Still ruht die Stadt
Corona-Advent: Angesichts der Pandemie geht im Erzgebirge ein Bangen um Mitmenschen und Weihnachten um – wie in Marienberg.Einsam drehen Maria und Josef in der Pyramide ihre Runden. Die Holzfiguren sind die Einzigen, die sich auf dem Marktplatz von Marienberg bewegen. Kein Weihnachtsmarkt, keine Menschen, keine stolze Bergparade an diesem dritten Advent. Fast alle Traditionen sind wegen Corona abgesagt. Der um zwei Tage vorgezogene Lockdown im Erzgebirgskreis begrenzt das öffentliche Leben am Sonntag auf den Gottesdienst.
So empfängt die Hallenkirche St. Marien ihre Gemeinde mit offenen Türen – eine umstrittene Ausnahmestellung, während alles andere geschlossen ist. Zum Gottesdienst kämen heute schon weniger Menschen als sonst, meint Pfarrer Volkmar Freier. »Die Älteren halten sich eher zurück.« In dieser Altersgruppe fordert Corona den größten Tribut. »Wir haben spürbar mehr Todesfälle«, sagt der Pfarrer, »und in unserer Stadt ist es gerade äußerst problematisch.« Im Diakonieheim wüte Corona bedrohlich. Superintendent Reiner Findeisen hat die Mitarbeiter aufgerufen, die diakonischen Werke im Kirchenbezirk tatkräftig zu unterstützen.
Doch die Verkündigungsmitarbeiter sind auch selbst von Corona betroffen. Beide Gemeindepädagogen in Marienberg sind erkrankt. »Dabei hatte ich so viele Ideen für diese Zeit«, ist Kerstin Ullmann traurig. Nun liege alles flach, auch sie selbst. Die heftige Krankheit sei zugleich eine intensive Erfahrung im Glauben gewesen. Es habe sie sehr demütig gemacht. »Mir war wichtig, dass ich atmen konnte«, sagt die 53-Jährige. »Atmen ist wie beten.«
Nach vier Wochen Corona schaue sie nun nach vorn. »Innerlich gehe ich diesmal ganz bewusst auf Weihnachten zu«, sagt die Katechetin. Das Licht sei in diesem Jahr mehr denn je mit Hoffnung verbunden. Die Lichter in den Fenstern genauso wie das Friedenslicht von Bethlehem, was zur Christnacht in der Kirche leuchtet. »Gott ist mein Licht und mein Heil«, liest Kerstin Ullmann von einem Blatt, das am Heiligabend in den Kirchenbänken liegen soll. »Dabei wissen wir noch nicht mal, ob wir dann überhaupt Gottesdienst feiern dürfen und wie wir in unseren Familien zusammenkommen«, überlegt sie.
Währenddessen zieht Kirchenmusikdirektor Rudolf Winkler im Gottesdienst in der Marienkirche die Register seiner Orgel. Schon seit Wochen darf die Gemeinde wegen Corona nicht mehr mitsingen, außer beim letzten Lied. Rudolf Winkler hat für diesen dritten Advent Streicher eingeladen, die für ein besonderes Musikerlebnis sorgen. Für den Kantor ist es die ungewöhnlichste Adventszeit. »Das Spektakel beginnt normalerweise mit dem Musical zum Martinstag und endet mit dem Orgelkonzert zu Silvester.« In dieser Zeit habe der 55-Jährige im vergangenen Jahr 37 Veranstaltungen absolviert. »Danach bin ich immer fertig. Man fällt in sich zusammen.«
Dieses Jahr sei er schon im September krank gewesen, weil wegen Corona alles ausfiel. »Wir hatten keine vernünftige Chorprobe, konnten nicht zielgerichtet arbeiten«, klagt der Kirchenmusiker. Überhaupt sei das Ziel weniger greifbar. Musikalisch trage ihn über die Durststrecke, dass er mehr Zeit zum Üben habe. Aber die intensiven Kontakte in der Advents- und Weihnachtszeit, die fehlten.
Zumindest im Gottesdienst kommt ein Teil der Gemeinde noch zusammen. Vor dem Ende weist Pfarrer Volkmar Freier auf eine Tradition am dritten Advent hin, bei der es auch um Kontakthalten geht: Der Besuch von Alten und Kranken. Etwa 30 Tüten wurden für sie vorbereitet, mit einem gebastelten Stern, einer Karte und einem Leseheft. Der Pfarrer weiß, wie schwierig Besuche derzeit sind. Und natürlich solle niemand Grenzen übertreten. Janet Weißer greift sich trotzdem zwei der Päckchen. Sie überbringt die Grüße schon seit vielen Jahren. Bis zu viermal jährlich ist die 44-Jährige dafür unterwegs. Nicht nur, weil sie sich der Dankbarkeit der Beschenkten sicher sein kann. »Vergangenes Jahr wollte mich eine ältere Dame gar nicht mehr loslassen. Das ist so bewegend gewesen«, sagt sie. Janet Weißer übernehme diesen Dienst auch, weil er ihr selbst gut tue. »Ich gehe von den älteren Leuten immer ein bisschen glücklicher wieder weg, als ich hingegangen bin.« Sie bedauert, dass sie die kleinen Aufmerksamkeiten dieses Jahr nur so unpersönlich abgeben darf.
Auch Weihnachten wird dieses Jahr unpersönlicher gefeiert werden als sonst, weiß Volkmar Freier nach diesem Wochenende. Der als besonderes Angebot für die Stadt in der Corona-Zeit gedachte ökumenische Gottesdienst auf dem Markt wird wohl ausfallen. Wie die Christnacht in der Kirche gefeiert wird, ist wieder etwas unsicherer. Auf jeden Fall soll die Kirche bis in die Nacht geöffnet bleiben, das Licht solle leuchten. »Ich sehe diese Zeit schon als besondere Chance«, sagt der Pfarrer. »Es gibt keinen Raum in der Herberge«, zieht er einen Vergleich zwischen Bethlehem und Marienberg. »Keine Volksfeststimmung zu Weihnachten, das tut uns auch mal gut.«
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