Man sieht immer wieder, es kommt darauf an, wer was und wie macht und mit welcher Intention!
Die Last der Erinnerung
Gedenken an NS-Opfer: Viele Deutsche sind der Erinnerung des Holocausts überdrüssig. Das Bedürfnis nach einem Schlussstrich ist groß. Wie kann die Zukunft des Erinnerns aussehen?Überschattet wird der diesjährige Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar von lautstarken Forderungen, endlich einen Schlussstrich zu ziehen unter die Erinnerung an die Schuld der NS-Zeit. Die dröhnenden Rufe von Legida und Pegida nach einer »Beendigung des Kriegsschuldkultes« oder einem »Ende des Nazi-Schuldkomplexes« stören die übliche Erinnerungskultur, in der die Pflicht des Gedenkens und die Verantwortung betont werden.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen. Denn es sind nicht nur einzelne völkische Ideologen, die einen Schlussstrich fordern. Es scheint in der Bevölkerung durchaus eine verbreitete Sehnsucht zu geben, endlich aus dem dunklen Schatten der mörderischen Historie heraustreten zu dürfen.
Einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge sagten 81 Prozent der befragten Deutschen, man solle sich lieber gegenwärtigen Problemen widmen als den Verbrechen an den Juden. Und 55 Prozent sprachen sich für einen Schlussstrich unter die Vergangenheit aus. Bezeichnenderweise sind es vor allem die jüngeren Befragten, die diesen Schlussstrich fordern. In der Altersgruppe der 18- bis 22-Jährigen gaben fast 80 Prozent an, sich darüber zu ärgern, dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden.
Insbesondere in der jüngeren Generation scheint sich ein Wandel im Umgang mit dem Holocaust zu vollziehen. »Es mehren sich die Anzeichen, dass die Ära von Schulddiskurs und Melancholie abgelaufen ist. Das neue Stichwort lautet: Normalisierung«, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann. Dieser Sinneswandel drückt sich auch in dem Gedicht einer 18-jährigen Schülerin aus: »Warum sollte ich trauern? / Wie bin ich betroffen? / Wer sind die Opfer des Krieges? Ich kenne sie nicht. // Ich bin jung, mein Leben ist ein offenes Buch. / Warum sollte ich zurückblicken? (...)«
Auch der Umgang mit dem Berliner Holocaust-Mahnmal scheint dies widerzuspiegeln. Für viele Jugendliche ist der Gang durch das gigantische Stelenfeld kein bitterer Bußgang. Sondern ein lebenslustiger Spaziergang. Es wird sich gesonnt, man fotografiert sich in lustigen Gebärden. Manche jonglieren gar oder springen mit einem Fahrrad von Stele zu Stele. Der israelische Künstler Shakak Shapira hat das gerade mit seiner drastischen Internet-Kunstaktion »Yolocaust« kritisiert. Die Selfies junger Leute im Holocaust-Mahnmal hat er kombiniert mit Originalbildern aus den Vernichtungslagern. Mit der Abkürzung »Yolo« wird die junge Generation bezeichnet, die nach dem Motto lebe: »You only live once« (»Du lebst nur einmal«). Shapira ist Nachfahre von Holocaust-Überlebenden. Er findet das Fotografieren von Selfies in dem Mahnmal geschmacklos. Mit seiner Aktion will er eine neue Debatte über die Art und die Form der Erinnerung anstoßen. »Am wichtigsten ist, dass eine Debatte entsteht, dass wir jetzt darüber diskutieren was angemessen und was geschmacklos ist, so wie wir es gerade machen«, sagte Shapira und ergänzte: »Man kann ja Selfies knipsen, aber ich will schon, dass die Leute aufhören da herum zu skaten, zu jonglieren, Yoga zu machen.« Die millionenfache Resonanz, die Shapira erzeugt, zeigt: das Thema der Erinnerung an den Holocaust ist aktuell – und virulent.
Es entsteht die Frage, ob das mit dem Schlussstrich für die Deutschen so funktioniert. »Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz«, hatte Bundespräsident Joachim Gauck vor zwei Jahren gesagt. Und: »Da ist ein Bruch eingewebt in die Textur unserer nationalen Identität.« Doch wie soll mit diesem Bruch umgegangen werden? Wie kann die Erinnerung an den Holocaust heute aussehen? Die Frage ist wieder offen.
Hab ichs nicht gesagt, Herr Flessing:
"Es hat aber den Vorteil, dass es jetzt ausgesprochen ist und von den Erwarteten nun nicht gesagt werden muss. Sehn wa ma! " Er hat es sich doch nicht nehmen lassen.
Noch ein kleines Zitat von Georg M. Haffner (ISBN 978-3-8479-0589-9, 2015, S.27:
"'Natürlich bin ich kein Antisemit, aber...' wird keine Entschuldigung sein für judenfeindlichen Schwachsinn. Nach der Lektüre (dieses Buches, aus dem das Zitat stamm, J.L.) wird den Leserinnen und Lesern klar sein, warum höchste Vorsicht geboten ist, wenn eine Suada gegen Israel mit 'natürlich' eingeleitet wird. 'Natürlich' ist in Deutschland nämlich nichts, wenn es um die gestörte Beziehung zwischen jüdischen und nicht jüdischen Deutschen siebzig Jahre nach dem deutschen Judenmord geht. Wenn überhaupt, dann sind das Unbehagen, die Verlegenheit, die Angst, die Abwehr, die Wut und die Feindschaft natürliche Elemente dieser Beziehung. Auch der Appell, dass 'irgendwann doch einmal Schluss sein müsse' mit der 'Vergangenheitsbewältigung', ist ein frommer Wunsch den nur jemand hegen kann, der noch nicht angefangen hat, zu verstehen."
