Gemeinsame "Erklärungen 2018" gibt es langsam inflationär. Das Original mit einer sechsstelligen Unterschriftenanzahl stammt immer noch von Vera Lengsfeld, ihres Zeichens DDR-Bürgerrechtlerin, eine lebende Ikone. Somit können ihr auch nicht postmortal irgendwelche Ideologien angehängt werden.
Streit ums ’89er-Erbe
Chemnitz: Mehr als hundert Bürgerrechtler und DDR-Oppositionelle protestieren gegen die Vereinnahmung der Friedlichen Revolution durch Rechtspopulisten – Versuch eines späten Widerspruchs.Mit der »Gemeinsamen Erklärung zu Chemnitz« haben sich mehr als 100 Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler sowie ehemalige DDR-Oppositionelle an die Öffentlichkeit gewandt. Darin protestieren sie gegen den Versuch populistischer Gruppierungen, das Erbe der Friedlichen Revolution von 1989 für sich zu vereinnahmen. Anlass waren der Mord an Daniel H. und die darauffolgenden Ereignisse in Chemnitz.
Die früheren DDR-Bürgerrechtler verurteilen darin den Mord von Chemnitz in aller Schärfe, kritisieren aber auch diejenigen, »die solche Straftaten instrumentalisieren für menschenverachtende oder demokratiefeindliche Propaganda«. Davon nehmen sie »die große Mehrheit friedlich trauernder und teilweise zu Recht über die Versäumnisse der Politik verärgerten sächsischen Bürgerinnen und Bürger« aus.
Die Erklärung mit dem Titel »Chemnitz ist gleich nebenan« stellt fest, dass sich inzwischen nicht wenige Pegida- oder AfD-Sympathisanten auf die Friedliche Revolution von 1989 und auf die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley (1945–2010) beziehen. In der »Erklärung« heißt es: »Wegen ihres Einsatzes für Frieden, Freiheit und Menschenwürde wurde Bärbel Bohley 1983 und 1988 ins Gefängnis geworfen. Den von ihr nach dem Mauerfall gesprochenen Satz ›Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat‹ verstehen wir als Appell für mehr Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur, für politisch Verfolgte und Benachteiligte in Ostdeutschland«. Die »Gemeinsame Erklärung« der Bürgerrechtler appelliert daran, die Kräfte der gewaltfreien Zivilgesellschaft zu stärken. Nur das schaffe die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Entwicklung in Deutschland.
Die Erklärung mit verfasst hat der Leipziger Polizeipfarrer Stephan Bickhardt. Der einstige Mitbegründer von »Demokratie Jetzt« in der DDR war erschrocken, dass »immer häufiger Bohleys Satz von den Rechtspopulisten benutzt wird«, um den deutschen Staat zu diffamieren. Unter anderem hatte ihn Martin Kohlmann, Chef der rechtspopulistischen Wählervereinigung »Pro Chemnitz« und ehemaliges Gemeindemitglied Bickhardts, auf seine Internetseite gestellt. Bohley habe mehr Gerechtigkeit für die Opfer des SED-Regimes einfordern wollen, die sich ungerecht behandelt fühlten, so Bickhardt. »Der Begriff Gerechtigkeit wird genauso missbraucht wie der Montag«, erklärt er und spielt auf die Montagsdemonstrationen in der DDR-Zeit an, die zum Sturz des Regimes 1989 führten.
Die Erklärung von Chemnitz sei für ihn »die späte, vielleicht zu späte Aufforderung an den 1989er Kreis, dem zu widersprechen, dass Bärbel Bohleys Satz uminterpretiert wird«. Einen breiten Konsens suchten Verfasser und Unterzeichner der Erklärung, um dem Rechtspopulismus Einhalt zu gebieten. Sie sei auch eine Aufforderung an Staat und Staatsanwaltschaft, couragierter vorzugehen, um Straftaten zu ahnden. »In einem gewaltfreien Staat sind Konflikte, etwa um die Aufnahme von Geflüchteten, auf dem Weg des Dialogs zu klären.« Dafür fehle es an Gesprächsmöglichkeiten, so Bickhardt.
Was erwartet er von der Kirche? »Nicht zu viel«, sagt er nach kurzem Nachdenken. »Nach der kleiner gewordenen Kirche wird immer gerufen in solchen Stunden. Es ist wichtig, dass sie Friedensgebete anbietet.« In Predigten müsse sie klar die Positionen des Evangeliums vertreten und ihrer Verantwortung in der Nachfolge des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer gerecht werden. »Die Kirche muss sich trauen, zu Gesprächen aufzurufen, sie selbst anzubieten.« Sie habe die Räume und Gruppen.
Auch Pfarrer Andreas Bertram aus Königshain in der Schlesischen Oberlausitz hat die Erklärung unterschrieben. Wie andere ist er in der DDR für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gegangen. Wenn rechtsextreme Gruppen Bohleys Satz von der Gerechtigkeit und dem Rechtsstaat für ihre Zwecke missbrauchen, suggerierten sie damit, »wir würden heute in einem Unrechtsstaat leben wie in der DDR«. Dagegen verwahrt er sich. »Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat, der verteidigt werden muss.«
Ja, es gibt eben auch noch echte ehemalige Bürgerrechtler, die sich nicht verbiegen oder für eine neue Ideologie kaufen lassen!
