Der Hahn ist noch nicht tot
Kirche und Umweltschutz: In immer mehr Kirchgemeinden gibt es Initiativen zur Bewahrung der Schöpfung. Ein Zeichen für kirchliches Umweltmanagement ist der »Grüne Hahn«. Er kräht noch sehr selten in Sachsen – und braucht einen langen Atem.Tropfen für Tropfen, Schluck für Schluck, Liter für Liter. Umweltschutz beginnt für Andreas Stötzner im Kleinen – und mit den Kleinen. Der Verwaltungsmitarbeiter der Laurentiuskirchgemeinde Leipzig-Leutzsch hat sich deshalb einen »Wasserkoffer« ausgeliehen und besucht damit den Kindergarten seiner Gemeinde. Mit dabei ist Tropfi, eine Handpuppe. Sie zeigt den Kindern, dass bestes Trinkwasser aus dem Wasserhahn kommt und nicht in Flaschen gekauft werden muss. Sie zeigt auch, wie kostbar das Wasser des Lebens ist und wie es geschützt werden kann.
Das Thema ist den Kleinen nicht neu. Erst kürzlich zum Gemeindefest sangen die Kinder beim Musical im Gottesdienst davon, was die Bibel über Wasser und Dürre bei Elia und König Ahab berichtet. Und die derzeitige Hitze und Trockenheit in Deutschland verdeutlicht den Jüngsten, dass das Thema ganz aktuell ist.
Andreas Stötzner weiß das als studierter Geograph natürlich. »Schon vor 25 Jahren im Studium hieß es, dass sich die Wirtschaftsweise auf der Welt ändern muss«, erzählt er von einem Raubbau an der Natur und endlichen Ressourcen. Globale Gerechtigkeit und Fairness, Klimagerechtigkeit und die Wahrung des Friedens bei knapper werdenden Rohstoffen, all das schwinge bei ihm gedanklich mit, sagt Andreas Stötzner. »Ich möchte meiner Tochter eine lebenswerte Welt hinterlassen«, so der 50-jährige Familienvater.
Um ein Stück mehr Nachhaltigkeit ins Bewusstsein und Handeln der Gemeindeglieder zu bringen, baut er eine Umweltgruppe auf. Die Themen Trinkwasser und Essen hätten sie schon angesprochen, zum Beispiel für die nachhaltige Versorgung von Gemeindeveranstaltungen. Die nächsten Schritte seien eine nachhaltige Beschaffung von Büro- und Gemeindematerialien sowie die Kontrolle von Energie-, Gas- und Wasserverbrauch. »Wir haben etliche Immobilien«, sagt der Kirchvorsteher und sieht dort Verbesserungspotential. Demnächst sei eine neue Heizungsanlage für die Kirche dran. Ob dafür wieder Gas genutzt wird, sei ungewiss, meint Andreas Stötzner.
Sein Ziel ist die Einführung des Umweltmanagementsystems »Grüner Hahn« in der Kirchgemeinde Leutzsch. Dafür hat er eine einjährige Ausbildung zum kirchlichen Umweltauditor an der Evangelischen Akademie in Wittenberg absolviert. »Wir müssen Kirche auch an dieser Stelle sichtbar machen«, fordert der Kirchvorsteher mehr Unterstützung zur Bewahrung der Schöpfung.
Mit Andreas Stötzner zusammen waren weitere Gemeindeglieder aus Sachsen zur Ausbildung. Dorothea Hoheisel aus Freiberg zum Beispiel. »Der Pfarrer hatte mich gefragt, ob ich diese Ausbildung mitmachen möchte«, sagt die 54-Jährige. Sie ist bereits seit vielen Jahren im Naturschutzbund aktiv, gehört zu dessen Regionalvorstand im Raum Freiberg. Die studierte Biophysikerin ist Natur- und Landschaftsführerin und engagiert sich in der Umweltbildung. Nun möchte sie in ihrer Kirchgemeinde eine Umweltgruppe aufbauen, um ebenfalls den »Grünen Hahn« einzuführen. Fair gehandelter Kaffee werde in der Kirchgemeinde bereits getrunken. Nun sollten auch weitere Lebensmittel, Büromaterial und Grabsteine für den Friedhof nach fairen und ökologischen Kriterien beschafft werden, hat sich Dorothea Hoheisel vorgenommen. Mit der Jungen Gemeinde möchte sie gern zu diesem Thema Kontakt aufnehmen.
