Die Ostdeutschen sind mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung in hohen Leitungs- und Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Laut einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Eliten-Monitor der Universitäten Leipzig und Jena sowie der Hochschule Zittau/Görlitz beträgt der Anteil gebürtiger Ostdeutscher in den bundesdeutschen Eliten 12,2 Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 20 Prozent. „Da ist noch viel zu tun“, sagte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), in dessen Auftrag der Monitor erstellt wurde.
Mit 20,9 Prozent im Jahr 2022 ist demnach in der Politik die Unterrepräsentation zwar am geringsten, aber nur bei Einbezug der Landesebene. In obersten Bundesbehörden wie Ministerien, Bundestag oder Bundeskanzleramt liegt der Anteil ostdeutscher Führungskräfte inklusive Berlin als Herkunftsort bei 13,9 Prozent und ohne Berlin bei 7,5 Prozent. In Bundesoberbehörden wie dem Bundesverwaltungsamt oder dem Bundesversicherungsamt stammen inklusive Berlin 11,3 Prozent der Führungskräfte aus dem Osten. Ohne die Berliner sind es nur sechs Prozent. In der Richterschaft der Bundesgerichte haben mit Berlin 7,1 Prozent und ohne Berlin 5,1 Prozent eine Ostherkunft. Aber auch in vielen Bereichen außerhalb des Bundes sind Ostler als Führungskräfte rar. In den Medien liegt ihr Anteil bei 8,1 Prozent, in Wirtschaftsverbänden bei 4,3 Prozent, in der Verwaltung bei 14 Prozent. In der Justiz haben nur 2,1 Prozent auf Leitungsposten einen ostdeutschen Hintergrund. Bei der Bundeswehr gibt es keinen einzigen ostdeutschen General.
Es gebe zwar grundsätzlich seit 2018 einen leichten Anstieg, es sei aber zu früh, um von einem Trend zu sprechen, sagte Projektleiter Lars Vogel. Seit 2018 seien 57 Prozent der damaligen 2.763 Eliten, West wie Ost, aus ihren Führungspositionen ausgeschieden. „Das war aber mit keinem Generationswechsel verbunden“, sagte Vogel. Bei den Neubesetzungen wurden demnach von Westdeutschen eingenommene Positionen bis 2022 nur zu 8,1 Prozent mit Ostdeutschen neu besetzt. Von Ostdeutschen eingenommene Führungspositionen wurden hingegen zu 53,9 Prozent mit Westdeutschen neu besetzt.
Laut Projektleiterin Astrid Lorenz lässt sich das nur durch einen Mix aus Ursachen erklären. Es gebe nicht „die Ausgrenzung“ Ostdeutscher, sagte die Leipziger Politikprofessorin. Viele Ostdeutsche der Generation 40/50 plus bauten keine entsprechenden Netzwerke auf, es mangele ihnen an wichtigen Fremdsprachenkenntnissen wie Englisch, sie seien weniger organisiert in Parteien und Organisationen mit bundesweiter Relevanz und sie vermarkteten sich weniger selbst. Man wolle angesprochen werden und sich nicht selbst ins Spiel bringen. Zudem herrsche weiterhin die Mentalität vor, dass es sich nicht gehöre, offen aufsteigen zu wollen.
Der Ostbeauftragte Schneider warb einerseits für mehr Sensibilität in Behörden und Institutionen beim Thema Förderung von Ostdeutschen, forderte andererseits aber auch mehr Selbstvertrauen bei den Ostlern ein: „Es gibt die Chancen zum Aufstieg in diesem Land, die Strukturen sind grundsätzlich durchlässig, aber ihr müsst es auch machen.“
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