Mal zart, mal brutal
Angebote im Orgeljahr: Corona hat einen Strich durch den Plan vieler Kirchenmusiker gemacht, so auch bei Frank Thiemer in Oberwiesenthal. Er freut sich trotzdem auf das, was geht und klingt.Frank Thiemer ist Kantor in den Gemeinden an Fichtelberg und Bärenstein und im Sehmatal. Damit sitzt er vorrangig an drei Orgeln, an denen er probt und die er sonntags auch spielt. Die Bärmig-Orgel in Oberwiesenthal ist die zweitgrößte der drei.
Deshalb hatte der Kirchenmusiker zum »Jahr der Orgel« 2021 eine Idee. Gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Rockstroh in Jöhstadt wollte er ab Mai Orgelmusiken und -führungen anbieten. Die Oberwiesenthaler Orgel ist geräumig genug, dass Interessierte auch einmal einen Blick in das Innere des vielseitigen Instrumentes werfen könnten. »Ich hätte den Anwesenden den Orgelprospekt erklärt, das Alter mitgeteilt und den Baumeister des Instrumentes vorgestellt. Auch den Spieltisch, die Register und die Manuale wollte ich vorführen«, erklärt Thiemer. Damit hätte auch die den Kirchgemeinden auferlegte gesangsfreie Zeit vermutlich ein wenig schmerzfreier werden können, ist sich der erzgebirgische Kirchenmusiker sicher. Denn die Orgel sei eine »außergewöhnliche Sängerin«. »Sie ist der einzige Chor, der momentan uneingeschränkt vielstimmig singen darf«, formuliert es der Kantor liebevoll.
Dabei ist Sachsen reich an diesen vielstimmigen Chorinstrumenten, die auch die »Königin der Instrumente« genannt werden. Auch die Orgelbautradition im Freistaat ist jenseits der bekannten Namen wie Silbermann, Ladegast, Kreutzbach und Eule sehr reichhaltig. Jede Orgel ist ein Unikat. Rund 1450 Orgeln sind nach den Angaben des Landeskirchenmusikdirektors Markus Leidenberger allein in den Gebäuden der Landeskirche vorhanden. Dazu kämen noch einmal etwa 800 Instrumente in anderen Kirchen, Schulen und Konzerthäusern. 2017 wurde der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Im »Jahr der Orgel« sind in der Landeskirche natürlich verschiedene Veranstaltungen wie Konzerte, Filme, Wanderungen, Workshops und Orgelführungen geplant. So auch bei Frank Thiemer zum und nach dem Sonntag Kantate. Doch die Orgelführungen musste er aufgrund der aktuellen Inzidenzlage im Land auf unbestimmte spätere Zeit in den Herbst hinein verschieben. Thiemer aber sitzt trotzdem leidenschaftlich gern an seinen Tasteninstrumenten. »Ich liebe die Stetigkeit des Tones, die Wärme und die Vielseitigkeit der unterschiedlichen Klangfarben«, schwärmt der Schneeberger. Er könne der Orgel ganz zarte und angenehme Töne entlocken, aber auch brutale Lautstärken und Disharmonien am Spieltisch erzeugen. An der Oberwiesenthaler Orgel sind es konkret 1578 Pfeifen, deren Töne mit Hilfe von 26 Registern gemischt werden können.
Aller Voraussicht nach müssen sich Kirchgemeinden auch in diesem Jahr zum Sonntag Kantate vorrangig mit dieser Sängerin begnügen. Frank Thiemer sieht die Kirchenmusik im zweiten Jahr der Pandemie aber deutlich auf dem Prüfstand. Chöre und Orchester lägen seit Monaten brach. »Unsere Chorsänger leiden nicht nur an der Abstinenz von Gesang, sondern auch an der Abstinenz von Gemeinschaft«, weiß der Kantor aus Gesprächen. Die Sehnsucht nach gemeinsamem Singen und Musizieren zur Ehre Gottes sei sehr groß. »Welche Sänger und wie viele Gruppen noch präsent sind, wenn wir einmal wieder beginnen dürfen, ist fraglich.«
Frank Thiemer freut sich trotzdem über alles, was geht. »Wir durften einen musikalischen Gottesdienst zur Sterbestunde Jesu am Karfreitag und Ostergottesdienste feiern. Ich darf Soli singen und Trauernde auf Beerdigungen musikalisch begleiten. Dafür will ich dankbar sein.« Außerdem ist das »Jahr der Orgel« noch längst nicht vorbei.
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