Für die Gemeinde leuchten
Ehrenamtliche Verkündigung: Lektoren dürfen Gottesdienste leiten und brauchen dafür nur eine kürzere Ausbildung. Ihre wachsende Zahl ist vor allem auf dem Land gefragt. Ein Einblick vom Lektorentag am vergangenen Wochenende in Meißen.Eine große, weiße Kerze beginnt zu leuchten. Petra Porstmann hält sie mit einer Hand umfasst, die andere Hand hält sie flach darunter. Die 60-Jährige im türkisfarbenen Kleid, mit schwarzem Jackett und buntem Schaltuch wartet auf ihren Einsatz. Ihr konzentrierter Blick geht durch die randlose Brille geradeaus, durch das Seitenschiff der St. Afrakirche in Meißen. Dann setzt die Musik ein und beendet bei Petra Porstmann alle Gedankengänge über den bevorstehenden Gottesdienst. Sie geht los und singt: »Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht« – und sie trägt Christus als Licht durch die spätromanische Kirche, bis sie am Ende in den Altarraum einzieht.
Petra Porstmann will Licht bringen. Sie will helfen, will etwas Sinnvolles tun und ihre Zeit für und mit anderen Menschen teilen. Mit diesem Ziel war die Lehrerin überhaupt erst in die Kirchgemeinde ihrer Wahlheimat Oederan gekommen. Sie wusste wenig vom christlichen Glauben, kannte Gott nicht. Aber sie half mit beim sozialen Projekt Brotkorb, ging zum Glaubenskurs, ließ sich taufen und übernahm Verantwortung im Kirchenvorstand. Seit 2020 ist sie Lektorin und leitet Gottesdienste. Genau deshalb ist sie heute auch in Meißen, denn hier treffen sich etwa 70 von rund 550 Lektoren aus der ganzen Landeskirche zum ersten sächsischen Lektorentag. Der gemeinsame Gottesdienst in St. Afra beschließt den Tag für die Ehrenamtlichen.
Mit ihrer Kerze ist Petra Porstmann im Altarraum angekommen. Vorsichtig stellt sie das Licht auf dem Altartisch ab – so wie es auch die drei Lektoren neben ihr tun. Gemeinsam haben sie diesen Gottesdienst vorbereitet, den Ablauf selbst erarbeitet. »Diese Gottesdienste in freieren Formen mag ich lieber«, sagt Petra Porstmann später. In Oederan habe sie die Freiheit, die Liturgie nach ihren persönlichen Vorstellungen zu verändern. »Das Kyrie fällt da eher mal weg«, schmunzelt sie. Und singen könne sie es schon gar nicht, wehrt sie ab.
An der Begrüßung der Gemeinde führt aber kein Weg vorbei. »Das ist schon wichtig für die Beziehung zueinander«, sagt die Lektorin. In St. Afra liest sie die Worte von ihrem Zettel ab. Dabei hieß es nur wenige Stunden vorher im Workshop, dass möglichst frei gesprochen werden soll, weil es authentischer, echter wirke. »Ich muss mir jedes Wort aufschreiben«, sagt die Deutsch-Lehrerin. »Das gibt mir Sicherheit und die Gewissheit, dass meine Worte ›passen‹.« Gottesdienst sei eben etwas anderes als Schulunterricht, meint Petra Porstmann.
Für die Lesepredigt erhalten Lektoren normalerweise Vorlagen, etwa aus entsprechenden Büchern, dem Internet oder wie bei Petra Porstmann aus den Händen der Pfarrerin. Dann sollten sie die Predigt auf die persönliche oder örtliche Situation zuschneiden und an die eigenen Sprachgewohnheiten anpassen. Impulse dafür liefern ebenfalls verschiedene Workshops beim Lektorentag. Hinzu kommen die Gebete, selbst formuliert oder von Vorlagen übernommen. Dazu noch die Liedauswahl, die mitunter auch komplett vom Kirchenmusiker bestimmt wird, weiß Petra Porstmann aus Erfahrung. Dann ist der Gottesdienstablauf fertig.
60 Arbeitsstunden umfasst die Ausbildung zur Lektorin, verteilt auf mehrere Wochenenden. Im Gegensatz zu den Lektoren, die im Gottesdienst verschiedene Bibelstellen vorlesen, dürfen ausgebildete Lektoren selbständig Gottesdienste leiten. Bei der Ehrenamtsakademie in Meißen spürt Pfarrerin Kathrin Mette eine zunehmende Nachfrage nach diesen Kursen, für die es seit 2016 einen festen Stundenplan und eine Lektorenordnung gibt.
Wie nötig diese Ehrenamtlichen gebraucht werden, lässt sich weniger an den fünf bisherigen Lektorengottesdiensten von Petra Porstmann in Oederan ablesen. Die Situation von Christina Schindler ist aber auch die Ausnahme: Die jüngsten Sonntage habe sie regelmäßig an Altären im Leipziger Land gestanden und gepredigt. Drei Lesegottesdienste pro Vormittag seien keine Seltenheit, sagt die Lektorin, die das seit über 20 Jahren macht. Doch wenn der Gottesdienst vor Ort wegfiele, würden die Christen eher zuhause bleiben, als zum nächstgelegenen zu fahren, waren sich die Lektoren einig. Zusammen mit den Prädikanten, die nach einer intensiven zweijährigen Ausbildung ebenfalls ehrenamtlich Gottesdienste leiten dürfen, sind Lektoren deshalb Identifikations- und Leuchtpunkte für Gemeinde vor Ort.
Landesbischof Tobias Bilz dankt in Meißen den Lektoren für ihren Dienst. Er ermutigt zugleich zu kleineren Formaten wie Andachten oder neuen Elementen für den Gottesdienst. Auch der richtige Ort sei wichtig, ein Wohlfühlort, betont der Bischof. Petra Porstmann sieht sich dadurch bestätigt. Ihr Projekt Sommerkirche, das sie mit anderen Ehrenamtlichen in der Ferienzeit in Oederan verfolgt, sucht sonntags für den Gottesdienst andere Orte auf und bietet freiere Gottesdienste. »Das ist keine Arbeit für mich«, sagt sie, »das macht mir einfach Freude«.
Der Gottesdienst in Meißen endet mit dem Segen im Stehkreis im Altarraum. In seiner Mitte leuchten viele kleine Kerzen. Jeder legt seinem Nächsten die Hand auf die Schulter. Gemeinschaft und gegenseitige Stärkung, das war dem Vorbereitungsteam wichtig. Das Leuchten in den Augen der Lektoren werden die Ehrenamtlichen mitnehmen in ihre Kirchgemeinden.
Im Januar starten neue Lektorenkurse:
+ in Auerbach im Kirchenbezirk Vogtland
+ in Bärnsdorf/Ebersbach im Kirchenbezirk Meißen-Großenhain
Nähere Informationen bei Kathrin Mette:
E-Mail: kathrin.mette@evlks.de
Telefon: (0 35 21) 47 06 17
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