Mauern überwinden
Erinnert: Vor 26 Jahren wurde das Denkmal Berliner Mauer eingeweiht. Engagierte Bürger und eine Kirchgemeinde gestalten hier einen besonderen kirchlichen Erinnerungsort.Am 13. August 1998 wurde das Denkmal Berliner Mauer als erster Teil der heutigen Gedenkstätte an der Bernauer Straße eingeweiht. Zusammen mit dem Dokumentationszentrum und der Kapelle der Versöhnung entstanden bis zur Jahrtausendwende künstlerische, dokumentarische und spirituelle Zugänge zu diesem historischen Ort und den Zeugnissen der Vergangenheit. Im August vor 26 Jahren jedoch wagte niemand daran zu denken, dass das Open-Air-Gelände der Gedenkstätte einmal jährlich 750 000 Besucher anziehen würde.
Kontroverse Diskussionen um eine adäquate Erinnerung an die Teilung Berlins und ihre Opfer gab es seit Anfang der 1990er Jahre. Bürgerschaftliches Engagement und der Beschluss des Ost-Berliner Magistrats am 2. Oktober 1990, der den über den Sophien-Friedhof verlaufenden Grenzabschnitt unter Denkmalschutz stellte, waren die Basis für den Gedenkort. Neben Mitarbeitern des Museums für Deutsche Geschichte und des Deutschen Historischen Museums engagierten sich für den Erhalt von Mauerteilen an der Bernauer Straße in besonderem Maße Pfarrer Manfred Fischer, sein Mitarbeiter Rainer Just und Mitglieder der evangelischen Versöhnungs-Kirchgemeinde. In zahlreichen Gesprächen hatten sie die sogenannten Mauerspechte um Einhalt gebeten und Abrissversuche von Baufirmen verhindert. 1994 wurde ein Wettbewerb für die Gestaltung eines Denkmals für die Opfer des Mauerbaus und in Erinnerung an die Teilung ausgelobt. Auf Initiative des Berliner Senats und in Zusammenarbeit mit der Versöhnungsgemeinde gründete sich der »Verein Berliner Mauer« als Trägerverein eines zu errichtenden Dokumentationszentrums. Zum 10. Jahrestag des Mauerfalls wurde es im Gemeindehaus eröffnet und zur Jahrtausendwende die Kapelle der Versöhnung auf dem ehemaligen Grenzstreifen eingeweiht. Später wurde dieses Erinnerungsensemble an der Bernauer Straße zur zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin an die Teilung der Stadt. Seither steigen die Besucherzahlen stetig an.
Inmitten dieser renommierten Gedenkstätte lebt Kirche. Die Kapelle der Versöhnung ist ein architektonisches Kleinod. Mehrere Hundert Interessierte aus aller Welt besuchen sie täglich. Der puristische Stampflehmbau ist zu zwei Dritteln aus den Bruchstücken der 1985 gesprengten, historischen Versöhnungskirche und auf ihren Fundamenten errichtet. Die kleine Kapelle ist das spirituelle Zentrum der Gedenkstätte. In einem Spannungsfeld, geprägt von Teilung und Unerreichbarkeit, agieren die Gemeindemitglieder und die haupt- und ehrenamtlichen Akteure der kirchlichen Bildungsarbeit am Erinnerungsort. In großer Zahl engagieren sich auch Menschen ohne eine formale Kirchenzugehörigkeit, die sich aber der kleinen Gemeinde, ihren Aufgaben angesichts besonderer Öffentlichkeit verbunden fühlen. Die Kapelle ist zugleich Teil der Erinnerungskultur und Ort lebendiger Versöhnung: Sowohl anlässlich der offiziellen Gedenktage zum 13. August und 9. November, als auch in den Sonntagsgottesdiensten oder den täglichen Andachten, in denen an die Biographie eines Toten an der Berlin Mauer erinnert wird, hören die Besuchergruppen von Versöhnung im Schatten der Mauer und dem Wirken der Weddinger Kirchgemeinde. Spirituelle Formate und Rituale schaffen Verbundenheit mit der Vergangenheit, mit den Schicksalen der Menschen und mit den Möglichkeiten für die Gegenwart. Aus direktem, spirituellem Erleben und durch persönliche Begegnungen kann Sensibilisierung erwachsen für historische und gesellschaftliche Zusammenhänge von Mauern, Flucht und Ausgrenzung. Dafür bedarf es geöffneter Türen und Offenheit in jedwedem Sinne und mit Schritten auf die Gäste und Interessierten zu. Sie ermöglichen Begegnungen und fruchtbare Bildungsarbeit, die Grenzen überwindet und nachhaltig wirkt. Diese Verbindung von Erinnerungsort und einer lebendigen Kirchengemeinde und Gemeinschaft von Menschen als ihr Träger ist einzigartig und unterscheidet sich von allen anderen kirchlichen Gedenkorten, die in der Bundesrepublik als Teil von Gedenkstätten existieren.
Am 13. August, 12 Uhr wird in der Versöhnungskapelle eine Andacht gefeiert.
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