Im neuen großen Kirchgemeindebund Freiberg hat Dorothea Hoheisel schon einen Mitstreiter gefunden: Friedemann Lemke aus der Kirchgemeinde Halsbrücke. Er hat in der früheren Kirchgemeinde Niederschöna-Oberschaar bereits vor zehn Jahren damit begonnen, den »Grünen Hahn« einzuführen – und war damit Pionier in der Landeskirche. »Unser Schwerpunkt liegt in der Öffentlichkeitsarbeit«, sagt der 48-Jährige. »Ohne das ständige Erinnern besteht die Gefahr von Rückschritten«, warnt der Hausmeister eines kirchlichen Freizeitheims.
Mit seiner Umweltgruppe aus sechs Personen habe er ein paar Fortschritte schon erzielt: Neben Ökostrom nutze die Gemeinde nachhaltig ökologische Lebensmittel und für den Gemeindebrief Recyclingpapier. Das Umweltthema gehöre auch zum Erntedankgottesdienst. Durch die größeren Gemeindestrukturen müssten diese Schritte nun gesichert und am besten erweitert werden, meint Friedemann Lemke. Sein Ziel: Eine zentrale nachhaltige Beschaffung für den Kirchgemeindebund. »Ich nehme aber eine gewisse Mutlosigkeit für konkrete Schritte wahr«, sagt der Christ nach mehreren anderen vergeblichen Initiativen. Die Umweltgruppe wolle sich davon aber nicht entmutigen lassen und »weiter das Mögliche versuchen, auch unabhängig vom Kirchenvorstand«, sagt Friedemann Lemke. So sei dieses Jahr eine Baumpflanzaktion zusammen mit der Kommune im Ortszentrum geplant.
Auch Rüdiger Brumme hatte über eine Ausbildung zum Umweltauditor für den »Grünen Hahn« nachgedacht, aber bislang »keine Zeit«, sagt er. Der 61-Jährige ist Baubeauftragter der Kirchgemeinde Groitzsch südlich von Leipzig und verfolgt in dieser Arbeit auch Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele. »Wir haben sechs Kirchen mit fünf Pfarrhäusern«, sagt Brumme, »und überall Ökostrom«. Auf dem Pfarrhaus in Auligk erzeugt eine Solaranlage Strom, auf dem Gemeindehaus Michelwitz erhitzt eine Solaranlage Brauch- und Heizungswasser. Auch auf das Pfarrhaus in Groitzsch soll eine Anlage installiert werden, zählt der frühere Vorsitzende des Umweltausschusses im Kirchenbezirk Leipziger Land auf.
Früher gingen die Pläne noch weiter: Vor zehn Jahren wollte der Kirchenbezirk die Investition in eigene Windkraftanlagen prüfen. Ein sichtbares Zeichen für kirchlichen Umweltschutz sollte es sein, in einer von Braunkohleabbau gezeichneten Region – so wie in der benachbarten Kirche in Mitteldeutschland. Doch das sächsische Landeskirchenamt winkte entschieden ab, auch weil die Investition nicht den Richtlinien für kirchliche Geldanlagen entspreche. Nach dieser Erfahrung, »wie gegen Windmühlen zu kämpfen«, sei das Projekt nicht weiter verfolgt worden, so Brumme. Dafür die deutlich günstigeren Solarprojekte in Eigenverantwortung.
Auch in Leipzig-Leutzsch möchte Andreas Stötzner gern Solarenergie auf dem Dach der Pfarrscheune erzeugen. Doch dieses Vorhaben kostet noch eine Menge Zeit, Geld und Nerven. Vorerst bleibt er beim Wasser: Eine große Regentonne soll Liter für Liter auffangen für Bäume und Sträucher auf dem Kindergarten- und Kirchengelände. Und mit der Umweltgruppe sensibilisiert er die Gemeinde weiter für das Thema. Denn der Geograph weiß eins genau: Steter Tropfen verändert auch den härtesten Stein.
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