Suche nach dem Glaubens-Gen
Zukunft: Religionspädagoge und EKD-Ratsmitglied Michael Domsgen baut an der Universität Halle ein neues Forschungszentrum für die kirchliche Zukunft auf. Es will auch die Menschen an der Basis einbeziehen und neue Wege finden.Keine Pipette, keine Chemikalien, keine Sequenzierungsmaschinen – und doch sind Michael Domsgen und seine Kollegen der DNA der Kirche auf der Spur. Im Forschungszentrum »Christliches Empowerment in der Säkularität/Center for Empowerment Studies« (CES) zerlegen sie die Fragen nach der Zukunft in Bausteine, stellen Thesen auf und beziehen dabei die Menschen an der Basis ein. Der Professor für Religionspädagogik hofft, dass der gemeinsame Lernprozess »ermutigt, ohne zu banalisieren«.
Das CES ist am Institut für Religionspädagogik an der Martin-Luther-Universität in Halle angebunden. Es besteht aus drei Säulen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben und von verschiedenen Geldgebern finanziert werden, etwa von der EKM und der Landeskirche Anhalts, von Stiftungen und Vereinen, der EKD oder der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Die Forschungsstelle »Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse« arbeitet mit religionspädagogischer Ausrichtung. Fragen der Kirchenentwicklung stehen an der Forschungsstelle »Missionale Kirchen- und Gemeindeentwicklung« im Fokus. Und im Bereich »Kirchen- und Gemeinde- theorie – Ökumene und Wissenstransfer im weltweiten lutherischen Kontext« geht es um Fragen des weltweiten Wissenstransfers. Alle Bereiche haben Praxisbezug. Da geht es beispielsweise um Familien und darum, wie sie Werte und Traditionen bilden und an Kinder und Enkel weitergeben. Das sind bedeutsame Fragen in einer Landeskirche, in der mehrere Tausend Kinder nicht getauft sind, obwohl mindestens ein Elternteil der Kirche angehört. Wie kommen Eltern dazu, die religiöse Bildung ihrem Kind selbst zu überlassen? Warum wird Religion zum Stressfaktor? »Da beginnt die theologische Arbeit, also die Frage nach Hürden, die wir errichten mit unseren Formen und Ritualen, anstatt Menschen zu befähigen und zu ermutigen, den Schatz der Frohen Botschaft in Besitz zu nehmen und für ihr Leben fruchtbar zu machen«, sagt Michael Domsgen.
Darum dreht sich die Arbeit in der zweiten Säule, der Missionalen Kirchen- und Gemeindeentwicklung. Bewusst sei Missio – also Sendung Got- tes – gewählt worden und nicht Mission. Es gehe um die Bewegung Gottes zu den Menschen hin. Das Forschungsteam wird auch Sommer- und Winterschulen anbieten: Haupt- und Ehrenamtliche sollen sich über Gemeindeentwicklung austauschen und Laien gestärkt werden für das, was Priestertum aller Getauften heißt. Für die Pflegekraft könnte das heißen, kranke und sterbende Menschen zu segnen.
Der Forschungsbereich »Kirchen- und Gemeindetheorie« tritt an die Stelle des Gemeindekollegs der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands, allerdings mit neuer Ausrichtung. Das Team ist seit 1. Juni komplett und widmet sich der Grundlagenforschung. Es geht zum Beispiel um versteckte und offene Bilder von Kirche oder um Fragen der Ausgrenzung, die kirchliche Strukturen mit sich bringen. Der Blick sei international, besonders spannend seien postkommunistische Länder wie Tschechien oder Estland, deren Bevölkerung wie die ostdeutsche größtenteils konfessionslos ist, erklärt Domsgen.
Der Blick der Wissenschaftler ist fachübergreifend. Erkenntnisse und Methoden der Psychologie, der Heilpädagogik und der Sozialen Arbeit fließen ein. So versteht Domsgen auch den Begriff des Empowerments. Er bedeute, Menschen handfeste Befähigungen zu geben und ihnen zu ermöglichen, sich dieser Fähigkeiten zu bemächtigen. Am Ende geht es auch um Machtfragen. »Meine These lautet: Ich gebe Macht ab, damit andere sich bemächtigen können. Das Teilen von Macht ermöglicht Neues, es ermöglicht neu vom Evangelium zu erzählen«, sagt Domsgen. Gemeinden, Pfarrerinnen oder Gemeindepädagogen, die Neues ausprobieren wollen, müssen nicht warten, bis das CES-Team seine Erkenntnisse in Forschungsberichten veröffentlicht. Sie dürfen selbst forschen, versuchen, scheitern und neu anfangen. Möglich ist das bei der Startertagung am 6. November in der Theologischen Fakultät Halle.
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