Das Verbindende suchen
Ökumene: Die Lehre, dass Gott jeden Menschen bedingungslos liebt und annimmt, ist Kern lutherischer Theologie – und galt für Katholiken lange als unannehmbar. Doch vor 25 Jahren gelang eine Einigung. Wie geht die Ökumene weiter?Vor 25 Jahren haben die römisch-katholische Kirche und der Lutherische Weltbund in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) erklärt, dass sie in wesentlichen Grundzügen der Rechtfertigungslehre übereinstimmen. Das glich damals einem Donnerschlag und wurde in Deutschland durchaus gemischt aufgenommen. Denn die beiden Schwesterkirchen waren seit Martin Luthers 95 Thesen in Wittenberg arg zerstritten. Und nun: Konsens! Es kommt noch besser: 2006 trat der Weltrat Methodistischer Kirchen der GER bei, 2017 die Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen und im selben Jahr die Anglikanische Gemeinschaft.
Zur Erinnerung: Martin Luther war nach tiefen Glaubenszweifeln zu der Erkenntnis durchgedrungen: Einen »gerechten Gott« kann ich mir niemals erarbeiten. Und das Verblüffende: Ich muss es auch nicht. Vielmehr schenkt mir Gott, in all meiner Unvollkommenheit, die Gerechtigkeit umsonst. Ein neues Lebensgefühl ist möglich. Mit allen Ängsten vor Tod, Versagen, Unzulänglichkeit, vor der Zukunft muss ich nicht allein umgehen. Gott schenkt mir Zuversicht, Mut, Zukunft und Sinn. Der Blick muss nicht ständig nur auf mich und meine Bedürfnisse gerichtet sein. Sondern ich kann frei auf andere schauen. Auf ihre Bedürfnisse. Ihnen helfen. Nicht mein Tun und Lassen steht am Anfang meiner Gottesbeziehung, sondern Gottes freie Zusage von Liebe, Gnade, Leben.
Über Jahrhunderte wurde zwischen den Kirchen über kluge Lehrsätze gestritten. Der Streit betraf nahezu alle Bereiche christlichen Lebens: das Gebet, die Bibellese, Lieder, Gottesdienstformen, Beichte, Rolle von Priestern, Pastoren und Frauen, kirchliche Hierarchien und vieles mehr. Und sehr viele Streitpunkte nahmen ihren Anfang bei der Frage, wie die Zusage der Rechtfertigung auszulegen sei und wer diese Zusage weitersagen dürfe.
Dieser Streit ist durch die Gemeinsame Erklärung im Grundsatz beigelegt. Katholische und evangelische Lehrende haben das gemeinsame Interesse, die frohe Botschaft des Glaubens möglichst leicht zugänglich hören zu lassen. Hierin liegt die große Chance der sehr weitgehenden Einigung von 1999. Vorurteile, tiefes Misstrauen, böse Sprüche übereinander sollten hinter sich gelassen werden.
Inzwischen sind 25 Jahre vergangen. Gerade auf der Ebene von Gemeinden, Diakonie und Caritas sind das Klima für die Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit besser geworden. Häufig ist auch die tiefe Missbilligung gegenüber Lebensäußerungen der einen oder anderen Konfession einer Neugier auf den anderen gewichen. Zugleich stehen die Kirchen einer Welt gegenüber, die immer weniger von Kirchen, geschweige denn konfessionellen Unterschieden weiß. Manche wichtigen Fragen bleiben auch offen, die sich die Kirchen hoffentlich weiter in gemeinsamer Verantwortung stellen: Wann dürfen wir endlich uneingeschränkt am Abendmahl der jeweils anderen Konfession teilnehmen? Was bedeutet eigentlich Konfession? Was können wir ökumenisch von der Rolle von Frauen in leitenden geistlichen Ämtern, eben auf allen Ebenen kirchlichen Handelns lernen? Sogar über die Rolle des Papstes wird jüngst untereinander neu nachgedacht.
All dies und noch viel mehr kann auf der gemeinsamen Grundlage der Rechtfertigung jedes einzelnen Menschen durch Gott geschehen und weitergehen. Ein großer gemeinsamer Schritt ist durch den errungenen Konsens getan. Zum Reformationstag 2024 sollten wir darauf einmal gemeinsam anstoßen, um so gestärkt Hand in Hand an die Arbeit zu gehen. Dass wir eines Geistes darin sind, einen positiven, versöhnenden und Frieden stiftenden Einfluss auf die Welt zu nehmen und unsere Kraft hierfür aus der Rechtfertigung allein aus Glauben beziehen.
Astrid Kleist ist Geschäftsführerin des Dt. Nationalkomitees des Lutherischen Weltbunds
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