»Das ist keine heile Welt mehr«
Tag der Schöpfung: Ein großes ökumenisches Miteinander gab es am 2. September in Annaberg-Buchholz. Beispielhaft wurde deutlich, dass Veränderung dringend nötig und möglich ist.
Es ist schattig, die Luft ist kühl, der Boden feucht und grün bewachsen. Sträucher und junge Bäume bilden ein dichtes Unterholz, dazwischen ragen Laub- und Nadelbäume in den leicht bewölkten Annaberger Himmel. »So soll es sein«, sagt Johannes Riedel mit sanfter Stimme und zeigt in einen Teil des Stadtwaldes am Pöhlberg. Der Leiter des Staatsforstbetriebs im Forstbezirk Neudorf führt mit seinem Kollegen Frank Schlupeck 16 Gäste durch die grüne Lunge von Annaberg-Buchholz. Es ist eine von mehreren Führungen zum Tag der Schöpfung am 2. September in der Bergstadt.
Während das erste Waldstück schon wie im Bilderbuch aussieht, zeigen die Forstexperten nach einigen Schritten noch die Folgen des massiven menschlichen Eingriffs auf. Denn nachdem um 1800 das Erzgebirge weitgehend kahl geschlagen war, hätten allein die schnellwachsenden Fichten den Vorzug bekommen, erzählen die Männer in ihrer grünen Arbeitskleidung.
In diese Monokultur ohne Unterholz führen sie die Gäste hinein. Die Trockenheit wirke sich hier stärker aus und der Borkenkäfer habe leichtes Spiel. Johannes Riedel zeigt neben abgestorbenen Fichten auch auf eine über 150 Jahre alte Buche, deren Krone sich erheblich lichtet – durch Wassermangel. »Das ist hier keine heile Welt mehr«, sagt der katholische Christ den gen Himmel blickenden Gästen.
Dabei seien die Böden hier durch den verwitternden Basalt sehr reich und gut für Edellaubhölzer. Doch für diesen Waldumbau brauche es Zeit – und eine Holzwirtschaft, die nachhaltiger orientiert sein müsse, sagt der Experte. An beiden aber fehle es. »Diese ungezügelte ökonomische Entwicklung und dieser extreme Reichtum kann so nicht weitergehen«, erregt sich Johannes Riedel. »Wir sind schon im vierten Trockenjahr«, klagt der Förster. Das bringe neben geschwächten Bäumen auch weniger Saatgut, dadurch weniger Nachpflanzung. Ein negativer Kreislauf.
Trotz allem seien die Waldgebiete die Hauptquelle für die Wasserbildung in Sachsen. Das wissen auch die Mitarbeiter der Talsperrenverwaltung. Auch sie bieten eine Führung hinein in ihre Staumauer in Cranzahl an. Für die Trinkwasserversorgung schlagen sie noch keinen Alarm, sehen die zunehmende Trockenheit aber mit Sorge.
So bietet der Tag der Schöpfung in Annaberg-Buchholz mehrere Einblicke in verschiedene Natur- und Wirtschaftskreisläufe. Wie sie in Zukunft nachhaltiger und gerechter »Hand in Hand« – so das Veranstaltungsmotto – gehen können, machen auch über 20 Einrichtungen und Firmen an ihren Aktions- und Informationsständen in der Bergstadt deutlich.
Ulrike Bernhardt vom Arbeitskreis Israel im Haus der Hoffnung zeigt den Gästen, wie in Israel mit Tröpfchenbewässerung und Baumspenden Land wieder urbar gemacht wird. »Ein hoffnungsvolles Projekt«, sagt sie mit Freude und bietet den Gästen frische Datteln aus dem Heiligen Land an.
Lehrerin Jeannine Helbig von der christlichen Montessori-Grundschule sammelt an ihrem Tisch Ideen für eine grünere, lebenswertere Innenstadt. Die rund 1000 Gäste, die nach Angaben der Veranstalter zum Tag der Schöpfung gekommen sind, haben unter anderem »Bäume vor der Buchhandlung«, »Radwege« und »Grünstreifen« als Ideen auf der langen Papierrolle hinterlassen. Karen Göhler und Sara Kurmann von der Micha-Initiative Chemnitz weisen mit der Gerechtigkeitsbibel und über 3000 markierten Bibelstellen auf den Wert der Gerechtigkeit hin. »Nächstenliebe meint auch die Menschen in meiner Lieferkette«, sagt Karen Göhler.
Die Schöpfungsbeauftragte der Landeskirche, Anne-Kristin Römpke, berichtet auf einer Podiumsdiskussion neben den Ständen, dass das Engagement zur Nachhaltigkeit in Gemeinden »viel mit Nächstenliebe zu tun hat«. »Im Gebet und auch in der Seelsorge passiert da schon viel«, meint sie. »Das können wir gut.« Bildungsarbeit und Veränderung von Strukturen müsse aber noch besser werden. Zum abschließenden Festgottesdienst spricht Landesbischof Tobias Bilz in seiner Dialogpredigt mit Bischof Heinrich Timmerevers vom Bistum Dresden-Meißen von der »Verantwortung vor Gott für diese Welt«. In Bezug auf Psalm 104 und die Schönheit von Gottes Schöpfung sagt Bilz: »Wer die Erde ausbeutet und ihre Schönheit zerstört, lästert Gott und missachtet sein Schöpfungshandeln. Das ist Sünde!« Ein Weiterleben wie bisher werde es nicht geben.
Weitere Impressionen vom Schöpfungstag:
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.