Liebe Britta,
oh welch ein Qualitätsmerkmal, dass V. Lengsfeld die erst war. Damit andere Erklärungen abzuwerten, dass sie nicht das Original seien, ist billig. Zumal es sich um einen anderen Anlass handelt. Und die Chemnitzer Erklärung ist nicht auf eine Hunderttausend angelegt. Sie ist eine persönliche Erklärung derer, die für uns 1989 letztendlich die Kerzenrevolution vorangetrieben haben. - Ich weiß nicht, ob Du die Lister der Unterzeichner kennst: Da kann man fast vom jedem/Jeder den Platz im Aufstand für Gerechtigkeit beschreiben. Die Erklärung in eine Reihe von Inflationärem zu stellen, Will womöglich die Bedeutsamkeit der Aussagen herabmindern. Und da widerspreche ich Dir aufs Heftigste.
Johannes
Lieber Johannes,
warum heißen denn dann die Nachfolgelisten "Erklärung 2018"? Und selbst Du wolltest mir neulich als selbstverständlich unterjubeln, daß die Leipziger "Erklärung 2018" (die als Antwort auf V. Lengsfelds Erklärung ins Spiel kam) DIE "Erklärung 2018" wäre, die gemeint wäre, wenn man dies Wort sage. Wenn von einer "Erklärung 2018" gesprochen wird, denke ich natürlich immer zuerst an das Original, und das stammte eben von Vera Lengsfeld, wurde von vielen mehr oder weniger bekannten Akademikern und Kulturschaffenden unterschrieben, womit der Mär ein Ende gesetzt wurde, daß die in den dortigen 2 Sätzen vertretene Meinung die der Abgehängten und Looser wäre. Da fand sich keine mit "Berufsbezeichnung" "Antifaschistin und Feministin" wie in der Leipziger "Erklärung 2018".
Die Chemnitzer "Erklärung 2018" kann dennoch nicht für sich in Anspruch nehmen, für alle Bürgerrechtler der ehemaligen DDR zu stehen, wie die beiden namentlich aufgeführten Beispiele zeigen. Und da stellt sich eben die Frage, wer hat Anspruch, die 89er Ereignisse für sich zu beanspruchen - wahrscheinlich keiner!
Herzliche Grüße
Britta
@ Britta (26.9.18) Da Du schon mit fake news beginnst, habe ich keine Lust, auf die weiteren Verdrehungen groß zu antworten. So viel Du Dich auch hin und her wendest: Die Erklärung heißt »Gemeinsamen Erklärung zu Chemnitz« und somit trifft Dein "Vergleich" mit dem so apostrophierten Original völlig ins Leere. Welche zwei namentlich aufgeführten Beispiele Du meinst, weiß ich nicht. Es sind mehre Dutzend Unterzeichner, von denen ich mehr als dreißig persönlich kenne. Bitte unterlass also Deine böswillige Abwertung der vielen Bürgerrechtler, nur weil sie andere Kernpunkte sehen als Du.
Johannes
PS: Zwölf namentlich Genannte zähle ich im Artikel. Welche zehn möchtest Du gern verschweigen? d.o.
Eine weitere waschechte Bürgerrechtlerin, Angelika Barbe, in Meißen: „Die Bürger gehen auf die Straße, weil der Staat versagt und die Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Das ist aber die ureigenste Aufgabe des Staates. Die Kartellparteien, die seit Jahren das Recht brechen, sind nicht befugt, den Bürgern Gesetzesverstöße vorzuwerfen. Erst recht sollten sie die Finger von der Umerziehung der Bürger lassen. […]
Die Demonstrationskultur hängt mit der Willkommenskultur zusammen. Und wenn immer es einen dieser ‚tödlichen Unglücksfälle‘, die alle natürlich ‚Einzelfälle‘ sind, gibt es sofort ein ‚Bündnis gegen rechts‘, das sich sammelt und davor warnt, solche „Taten zu instrumentalisieren“. […]
Liebe Britta,
danke für diesen Beitrag.
Beten wir, daß die kommende Revolution auch friedlich bleibt.
Ich fürchte aber, sie wird nicht friedlich sein.
Eine schöne Woche aus Leipzig
Thomas
Lieber Thomas, ja beten wir darum, daß ER Gnade schenkt. Wenn die Zeit "reif" ist, es müssen ja nicht immer die biblischen 40 Jahre wie im Fall "DDR" sein," wurde bis jetzt noch jeder Despot davongejagt. Oft eben doch von "Ochs und Esel" oder auch vom "Pack" oder "Dunkelmenschen"!
Da hat man wohl erst mal ein paar der vielbeschworenen "Ochs und Esel" eingefangen. Wer wird denn nun die "Revolution" anführen, die "noch jeden Despoten davonjagt"?
www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/inhaftierte-sehen-sich-als-rechtse...ührungskader/ar-BBO0hsR?ocid=spartandhp
Die Demonstranten, die erst einmal RWE davongejagt haben, gehören wohl eher nicht zu den hochgelobten "Ochs und Esel", "Pack" oder "Dunkelmenschen"...
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