Leuchttürme im Land
Dorfkirchen: Oft sind sie prächtig saniert und strahlen ins Land, sind aber nur selten geöffnet. In einer neuen Serie stellen wir sächsische Dorfkirchen vor, die uns SONNTAG-Leser empfehlen. Zum Start besuchen wir mit Gerhart Pasch die Kirche Dölzig.Der Turmfalke zieht seine Kreise über Dorfkirche und Friedhof Dölzig. An einem Dienstag im Mai pflegen einige Dorfbewohner die Gräber ihrer Angehörigen. Die Sonne scheint und lässt die fast 1000 Jahre alte Kirche weiß strahlen. Es ist ruhig in dem Dorf westlich von Leipzig, zumindest jenseits der 500 Meter entfernten beiden Bundesstraßen. Für dort Vorbeifahrende ist die Kirche kaum sichtbar. Und selbst wenn: Verschlossen ist sie ohnehin und nur noch ein Mal monatlich zum Gottesdienst geöffnet.
So geht es vielen Dorfkirchen in Sachsen. Um trotzdem die Schätze im ländlichen Raum zu zeigen, stellen wir in einer losen Folge »Leuchttürme« vor, auf die uns Leserinnen und Leser aufmerksam gemacht haben. Start ist in der nordwestlichsten Dorfkirche der Landeskirche, in Dölzig, mit einer stattlichen Größe und sehenswerter Innenausstattung.
Bevor wir mit Gerhart Pasch durch das Kielbogenportal hineingehen, erzählt der Kirchenbaurat im Ruhestand, wie die Kirche zu ihrer heutigen Gestalt kam. Gerhart Pasch war 1965 in Leipzig erster kirchlicher Baupfleger und mit Dölzig sowie über 400 weiteren Kirchen zwischen Chemnitz, Leipzig und Riesa Jahrzehnte beschäftigt. »1993 bis 1997 wurde die Kirche unter meiner Leitung vollkommen erneuert, wobei wir uns an der spätgotischen Fassung orientiert haben«, sagt der Architekt. Bis 2016 sei dann innen nach seiner Konzeption Stück für Stück komplett saniert worden. Ab Ende 2004 verfolgte er die Baufortschritte im Ruhestand.
Zum ältesten Bestand der Kirche gehöre der Turmrumpf. »Er könnte noch im 11. Jahrhundert gebaut worden sein«, meint der Architekt. Der heutige Chorraum sei 1507 entstanden, mit spätgotischem Rippengewölbe innen und Strebepfeilern außen.
Das etwas später entstandene, höher bedachte Kirchenschiff musste schon ohne Gewölbedecke auskommen. »Der Chorraum war das wichtigste, die Kirche für die Priester«, erklärt der Architekt die Prioritätensetzung. Ein gotisches Fenster wird oben von einem Kopfbild abgeschlossen. »Der Sage nach zeigt es die Frau des Baumeisters«, erzählt der 82-Jährige. »Aber das ist unwahrscheinlich«, winkt er ab. Er vermutet eher eine Heiligenfigur.
Das Kircheninnere überrascht durch den Gegensatz des schlichten Kirchenschiffes zum reich ausgestatteten Chorraum mit dem mit floraler Ornamentik verzierten Rippengewölbe. Zwei Emporen und mehrere Patronatslogen weisen auf eine gewisse Bedeutung dieser Kirche hin, die bis zur Reformation dem Bistum Merseburg unterstellt war. Die Wappen des Bischofs Thilo von Trotha mit zwei Kreuzen und zwei Raben etwa am Altarleuchter und dem Schlussstein an der Decke zeugen noch heute davon.
Vom »großartigen Flügelaltar« aus dem Mittelalter künden die erhalten gebliebenen Altarfiguren. Gerhart Pasch ließ sie im Chorraum an der Wand anbringen. »Es war sonst kein Platz dafür«, sagt er. Der heutige Altar sowie auch die Kanzel stammen aus der Zeit des Barock, ebenso der Taufengel hoch oben über dem Taufstein. Die knapp unter der Decke 1911 eingebaute Orgel stammt von der Firma Jehmlich.
Auf seinen persönlichen Einfluss weist Gerhart Pasch an zwei Stellen in der Kirche besonders hin: Der Mauersockel ist unverputzt, die Mauersteine sichtbar. »Das habe ich eingeführt, damit die Nässe aus den Wänden kommt«, sagt er. Und beim Kirchengestühl habe er empfohlen, den Mittelgang verschwinden zu lassen.
Beim Rundgang weist Gerhart Pasch noch auf viele weitere interessante Details hin: etwa auf ein spätgotisches großes Kruzifix, das Chorgestühl aus der Renaissance, die barocke Kanzel mit Evangelistenfiguren, ein geschnitztes Holzkapitel einer Emporensäule mit Darstellung des Jüngsten Gerichts und anderes mehr. Um all das zu entdecken, lohnt sich ein Besuch, zum Beispiel zum Gottesdienst.
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