Das Herz im Kopf tragen
Mit 70 Jahren ist Peter Meis, ehemaliger Theologischer Dezernent, gestorben.![Peter Meis (1953–2023) – hier bei einer Podiumsdiskussion 2019 in der Kreuzkirche Dresden. Peter Meis (1953–2023) – hier bei einer Podiumsdiskussion 2019 in der Kreuzkirche Dresden.](https://www.sonntag-sachsen.de/sites/default/files/styles/article/public/field/image/meis_0.jpg?itok=Doz3dyje)
»Wenn man Theologie nicht in der menschlichen Existenz platziert, taugt sie nichts«, lautete einer der Grundsätze, denen Peter Meis zeitlebens folgte. Leicht hat sich das der Oberlandeskirchenrat in keinem seiner Ämter gemacht, nicht als Pfarrer in Oberseifersdorf 1978, nicht als Dresdner Stadtjugendpfarrer, als Dozent und Rektor der Moritzburger Fachhochschule, in den fünfeinhalb Jahren als Superintendent in Dresden, zuletzt bis zum Ruhestand 2018 als Theologischer Dezernent im Landeskirchenamt.
Bei der Beschäftigung mit Bibeltexten zog der promovierte Theologe die sperrigen vor; die Paulus-Briefe etwa. »Das, wonach man nicht sucht, woran man sich fast die Zähne ausbeißt«, sagte er einmal. »Was da an Erfahrung, an Weisheit in Menschenwort gefasst ist, das holt man nur heraus, wenn man die Texte lang genug kaut. Erst dann geben sie ihre Nährkraft her. Das sind keine Törtchen, das ist Schwarzbrot.«
Die Bücherregale in seinem Wohnzimmer in Dresden-Blasewitz reichten bis unter die Decke. Theologie und Philosophie gab er in den letzten Jahren den Vorzug vor Romanen der Weltliteratur. Er las gern Eberhard Jüngel, für ihn einer der gründlichsten Denker, oder Peter Sloterdijk – einfach, um die Welt etwas besser zu verstehen. Bücher waren ihm bessere Freunde als das Internet. »Das Internet ist kein Freund. Nur rastlose Beschäftigung. Das hilft nicht zur Konzentration.«
Die Theologie hätte dem 1953 in Leipzig geborenen Sohn eines Pfarrers und einer Krankenschwester in die Wiege gelegt sein können. Aber in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), wo er aufwuchs, wollte er zunächst alles mögliche werden, Förster oder Psychologe, nur nicht Pfarrer. Vielleicht war es ein Aufbegehren gegen einen vorgezeichneten Weg, erzählte er einmal. So habe er 1971 sein Theologiestudium in Leipzig auch nicht gerade mit Sendungsbewusstsein begonnen, erinnerte er sich. Bei seinem Vater hatte er die Innerlichkeit des Pietismus kennengelernt. Den betrachtete er als kostbares Erbe, nicht aber als sein Profil. Gewiss, im Herzen müsse der Glaube auch sein. Aber bei der Ausbildung seiner Studenten der Religionspädagogik und Gemeindediakonie in Moritzburg kam es ihm darauf an, »das Herz im Kopf zu tragen« und sich davon zum praktischen Tun bewegen zu lassen.
Im Landeskirchenamt setzte er sich für eine Gleichbehandlung, also auch Segnung, gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ein. Ihn plagte der Eindruck, die Landeskirche mache sich schuldig gegenüber ihren homosexuellen Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und Gemeindegliedern, womöglich gar vor Gott. Etwas von diesen Gewissenskämpfen teilte er 2020 in seinem Buch »Unterwegs zu unserer Vergangenheit« mit.
In seiner Kirche störte ihn zu viel Harmonie mit der marktkonformen Gesellschaft. »Aber wo die Nachfolger Jesu andere nicht mehr irritieren, provozieren oder stören, scheint mit der Nachfolge etwas nicht zu stimmen. Wo Christen kein Problem für die Welt mehr sind, werden sie womöglich zum Problem für Christus.« Nach schwerer Krankheit ist Peter Meis am 24. September gestorben, im Alter von 70 Jahren.
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