Christliche Erziehung mit Pferdefuß
Familienstudie zeigt das Dilemma christlicher Erziehung: sie schwankt zwischen Freiheit und Angst vor eigenen Wegen der Kinder
Um es gleich vorwegzunehmen: die neue Familienstudie über den Zustand der christlichen Erziehung, die am 11. Februar bei einem Symposium in der CVJM-Hochschule Kassel vorgestellt wird, enthält unerwartet harte Anfragen an den Erziehungsstil christlicher Eltern.
Zum einen zeichnen die Autoren zwar ein positives Bild vom Zustand heutiger christlicher Erziehung. Denn ihre Umfrage unter knapp 1800 christlichen Eltern ergab, dass christliche Erziehung keineswegs auf dem absteigenden Ast ist, sondern sehr ernst genommen wird. Und das, obwohl sich der allgemeine Wandel von einer eher traditionell-autoritären Erziehung hin zu einer eher demokratischen auch deutlich in den christlichen Familien niedergeschlagen hat. So vertreten 79 Prozent aller Befragten die Ansicht »Mein Kind soll lernen, dass nur der christliche Glaube zum Heil führt« und 77 Prozent den Satz »Ich möchte, dass mein Kind meinen Glaubensvorstellungen folgt«.
Dieses Ziel wollen viele Eltern erreichen durch tägliches Beten mit den Kindern (77 Prozent), durch ein christliches Abendritual (63 Prozent) oder durch Gespräche über Glaubensfragen (63 Prozent).
Gleichzeitig wird den heranwachsenden Kindern aber auch eine strenge Sexualmoral vermittelt. Eine große Mehrheit von 71 Prozent möchte, dass ihr Kind bis zur Ehe wartet, bevor er oder sie mit dem Partner schläft. Und 63 Prozent geben zu, dass sie ein Problem damit hätten, wenn ihr Kind homosexuell würde. Wobei in diesen Fragen die Angehörigen der evangelischen und katholischen Kirche deutlich liberaler eingestellt sind als Angehörige der Freikirchen und landeskirchlichen Gemeinschaften.
Doch da ist noch ein Pferdefuß: das ambivalente Verhältnis zum Gebrauch von Gewalt in der Erziehung. 34 Prozent der Befragten geben an, ihrem Kind selten »einen Klaps zu geben, wenn es etwas Falsches getan hat«, 7 Prozent tun dies sogar manchmal. 20 Prozent der Befragten vertreten die Meinung, dass körperliche Strafe in bestimmten Fällen ein hilfreiches und gutes Mittel sei. Auch hier ist der Unterschied zwischen den Konfessionen groß: Freikirchler neigen häufiger zu Gewalt in der Erziehung als Angehörige der beiden großen Volkskirchen.
Die beiden Autoren der Studie – der Pädagoge Tobias Künkler und der Theologe Tobias Faix von der CVJM-Hochschule in Kassel – verheimlichen nicht, dass sie Gewalt in der Erziehung klar ablehnen. Denn selbst ein »Klaps« habe dieselben negativen Auswirkungen auf Kinder wie harte Schläge, nur in etwas geringerem Maße.
Der Sprengstoff dieser Studie dürfte in der kritischen Hinterfragung des heute verbreiteten christlichen Erziehungsstils liegen. Indem sich nämlich die deutlichen Mehrheit christlicher Eltern auf das Ziel fixieren, die Kinder mögen den eigenen Glauben übernehmen und sich an eine strenge Sexualmoral halten, praktizieren sie einen »einweisenden Erziehungsstil«, der eine Variante des »autoritativ-dogmatischen Erziehungstyps« darstellt: »Das Kind wird als eigenständiges Wesen betrachtet und in der Eigenständigkeit gefördert, auf der anderen Seite gilt es als ständig gefährdet. Es schwingt immer die Angst mit, das Kind könnte den Glauben ablehnen. (…) Die Erziehung schwankt zwischen Furcht und Freiheit.« All das kann auf das Kind einen großen Druck ausüben. »Eine Identität jenseits der vorgegebenen Glaubensidentität kann das Kind hier oft nur mit Schuldgefühlen entwickeln.« Insofern drohe einem solchen Erziehungsstil, von »psychischer Gewalt« durchzogen zu sein. Es ist anzunehmen, dass diese Studie eine große Diskussion auslösen wird – genau wie es sich die Autoren wünschen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.