"Warum wird immer wieder der Unterschied zwischen Menschen vor und nach der Geburt gemacht."
Weil vor der Geburt (wenigstens bis ca. 24. SSW) der ungeborene Mensch ZWINGEND genau einen anderen bestimmten Menschen zwecks Überleben für die nächsten Wochen oder Monate braucht, nämlich die Schwangere.
Dieser Unterschied rechtfertigt zwar nicht die Tötung des ungeborenen Menschen; aber er ist dennoch relevant.
Man stelle sich mal vor, A läuft mit funktionsfähigem Handy in der Hosentasche auf dem Spazierweg hinter dem Krankenhaus und der Polizeiwache herum und trifft auf B, es entbrennt ein Streit und A schlägt den B bewusstlos, der daraudhin von außen nicht sichtbar mit leicht blutender Kopfwunde im Gebüsch liegen bleibt; A kommt zu dem Schluss, dass der B noch lebt und ggf. mit der geeigneten medizinischen Hilfe überleben könnte; aber A entscheidet auch, dass es eine für ihn unzumutbare außergewöhnliche Belastung wäre, die 5 m zum KH oder der Polizeiwache zu laufen, um auf den bewusstlosen B hinzuweisen, oder einfach von seinem Handy gebrauch zu machen; A läuft weiter, B stirbt.
Wichtige Punkte hierbei: B hat natürlich das Recht auf Leben; und A's persönlicher Schluss, 5m laufen und einmal Mund aufmachen, sei eine nicht zumutbare außergewöhnliche Belastung für ihn, wird das Gericht, das hier über unterlassene Hilfeleistung oder gar KV mit Todesfolge oder Mord zu befinden hat, eher nicht überzeugen.
Man stelle sich nun mal vor, C laufe durch eine gottverlassene Gegend, die nächste Zivilisation oder auch nur das nächste Funknetz ist mehrere Tage entfernt; C trifft auf D, Streit, D liegt bewusstlos mit leicht blutender Kopfwunde in der menschenleeren Gegend; C vermutet, dass D erstmal bewusstlos bleiben wird, und einzige Überlebenschance für D darin bestünde, wenn er den D über Schulter geworfen oder auf Tragekonstruktion hinterherziehend die mehreren Tagesmärsche durch schwieriges Gelände hindurch hin zur Zivilisation und Hilfe schafft; In Anbetracht seiner persönlichen Situation, körperlichen Fitness, des Geländes und der Weglänge entscheidet C, dass ihm dies nicht wirklich zumutbar ist, und lässt den D zurück, der daraufhin verstirbt.
Wichtige Punkte: D hat natürlich das Recht auf Leben; und eigentlich sollte ihn der C schon die paar Tagesmärsche durch schwieriges Gelände hin zu medizinischer Hilfe schaffen; ABER: wenn ein Gericht hier über die Frage der unterlassenen Hilfeleistung, KV mit Todesfolge oder Mord entscheiden würde, wären die ganzen Mühen und Risiken, die C hier hätte aus sich nehmen müssen, um dem D zu helfen, höchst relevant; und zumindest Mord würde vermutlich ausscheiden, unterlassene Hilfeleistung auch und die KV mit Todesfolge würde eher milde bestraft (vorausgesetzt es war überhaupt KV; vielleicht hat ja auch der D angefangen)
Man sieht also 2 eigentlich ähnliche Fälle, bei denen einer eigentlich in einer Garantenstellung für einen hilfebdürftigen Bewusstlosen ist (das ist man, wenn man einen anderen bewusstlos geschlagen hat; völlig unabhängig davon, ob es nun Notwehr, Versehen oder Körperverletzung war), die aber juristisch ganz unterschiedliche Folgen haben werden, weil die Mühen und Belastung, die es jeweils bedeutet hätte, das für das Überleben des anderen notwendige zu tun, gänzlich verschieden sind.
Und in äquivalenter Weise macht es einen Unterschied, ob es nun gerade um einen Säugling geht, den die den Säugling nicht wollende Mutter mit nur geringem Aufwand einfach beim nächsten Jugendamt/Babyklappe abgeben könnte; oder ob es um ein ungeborenes in der 8. SSW geht, das die das Kind nicht wollende Schwangere unter den üblichen und vielleicht auch unter speziell für sie zutreffenden Umständen (z.b. die Schwangere hat besondere medizinische Risiken) wenigstens noch 4-5 Monate mit sich "rumschleppen" muss, damit es überleben könnte.
Beides juristisch exakt gleich zu behandeln wäre ungerecht.
Damit ist natürlich nicht unbedingt ein Recht auf Abtreibung zu rechtfertigen; aber es war ja nur gefragt, warum ein Unterschied gemacht wird; und der wird eben, weil in einem Fall das Kind mit geringem Aufwand jemand anderem übergeben werden kann, der dann das Überleben des Kindes sicherstellt; und im anderen Fall eben für das Überleben des Kindes es zwingend erforderlich ist, dass ein bestimmter anderer Mensch gewisse Mühen auf sich nimmt bzw. toleriert.
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