Danken, Demut, Denken
Zum Erntedankfest gilt es, Gott zu danken – dem Geber aller guten Gaben. Doch die Ernte fiel in diesem Jahr schlechter aus. Allerdings bemerken das viele Menschen in ihrem Wohlstand kaum. Es ist Zeit für Demut und Umkehr.Ich weiß noch nicht, wie ich ohne Äpfel durch den Winter komme. Deren Ernte war schlecht. Die Erntearbeiten sind zügig ohne Probleme abgelaufen. Aber die Erträge blieben auch beim Wintergetreide unterm Durchschnitt, weil der Spätfrost und Trockenheit ein Optimum verhinderten. Es ist gut so, dass der Überfluss nicht jedes Jahr wächst, damit wir auf der Erde bei den Tatsachen bleiben.
Mein Großvater bekam 1930 für ein Schlachtschwein den halben Jahresverdienst eines Maurers. Jetzt reicht ein Tageslohn. Soll heißen: die Wertmaßstäbe zur Nahrung sind so gesunken, dass es mich seit Jahrzehnten betrübt. Höhere Lohnforderungen der Gewerkschaften oder der Politik drücken uns Landwirte weiter nach unten. Denn unsere Produkte werden inflationsbereinigt immer billiger, aber die Produktionskosten steigen. Mein Urgroßvater konnte eine neue Orgel für die nach Blitzschlag abgebrannte und neu gebaute Dorfkirche spendieren. Mein Großvater hatte viel Mühe, den Hof zu erhalten, wegen hoher Abgaben und Auszahlungen an die gutsituierten Geschwister. Der Niedergang der bäuerlichen Landwirtschaft ist mit das Ergebnis der geringen Bezahlung der wertvollen Nahrung. Unser Abnehmer vom Winterweizen hat die Ansprüche qualitätsmäßig für die Bezahlung heruntergesetzt. So sind wir dankbar, alles an die Mühle liefern zu können. Ein heimgegangenes Kirchgemeindeglied sagte immer: »Der Wohlstand lässt die Menschen Gott vergessen.« Mahner riefen zur Umkehr zu Gott auf. Es fehlt überall an Demut und Anerkennung Gottes, der über uns allen steht. Gottlos–haltlos–friedlos–freudlos ist für mich so eine Ursachenkette. Wie viel Ungerechtigkeiten und Schuld verursachen heute Leid und Tod? Gott lässt gewähren, es ist Gnadenzeit zur Umkehr.
Sehr froh bin ich über die heutigen technischen Erleichterungen im landwirtschaftlichen Arbeitsalltag. Dennoch ist es schwer, Nachwuchs zu begeistern für verantwortungsvolle Arbeit auf dem Feld und bei den Tieren. In meinem Wohnort gab es 1950 noch 40 Höfe. Jetzt sind im Dorf fünf Arbeitnehmer in der Landwirtschaft beschäftigt.
In Notzeiten kam die städtische Bevölkerung aufs Dorf, um bei der Ernte zu helfen und Nahrung zu bekommen, jetzt stehen wir Landwirte mit oftmals absurden politischen Vorgaben alleine da, um die Kriterien für Fördermittel und Zuschüsse zu erfüllen. Diese Gelder sind unser Lohn, denn der Ertrag der Felder reicht gerade, um die Kosten zu decken. So kam es zum Kampf ums Ackerland, weil förderfähige Fläche Gewinn verspricht. Andererseits baut mancher Landwirtschaftsbetrieb arbeitsintensive Betriebszweige wie Milchkühe oder Gemüseproduktion ab. Im Arbeitskreis christlicher Landwirte tauschen wir uns über solche Probleme aus. Zum Bauernbibeltag im Juni in der Katzensteiner Agrargenossenschaft oder zu Wochenendtreffen im Januar bildet das Gotteswort an Noah in 1. Mose 8,22 den zentralen Festpunkt unserer Hoffnung: »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.«
Dieser Tage legt die Regierung der Elfenbeinküste die Höhe des Aufkaufpreises für die neue Kakaobohnenernte fest. Eine Bauernfamilie, welche 6000 Kakaobäume mit Händen beerntet, hofft, wenigstens 1 Euro für 1 Kilo Bohnen zu bekommen. Damit würden sie durchkommen. Trotz schlechter Ernteprognose ist dieser Preis dem Staat zu hoch, weil schlecht für den Export. »Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben«, heißt es (5. Mose 8,10). Danken schließt das Denken mit ein. So darf unser Überfluss und die gute Schokolade uns zum Handeln bewegen. Freigiebig unsere Gaben dahin geben, wo wir Not sehen, helfen möchten und Gott dadurch loben und ehren.
Der Autor lebt in Oelsa und ist seit 46 Jahren in der Landwirtschaft tätig. Er ist aktiv im Arbeitskreis christlicher Landwirte sowie in der Kirchgemeinde und der Landeskirchlichen Gemeinschaft.
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