Glaube, Friede, Sonntag
Die sächsischen Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien und Gruppen: Wie sie über Glauben, Religionsgemeinschaften, Frieden und Sonntagsruhe denken, hat der SONNTAG sie kurz vor der Bundestagswahl ganz persönlich befragt (geordnet nach Sitzverteilung im Bundestag).
Kathrin Michel, Mitglied des Bundestags, Fraktion SPD. Foto: Richard Huebner
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Ich bin konfessionslos. Allerdings hatte ich das Glück, viel Zeit bei meiner evangelisch-lutherischen Großmutter zu verbringen. Sie brachte mir anhand von Geschichten nicht nur den christlichen Glauben näher, sondern legte auch großen Wert auf die christlichen Werte. »Behandle jeden Menschen respektvoll und so, wie du selbst behandelt werden möchtest.« Das hat mein Weltbild sehr geprägt und beeinflusst mein Handeln bis heute.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Unser Grundgesetz garantiert im Artikel 4 Religionsfreiheit, unabhängig von der Religion. Das trägt zur religiösen Vielfalt und Freiheit bei. Unsere Herausforderung: Keine Religion ausgrenzen und Vorbehalte abbauen. In meiner Familie bereichern die Schwiegersöhne unser Leben. Ein israelischer Jude und ein kolumbianischer Katholik. 2024 fielen Chanukka und Weihnachten auf den gleichen Termin. Das gemeinsame Fest bleibt unvergessen.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Viele Jahre sind wir davon ausgegangen, dass Frieden in Europa selbstverständlich ist und sich alle Länder an das Völkerrecht halten. Seit Putins Überfall auf die Ukraine ist das anders. Ein nachhaltiger Frieden wird nur erreicht, wenn sich Putin einer geschlossenen, starken Haltung von EU, NATO und Verbündeten gegenübersieht. Die aktuellen Zeichen aus den USA, auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz, verheißen das nicht.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Ja, unbedingt. Sie hat christliche Tradition und ist in Deutschland etabliert. Sie ist sowohl im GG als auch in den Ladenschlussgesetzen der Länder verankert. Ein Tag zum Ausruhen, zum Innehalten, Zeit für die Familie, dafür setzt sich auch die SPD ein, das müssen wir erhalten. Als Frau eines Schichtarbeiters, der 365 Tage im Jahr rund um die Uhr arbeitet, weiß ich, wie ein Leben ohne Sonntagsruhe verläuft.
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Carsten Körber, Mitglied des Bundestags, Fraktion CDU/CSU. Foto: Tobias Koch
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Wir leben in einer Welt, in der Glaube immer unwichtiger zu werden scheint. Dabei sehnen sich die Menschen nach Halt und Sinnhaftigkeit. Ich wurde evangelisch getauft und konfirmiert und gehe am Sonntag regelmäßig in die Kirche. Mein Glaube hat mich geprägt. Er ist das Fundament meiner Moral- und Wertevorstellungen. Er ist für mich Leitlinie meines Handelns und gibt mir Kraft im oft turbulenten und stressigen Alltag.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Ich halte es mit Friedrich dem Großen: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Religion ist Privatsache, die jeder mit sich ausmachen soll. Religionsausübung hat Grenzen, wo eine Religion sich über andere erhebt und das Grundgesetz infrage stellt. Da muss der Staat eingreifen. Fundamentalismus hat keinen Platz in unsrer Gesellschaft. Wichtig sind Religionsgemeinschaften auch für Aufgaben, die der Staat so nicht leisten kann, wie Seelsorge.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Wir müssen miteinander wieder mehr um gesellschaftlichen Frieden ringen. Das zeigen die übertriebenen, unsachlichen Überspitzungen in der öffentlichen Debatte der letzten Tage. Ich wünsche mir, dass wir Themen wieder versachlichen. Wir haben verlernt, richtig miteinander zu streiten, also zuzuhören, Argumente abzuwägen und auch kompromissbereit zu sein. Das braucht es, um als Gesellschaft wieder enger zusammenzurücken.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Wir alle brauchen einen Tag in der Woche für Muße, Ruhe, Erholung, um uns auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu besinnen. Der Alltag ist hektisch genug. Am Sonntag kann man sich sammeln und zu sich selbst finden. Ob man dazu in den Gottesdienst geht oder diese Ruhe beim Spaziergang im Wald findet, muss jeder für sich herausfinden. Aber Supermärkte, Autowerkstätten oder die Reinigung müssen für mich sonntags nicht aufmachen.
