Deutsch ohne Feindschaft
Patriotismus: Wie kann man deutsch sein, ohne dass Misstöne aufkommen? In ihrem Buch »deutsch, nicht dumpf« plädiert Thea Dorn für eine aufgeklärte Bejahung der eigenen Wurzeln.
Thea Dorn wagt sich in einen Irrgarten mit Dornenhecken und Fallgruben. Wer wie die 47-jährige Schriftstellerin aus Berlin solch heikle Begriffe wie »Heimat«, »deutsche Nation«, »Patriotismus« gar zu beschreiben versucht, landet derzeit schnell in der politisch ganz rechten Ecke. Ihr indes gelingt das Kunststück, souverän auf dem schmalen Grat der Mitte zu balancieren. So wird ihr Buch »deutsch, nicht dumpf« zu einer Fundgrube kluger Gedanken für all jene, die nichts von der Selbstverleugnung deutscher Eigentümlichkeit in einer multikulturellen Melange halten – und dennoch offen für Zuwanderer aus fremden Kulturen sind.
Deutsche Identität knüpft sie an Kultur. »Der deutsche Mythos, eine Kulturnation zu sein, ist älter als der Nationalstaat.« Ihr Buch sei ein im besten Sinne »bildungsbürgerliches Buch«, wie sie es selbst bei dessen Vorstellung in Dresden nannte. Sie führt darin Streitgespräche mit Ideologen von linksaußen bis extrem rechts – inhaltlich und nicht mit der verbreiteten Methode, den Gegner mit schlichtem Moralismus zu erledigen. Dies tut sie mit solcher Lust am Argumentieren, in einer lebendigen, präzisen und bildkräftigen Sprache, dass die Lektüre zum intellektuellen Vergnügen wird. Hier leuchtet das Lessingsche Licht der Aufklärung.
Die Grenzen für den politischen Meinungsstreit sieht sie mit dem Grundgesetz gezogen. Innerhalb dieses Rahmens seien mehr Positionen legitim als es »politische Korrektheit« vorschreibt. Deren Verfechter haben es in ihren Augen vielfach überzogen. Mit ihrer Hysterie gefährdeten sie selbst den gesellschaftlichen Frieden. Dazu zählt sie auch den »begrifflichen Murks«, den Verfechter einer »gerechten Sprache« mit großem Binnen-I oder noch absurderen Sprachmanövern praktizieren.
In der Flüchtlingspolitik hält sie es weder für sinnvoll, sich allein an den Bedürfnissen der Wirtschaft zu orientieren noch ausschließlich an sozialer Bedürftigkeit von Migranten. Europa müsse stattdessen Freiheitskämpfern gegen autoritär-reaktionäre Regimes einen sicheren Hafen bieten. Die Ehrlichkeit gebiete es Politikern, zuzugeben, dass Deutschland nicht unbegrenzt Menschen aus anderen Ländern aufnehmen könne. Der »Notfall« vom Herbst 2015 dürfe nicht zum Normalfall erklärt werden. Auch hier hält sie Extrempositionen für nicht hilfreich: »Die Alternative ›Trutzburg Europa‹ versus ›radikal offene Grenzen‹ ist falsch und lotst den politischen Dialog in gefährlich aufgewühlte Gewässer.«
Für die Voraussetzung einer liberalen und offenen Gesellschaft hält Thea Dorn etwas, was uns bei allen Unterschieden miteinander verbindet – ein ethisch-kulturelles Fundament. »Wie aber können wir auf Verbindendes hoffen, wenn wir das Verbindliche ächten?«, fragt sie.
Religion lässt sie bei alldem weitgehend aus dem Spiel. Wohl ist ihr Jesus Christus über das Christentum hinaus Ahnherr aller abendländischen Demut. Doch geht es um Gesellschaft und Kultur, rät sie zum Verzicht auf übergeordnete Instanzen: »Wer sich im politischen Diskurs auf ›die Natur‹ oder ›Gott‹ als letztes Argument beruft, stellt sich selbst außerhalb des Spielfeldes, das unser Grundgesetz vorgibt.« Göttliche Maßstäbe seien Sache des Einzelnen, keiner Partei, pflichtet sie dem Journalisten Lorenz Jäger bei.
Was sie nicht daran hindert, sich in Sachen ihrer Vorstellung eines nicht bornierten Patriotismus unter anderem auf den evangelisch-lutherischen Pfarrer Wilhelm Abraham Teller zu berufen, der 1793 das Konzept eines »vernünftigen«, »gebildeten« Patriotismus entwickelte.
Ohne Patriotismus geht es für sie nicht. Sie ist sich wohl bewusst, dass Nationalstaaten keine Lämmer sind und zu reißenden Bestien werden können. Daher braucht es einen Rahmen – die Verfassung. »Das einzige Mittel, unsere Gesellschaft vor einer noch gravierenderen und irgendwann nicht mehr zu kontrollierenden Spaltung zu bewahren, scheint mir das Bekenntnis zur Nation zu sein. Und zwar nicht in einem völkisch-ethnischen, sondern in einem verfassungsrechtlichen, sozialsolidarischen und kulturellen Sinn.«
Thea Dorn: deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten. Knaus Verlag. 334 S., 24 Euro.
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