Soweit, so gut...
Johannes Lehnert
Lieber Herr Flessing,
dass von Ihrer Seite der Verdacht auf Traumatisierung der Jugendlichen kommt, verwundert mich. Es hat aber den Vorteil, dass es jetzt ausgesprochen ist und von den Erwarteten nun nicht gesagt werden muss. Sehn wa ma! - Zur Sache: Wir haben die Orte im großen Komplex KZ Auschwitz immer durch angestellte Begleiterinnen besucht und an einem Nachmittag Kontakt mit einem Zeitzeugen hergestellt. Unser eigener Beitrag zur womöglichen "Traumatisierung" war der 22. Psalm auf der "Rampe". - Und im Internat. Jugendbegegnungszentrum in Oświęcim hatten wir immer einen Begleiter im FSJ, der mit den Jugendlichen die Erfahrungen und Gefühle im Stammlager Auschwitz und im Vernichtungslager Birkenau reflektiert hat. Ständig ist die Frage, ob man sich schuldig fühlen müsse, im Gespräch gewesen. Wir haben sie selbstverständlich verneint, weil wir keinesfalls Gewissen in falsche Richtung führen wollen. Aber wir haben von unserer Verantwortung für die Gegenwart gesprochen, die sich a u c h (also beiweitem nicht nur) aus diesem finsteren Teil deutscher Geschichte ergibt.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Lehnert
Früher nannte man es Jugendweihestunde heute nennt man es "Außerunterrichtliche Bildungsveranstaltung", beides linkslastig "freiwillig"! ERgenis in beiden Fällen :Schreikrämpe traumatisierter Kinder und Jugendliche!
Sollte natürlich E r g e b n i s heißen.. Gabe ich übrigens live erlebt, nach "Buchenwaldreisen", die, zumindest für Jugendweiheteilnehmer, nicht freiwillig waren!
Erstens bin ich, weil für mich Jugendweihe, die als Konkurrenz zur Konfirmation proklamiert wurde, nicht infrage kam, nicht unfreiwillig nach Buchenwald gefahren. Zweitens ist eine fünftägige Auschwitzreise mit fünf Stunden Buchenwald absolut nicht vergleichbar. Und drittens ist es infam, eine außerunterrichtliche Bildungsmaßnahme, an der nur Freiwillige teilnahmen und einen Großteil selber bezahlten, überhaupt nur in die Nähe einer Gleichschaltungsveranstaltung wie die Buchenwaldfahrt zu rücken. Fragt sich, wes Geistes Kind die Beobachterin ist, die solches behauptet, auch noch mit der Begründung: Gabe ich selbst live erlebt...
PS. Und nicht zuletzt sollte ich erwähnen, dass ich im Elternaktiv angeboten hatte, mit meiner Tochter und den drei anderen Jugendweihe-Verweigerern aus ihrer Klasse, die 1982 nicht mit nach Buchenwald fahren "durften", selbigen Tages mit meinem Trabi nach Buchenwald fahren, um ihnen dort eine Führung zu machen. Die Schule hat das Angebot abgelehnt und alle Schüler mitgenommen. Vermutlich wollten sie die Kinder einem "linkslastigen" Betreuer nicht anvertrauen.
Hab ichs nicht gesagt, Herr Flessing:
"Es hat aber den Vorteil, dass es jetzt ausgesprochen ist und von den Erwarteten nun nicht gesagt werden muss. Sehn wa ma! " Es hat es sich doch nicht nehmen lassen.
So eine wirklich freiwillige Fahrt nach Auschwitz mit materieller Selbstbeteiligung finde ich sehr gut. Denn es ist nunmal ein Teil unserer Geschichte. Mit eigenen Augen sehen, kritische Fragen stellen dürfen und das eigene Gehirn einschalten, sind immer die allerbeste Vergangenheitsbewältigung. Die Zeit, wo wahre Betroffene als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, ist begrenzt.
Was aber für eine wirkliche Erinnerungskultur Gift ist, wenn reflexartig alles, was nicht mit dem Mainstream übereinstimmt, als Nazi, Rechtsextremismus etc. bezeichnet wird. Dann denken nämlich Jugendliche, wenn das schon Nazi ist, dann kanns ja damals nicht so schlimm gewesen sein. Es ist in meinen Augen eine Verhöhnung der Leiden der wirklichen Opfer der NationalSOZIALISTEN. Ebenso halte ich Ausstellungen über den Antisemitismus in Bachs Johannes- und Matthäuspassion für absolut kontraproduktiv, ebenso die Librettoänderungen der barocken Musikwerke. Das ist ähnlich wie die Schleifung klassischer Kinderbücher, um unliebsame Begriffe zu tilgen.
Seiten
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.
Diskutieren Sie mit