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Paula Piechotta, Mitglied des Bundestags, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Martin Neuhof
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Meine Eltern haben beide zu DDR-Zeiten Theologie studiert. Und so standen sie dann da in den 90er Jahren in der Region Europas mit dem niedrigsten Anteil an Kirchenmitgliedern und mussten sehr kleine ostdeutsche Gemeinden am Leben halten. Ich musste ab meinem 12. Lebensjahr oft drei Gottesdienste pro Sonntag Orgel spielen. Kirche verbinde ich vorrangig mit Arbeit, Stress und dem Trockenlegen nasser Kirchenmauern.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Ich bin atheistische ostdeutsche Pfarrerstochter, erkenne aber den Wert, den sie für viele Menschen haben. Religionsgemeinschaften leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenhalt. Mir ist es ein Anliegen, dass alle Menschen ihre Religion in Frieden praktizieren können – in einem respektvollen, gemeinsamen Miteinander.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Václav Havel hat gesagt: »Ein System, das auf Lügen und Gewalt beruht, wird nicht nur seine eigenen Bürger unterdrücken, sondern auch in der Welt nach außen aggressiv auftreten.« Das Erbe von 1989 wird heute im Baltikum, in Moldau und auch in der Ukraine verteidigt. Wenn wir gegen Gewalt und Lügen agieren und auch Nachbarländer und Menschenrechtler dabei unterstützen, kann das ein Beitrag für mehr Frieden in der Welt sein.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Ich habe als Ärztin viele Sonntage in der Klinik verbracht. In einer Zeit, in der Arbeitsdruck und ständige Erreichbarkeit zunehmen, ist es wichtiger denn je, den Sonntag als Ruhetag zu bewahren – wenn schon nicht für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, dann wenigstens für fast alle anderen. Es ist einfach gesünder, bietet den Menschen die notwendige Erholung und ermöglicht gemeinsame Zeit für Familie, Ehrenamt und soziale Kontakte.
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Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Foto: Presse
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Ich schätze den christlichen Glauben, da er eine wichtige Sinnstiftung für viele Menschen bietet. Der Glaube verbindet die Menschen und stärkt die Gesellschaft. Wichtig sind mir dabei Respekt und Wertschätzung in der gesamten Gesellschaft für Gläubige und die wertvolle Arbeit der Kirchen. Darüber hinaus sollten bei allen Religionen Friedfertigkeit und Toleranz mit dem Glauben verbunden sein.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Ich achte die Religionsfreiheit als fundamentales Recht unseres Grundgesetzes. Jeder Mensch soll seinen Glauben praktizieren dürfen. Es darf keine Verfolgung oder Diskriminierung aufgrund des Glaubens geben. Gleichzeitig ist die Religion nie eine Rechtfertigung für Gewalt. Insbesondere jüdische Mitbürger müssen sich frei und sicher in Deutschland bewegen können. Antisemitismus muss daher entschlossener bekämpft werden.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Die Sicherung des Friedens erfordert diplomatisches Engagement, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verteidigungsbereitschaft. Ich setze mich für eine aktive Rolle Deutschlands in internationalen Organisationen wie der EU und der NATO ein und unterstütze Maßnahmen zur Konfliktprävention. Zudem ist es wichtig, die Bundeswehr angemessen auszustatten, um eine starke Versicherung gegenüber Bedrohungen zu haben.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Sonn- und Feiertage haben einen besonderen Charakter, der erhalten bleiben soll. Zugleich gibt es Branchen, in denen Sonntagsarbeit unerlässlich ist. Auch gibt es Betriebe, die ohne die Möglichkeit zur Sonntagsarbeit und die Nutzung ihrer teuren Anlagen hierzulande nicht mehr existieren würden. In einer freiheitlichen Gesellschaft sollen Menschen innerhalb des gesetzlichen Rahmens selbst entscheiden können, wie sie ihre Sonntage verbringen.
