich auch bei den kommenden Wahlen. Populismus ist das Ergebnis von ungelösten Fragen, weswegen die Menschen enttäuscht protestieren und sich Leuten mit sehr einfachen Antworten zuwenden. Es liegt also viel daran, dass die Bundesregierung, dass die Landesregierung und andere Verantwortungsträger sicht- und fühlbare Lösungen für die Menschen und ihre Probleme finden.
epd: Welchen Eindruck haben Sie von den zahlreichen Gesprächen, die Sie in den Regionen geführt haben?
Kretschmer: Wir packen an und gestalten die Zukunft und zwar sehr stark im ländlichen Raum, aber auch in den Metropolen. Wir unterstützen die vielen Ehrenamtlichen. Auch beim Thema Innere Sicherheit machen wir inzwischen deutlich mehr, nehmen Sie das neue Polizeigesetz. Aber es gibt natürlich auch Dinge, die noch immer ungelöst sind, auch seitens des Bundes. Denken Sie an den Ärztemangel auf dem Land. Das Problem zu beschreiben zeigt zwar, dass man es erkannt hat. Aber wir brauchen endlich Lösungen.
epd: Sachsen ist strukturell stärker als andere Gebiete Ostdeutschlands, trotzdem gibt es breite Enttäuschung. Wie ist das zu erklären?
Kretschmer: Es gibt vor allem ein großes Missfallen über die Migrationspolitik. Der Konflikt zwischen Ländern und Bund über die Aufteilung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen steckt seit rund einem Jahr erneut fest. Nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministers bekämen wir im nächsten Jahr nur noch den Betrag, den aktuell die Kosten der Unterkunft ausmachen. Das würde bedeuten, dass ab nächstem Jahr keine Integrationsmaßnahmen mehr stattfinden können. Das wäre natürlich verheerend. Auch bei der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer kommen wir derzeit nicht weiter oder bei der wirkungsvollen Abschiebung von Mehrfach- und Intensivstraftätern. Die Monate vergehen, ohne dass konkrete Lösungen gefunden werden.
epd: Haben Sie Hoffnung, dass Sachsen sein Negativimage beim Thema Rechtsextremismus in absehbarer Zeit wieder loswerden kann?
Kretschmer: Ich freue mich, dass es einen Unterschied gibt zwischen der veröffentlichten Meinung und der öffentlichen Meinung. Die Zahl der Touristen, die zu uns kommen, nimmt kontinuierlich zu. Diese Menschen haben offenbar ein anderes Bild von Sachsen. Und sie erleben dann natürlich auch ein ganz anderes Land – offen, fröhlich, neugierig, reich an Kultur.
epd: Sie haben sich kurz nach Ihrem Amtsantritt 2017 auch mit Vertretern der Kirchen getroffen. Haben sich daraus konkrete Verabredungen ergeben?
Kretschmer: Ja, zum Beispiel ein gemeinsames Verständnis über Sinn und Auftrag der freien Schulen. Zu den konfessionell gebundenen Schulen hatten wir in den vergangenen Jahren viele Konflikte und unnötige Diskussionen. Das hat mich geärgert. Die sächsische Verfassung gibt ganz klar diese Breite in der Schullandschaft vor. Deswegen haben wir bei den freien Schulen jetzt auch finanziell nachvollzogen, was wir bei der Verbeamtung und bei der Besserstellung der Lehrer an den staatlichen Schulen gemacht haben. Das Geld wird recht schnell bei den Trägern ankommen. Es ist eine große Bereicherung, das wir die konfessionellen Träger haben.
epd: Sachsen zahlt Staatsleistungen an die beiden großen Kirchen in Millionenhöhe, aber auch an die Jüdische Gemeinde. Was sagen sie den Kritikern, die keiner Kirche oder Religion angehören und diese Unterstützung als ungerecht und als nicht zeitgemäß empfinden?
Kretschmer: Man kann das verfassungsrechtlich und juristisch begründen und kommt dann sehr schnell zu dem Ergebnis, dass diese Vorgehensweise richtig und fundiert ist. Man muss sich aber auch die Frage stellen, was dieses Land ausmacht und was sich die Gesellschaft wünscht. Es sind immerhin 25 Prozent aller in Sachsen lebenden Menschen, die in einer christlichen Kirche sind. Kirche prägt und bereichert das Gemeinwesen und die Kultur immens. Und sie leistet Dinge, die wir als Staat sonst entweder gar nicht oder nur sehr teuer anbieten könnten.
epd: Ihr thüringischer Amtskollege Bodo Ramelow hat jüngst eine Kultur- anstelle der Kirchensteuer vorgeschlagen. Wäre ein solches Modell auch nach Ihrem Geschmack?
Kretschmer: Kirche darf man nicht auf Kultur reduzieren. Dahinter steckt meistens der Versuch, die Rolle der Kirchen zu relativieren. Kirche steht nach meiner festen Überzeugung für Glauben und Werte. Es geht um eine religiös geprägte Gesellschaft, die ein festes Fundament findet. Das betrifft übrigens auch Menschen, die selber diesen Glauben nicht teilen. Sie merken, dass es gut ist, dass es Kirche und Religion gibt. Und sie greifen mitunter in schwierigen Lagen auf diese Angebote der Kirchen zurück.
epd: Wobei Bodo Ramelow nach seinen Worten bei dem Vorschlag auch im Blick hatte, das System für die diskutierte Moscheesteuer zu öffnen.
Kretschmer: Ich glaube, dass es im Kern schon darum geht, Kirche auf Kultur zu reduzieren. Aber das wird der Sache nicht gerecht. Natürlich haben wir den Auftrag, Kultur zu fördern. Und Kirche und Religion haben sehr maßgeblich unsere Kultur beeinflusst. Wir fördern mit dem Staatskirchenvertrag aber keine kulturelle, sondern eine religiöse Institution, die unser Land prägt. Und deswegen bekommen auch die jüdischen Gemeinden finanzielle Unterstützung.
epd: Die sächsische CDU hat ihre Landesliste für die kommende Wahl im September paritätisch besetzt. Fehlt es an Frauen in der Politik?
Kretschmer: Die Realität zeigt, dass Frauen in Führungspositionen und politischen Ämtern unterrepräsentiert sind. Wir haben natürlich genauso gute Frauen wie Männer im Land. Aber nach Schule und Studium sind es oft nur noch die Männer, die Karriere machen. Das geht doch nicht! Das muss man ändern. Wir haben schon eine ganze Menge getan, mit dem Elterngeld und den Väter-Monaten. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung von Frauen und Männern in der Familie und so muss es auch im Arbeitsleben sein.
epd: Sind Sie für eine Frauen-Quote im sächsischen Landtag nach dem Vorbild Brandenburgs?
Kretschmer: Man braucht nicht für alle Lebensbereiche immer neue Gesetze, sondern man braucht ein gemeinsames Verständnis. Im Zweifel werden auch die Wähler sehr genau auf so etwas achten. Die größte Kritik an der Politik ist derzeit nicht mehr das Thema Asyl und Flüchtlinge. Es ist vielmehr die staatliche Regulierung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Das ertragen viele Leute nicht mehr. Wir sollten uns daher etwas zurückhalten. Dieses Land ist nicht aufgebaut worden mit den tollsten Gesetzen und Verordnungen, sondern mit Freiheit.
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