Osterreiter ohne Pferde
Peter Bresan (87) aus Sollschwitz wollte in diesem Jahr sein 75. Jubiläum als Osterreiter feiern
Herr Bresan, das Osterreiten 2020 darf nicht stattfinden. Wie nahmen Sie diese Nachricht auf?
Peter Bresan: Mit Bedauern. Jedoch auch mit Einsicht. Die Gesundheit des einzelnen Menschen steht jetzt an erster Stelle. Die weltweite Corona-Pandemie hat bereits viele Opfer verursacht.
Was gedenken Sie zu tun?
In meinem Heimatort Sollschwitz gibt es in meinem direkten Umfeld sieben Ostereiter, die Bresan heißen. Wir werden einzeln – in Gehrock und Zylinder – vor unsere Häuser treten. Wir werden zu einem vereinbarten Zeitpunkt am Ostermorgen gemeinsam singend und betend die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu Christi verkünden. Zum Beispiel werden wir »Dźens Chrystus z mortwych stanył je« (Heute ist Christus von den Toten auferstanden) singen. Im Abstand werden sich auch die Familienangehörigen nach draußen begeben.
Welche frühen Erinnerungen haben Sie an das Osterreiten?
Ich bin aufgewachsen in der Sollschwitzer Mühle. Wir waren eine große Familie. Meine Mutter brachte zwölf Kinder zur Welt. Jedes Kind sah sie als Gottessegen an. Die Großväter, die Onkel, mein Vater – sie alle waren Osterreiter. Sie pflegten den Brauch mit Inbrunst und Überzeugung. Sie gaben mir viel Liebe zu den Tieren mit. Frühzeitig durfte ich in der elterlichen Landwirtschaft die Pferde mit füttern, putzen, ausmisten und ausreiten. Frühzeitig half ich mit bei der Feldarbeit. Die Pferde waren lebenswichtig damals. Sie waren unsere einzigen Zugtiere.
Wie erlebten Sie Ihre erste Prozession zu Pferd mit?
Das war 1946. Ostern war in Sollschwitz der junge Reiter Jurij Mros erkrankt. Ich war damals erst 13 Jahre alt. Spontan durfte ich an seiner Stelle mitreiten. Neben mir ritt mein späterer Schwager aus Bautzen. Damals gab es kaum Ostergeschirr. Ich selbst hatte nur einen Sattel und einen Halfter. In Wittichenau meinte eine Frau zu ihrer Tochter: »Schau mal, so ein armer Osterreiter. Der hat ja nicht einmal eine Blume.« Spontan lief die Frau ins Haus. Sie brachte eine Kunstblume für mein Pferd mit. Das war eine unerwartete, berührende Geste. Die Lieder und Gebete hatte ich zuvor fleißig geübt. Erschöpft, doch glücklich im Herzen kehrte ich von der ersten Prozession zurück. Seitdem ritt ich Jahr für Jahr mit. Und das bei jedem Wetter.
Gab und gibt es schwierige Zwischenfälle?
Ja. Gefährlich wird es, wenn das Pferd dem Reiter den Gehorsam verweigert. Mir selbst passierte das zweimal – in Sollschwitz und in Ralbitz. Beim Aufsteigen bäumte sich das Pferd plötzlich auf und überschlug sich. Gott sei Dank blieben Pferd und Reiter unverletzt.
Warum ist das Osterreiten in der zweisprachigen Lausitz so tief verwurzelt?
Die Sorben sind ein tief gläubiges, österliches Volk. Dieser feste Glauben gibt mir die Zuversicht, dass unser Volk weiterbesteht und lebendig bleibt. Der evangelische Pfarrer Jan Kilian (er stand 1854 an der Spitze sorbischer Auswanderer nach Texas) unterstrich bereits damals: »Sorben, bewahrt euch treu eurer Vorfahren Sprache und Glauben«. Solange wir uns daran halten, wird auch das Osterreiten weiterbestehen.
Was hat sich im Laufe der Jahre in der Prozession verändert?
Die Osterreiter heute tragen würdevollere Kleidung. Sie haben einheitliche Gehröcke und Zylinder. Sie haben schmuckvolleres Pferdegeschirr als früher. Geändert haben sich organisatorische Fragen. Doch das sind Äußerlichkeiten. Geblieben sind vor allem die Würde und der Inhalt des Brauches.
Was bedeutet Ihnen die Osterbotschaft?
Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. Ostern feiern wir die Auferstehung des Herrn. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Leben siegt über den Tod. Ostern nimmt uns die Angst vor dem Tod. Er ist nichts Losgelöstes. Er gehört mit zum Leben. Der Tod ist nur die Pforte zum ewigen Leben. Daran glauben wir Christen. Diese Tiefe jedes Jahr neu zu erleben, das ist eine wunderbare Gnade.
In diesem Jahr wären Sie zum 75. Mal mitgeritten. Was bewegt Sie dabei?
Gelassenheit. So ein Jubiläum hat bisher in der Geschichte der Osterreiter-Prozessionen in der Oberlausitz noch niemand erreicht. Ich hoffe, dass ich das Jubiläum im nächsten Jahr einlösen kann. Dazu erbitte ich vom Herrgott die nötige Gesundheit. Ich spüre: je älter ich werde, umso jünger fühle ich mich.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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