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Tino Chrupalla, Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag. Foto: AfD
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Das Christentum hat Europa geprägt. Es bestimmt seine Kunst und Kultur bis heute. Der Glaube an Gott gibt vielen Menschen Kraft. Davor habe ich großen Respekt.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Das Grundrecht der Religionsfreiheit kann das gedeihliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gestalten. Die Verfolgung oder Diffamierung von Religionsgemeinschaften muss deswegen vom Staat unterbunden werden. Ziel muss ein friedliches Miteinander sein, bei dem der Respekt vor Unterschieden im Dialog gelebt wird.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Wir fordern Frieden durch Dialog und Diplomatie. In den vergangenen Jahren hat die Kriegsrhetorik in Deutschland überhand genommen. Das sehe ich mit Besorgnis. Wir pflegen eine Sprache des Friedens. Nur wenn wir mit allen Seiten reden, können wir die Kriege in Europa und im Nahen Osten dauerhaft beenden und eine Ordnung finden, mit der alle Menschen gut leben können – Russen und Ukrainer, Israelis und Palästinenser.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Der Sonntag ist ein Ruhetag. Das heißt, dass er von Kommerz und Arbeit möglichst frei bleiben sollte. Wenn wir hier nicht aufpassen, könnte das verdiente Wochenende bald zum Werktag werden. Allerdings müssen begründete Ausnahmen möglich bleiben. Die Bundespolitik sollte keine neuen Kompetenzen an sich reißen, sondern – gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität – den unteren Ebenen der Länder und Kommunen die Zuständigkeiten lassen.
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Sören Pellmann, Vorsitzender der Gruppe Die Linke im Bundestag. Foto: DBT/Inga Haar
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Ich bin in einem atheistischen Staat aufgewachsen, sehe zwischen Christentum und der Linken aber Gemeinsamkeiten. Beide entstanden als eine Bewegung Unterdrückter, wollen eine soziale Umgestaltung, stellen das Glück aller Menschen in die Mitte ihres Handelns. Ich erinnere im Kontext des Tabubruchs von Friedrich Merz daran, dass Faschisten hinter das christliche Menschenbild zurück in eine Zeit von Herren und rechtlosen Sklaven wollen.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Ich bin ein offener und toleranter Mensch und natürlich für die Religionsfreiheit. Religion ist jedoch Privatsache und eine staatliche Verquickung mit religiösen Institutionen sehe ich kritisch. Jede Religion hat, solange sie nicht in die Grundrechte eingreift, ihre Daseinsberechtigung und wird, solange es Unterdrückung gibt, ihren Rechtfertigungsgrund haben.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
In den 80er Jahren gab es in der BRD eine starke Friedensbewegung gegen die Stationierung von Pershing II-Raketen. Die christlichen Kirchen spielten dabei eine wichtige Rolle. Eine ihrer Losungen war: »Das Teufelszeug muss raus!« Eine solche Bewegung wünsche ich mir auch heute. Nur das wird die Herrschenden so unter Druck setzen, dass sie auf Diplomatie statt auf Aufrüstung und Krieg setzen.
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
»Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen!«, heißt es im Alten Testament. Leider sieht das die Wirtschaft oft nicht so. Da gilt es gemeinsam mit den Kirchen für die Erhaltung des arbeitsfreien Sonntags zu kämpfen.
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Marcel Machill, Journalistikprofessor an der Universität Leipzig, Mitglied der Gruppe BSW. Foto: privat
Welches Verhältnis haben Sie zum christlichen Glauben?
Ich bin römisch-katholisch getauft und empfinde den christlichen Glauben als etwas zutiefst Beschützendes, Wertvolles und eben auch sehr Privates.
Welche Position haben Sie zu den Religionsgemeinschaften?
Religionsgemeinschaften auf der ganzen Welt geben Menschen Halt, Orientierung und Trost, wenn man als Mensch nicht mehr weiter weiß. Und sie bieten als Gemeinschaften in vielen Gesellschaften Sinnzusammenhänge an. Jede Religion ist in ihrer Art wertvoll und zu respektieren. Wenn Menschen unter dem Deckmantel einer Religion für machtpolitische Zwecke missbraucht werden, dann ist genau das zu kritisieren – und nicht die Religion.
Wie wollen Sie den Frieden sichern?
Es geht nur über den ständigen Ausgleich von Interessen. Wir Menschen – auch Politiker und Staatenlenker – sind nicht frei von Fehlern. Und manchmal begehen wir große Fehler. Genau dann ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und nicht zu verhärten. Frei nach Gadamer: »Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.«
Wollen Sie an der Sonntagsruhe festhalten?
Ich persönlich empfinde die Sonntagsruhe als wichtige Möglichkeit zur inneren Einkehr in einer sich immer schneller drehenden Welt. Aber ich respektiere auch, dass sich unsere Gesellschaft wandelt und viele Menschen das anders sehen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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