»Wir brauchen einander«
Internationale Partnerschaft verbindet die sächsische Landeskirche mit Kirchen weltweit. Bei der zweiten Partnerschaftstagung vom 15. bis 21. Juni in Meißen sprachen sie über gemeinsame Herausforderungen und Hoffnungen. Das Begegnungsfest am Sonntag gab Ein- und Ausblick.Sonntagvormittag auf dem Domplatz Meißen: Menschen stehen in Grüppchen in der Sonne. Manche tragen Hemd und Anzug, andere bunte Röcke und Kleider. Man hört Englisch, Spanisch, Sächsisch, dazwischen Choräle, die der Bläserkreis St. Afra der Meißner Kirchgemeinden zur Begrüßung spielt. Nach und nach gehen die Leute in den Dom. »Ich freue mich, einen schönen Gottesdienst zu erleben. Aber ich weiß gar nicht, wie man den in Deutschland feiert«, sagt Ruth Mtahgi aus Moshi. Das liegt im Nordosten von Tansania am Südhang des Kilimandscharo.
Sie ist zur 2. Internationalen Partnerschaftstagung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gekommen und eine von 100 Teilnehmenden. Eine Woche lang diskutieren sie über Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, hören Vorträge, beten gemeinsam und erleben Ausflüge. »Ich freue mich, mit Menschen aus vielen Gegenden zusammenzukommen und zu reden«, sagt sie. Im Gottesdienst wird sie hören, dass zu den 100 noch gut 250 weitere Gäste und Gruppen aus 16 Ländern von allen Kontinenten der Welt in den Dom gekommen sind – etwa aus dem Baltikum, Osteuropa, Skandinavien, Indien, Kolumbien, Kuba, Papua-Neuguinea und den USA. Das Leipziger Missionswerk feiert zugleich sein Jahresfest in Meißen.
Unter Glockengeläut und Orgelklang ziehen Bischöfe aus Sachsen, Indien, die Gastgeber aus Meißen und junge Freiwillige des Leipziger Missionswerks ein. Handys schnellen empor, wie man das sonst von Festivals kennt. Die gut 400 Menschen im Dom können in Deutsch und Englisch mitsingen. In Reihe 16 sitzt Sakhile Sikhakhane aus Südafrika. Er lauscht. »Die Orgelmusik ist großartig«, flüstert er und schaut sich um, wie die anderen aus dem Programmheft singen. »Wir singen auch viel, aber wir folgen nicht den Noten, singen eher nach Gehör«, meint der 42 Jahre alte Laienprediger aus Pietermaritzburg-Nord in Süd- afrika. Aber jetzt, psst, die Predigt von Bischof Christian Samraj aus Indien.
Das Oberhaupt der Tamilischen Evangelisch-Lutherischen Kirche greift das Leitmotiv der Partnerschaftskonferenz auf: »… dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung« (Jeremia 29,11). Überall sehe er Unruhe, in der Kirche, in Familien, unter den Menschen. Oft frage er sich, ob Gott die Lage klar sei? Menschen hätten das Gefühl, seine Gegenwart nicht zu spüren. »Ja, man zweifelt manchmal.«
Dann berichtet Bischof Samraj aus dem Nordosten Indiens, wo Christen verfolgt und bedroht, ihre Häuser und Einrichtungen angezündet werden. »Es ist manchmal nicht einfach, in solch einer Situation zu beten.« Aber durch Gottes Kraft hätten die Christen dennoch Mut und fühlten sich in einem Bund. Trotz der Verfolgung sei der Glaube stark. Es gebe Taufen, Kirchenerweiterungen und Neubauten. »Denn seine Macht ist größer als alle Macht in der Welt. Der Bund Gottes trägt uns alle weiter«, ruft der Bischof von der Kanzel.
Sein rechter Zeigefinger schnellt gefühlt alle 30 Sekunden nach oben: »Wir brauchen einander. Alleine schaffen wir es nicht!« Er sei sehr froh, dass es die Partnerschaftsprogramme der Landeskirche Sachsens gebe. Wir alle »brauchen Gebetspartner, Geschwister und Partnerschaft«. Dann erinnert sich Christian Samraj an seine Kindheit: »Als ich klein war, haben wir oft für die DDR gebetet. Ich wusste nicht, wo die liegt. Ja, aber wir haben mit Freude für euch gebetet.« Spontaner Applaus folgt den Predigtworten.
Vor mehr als 300 Jahren seien Missionare aus Pulsnitz in die Welt gezogen, um vom Bund mit Gott und Jesu Christi zu berichten und Gottes Wort weiterzutragen. Das Ergebnis sei das Leipziger Missionswerk, das es seit 187 Jahren gibt. »Wir sind sehr dankbar für die Missionsarbeit. Nun kommen wir zurück zu euch mit den gleichen guten Nachrichten, die wir von euch bekommen haben.« Es sei eine »riesige Freude«, so viele Geschwister des Glaubens in Meißen zu treffen und sich auszutauschen: »Wir sind nicht allein.«
Wieder draußen auf dem Domplatz urteilt der Südafrikaner Sakhile Sikhakhane: »Das war eine kraftvolle Predigt.« Aus dem Kirchenschiff hört er der französischen Orgelmusik zu, sagt dann: »Mut ist wichtig. Wir haben alle noch viel zu lernen.« Neben der Predigt hat ihn im Gottesdienst am meisten beeindruckt, wie die Leute nach Noten gesungen hätten. »Ach was, dafür singt ihr vierstimmig, mit Schwung und tanzt dazu. Das ist nicht so lahm wie bei uns«, entgegnet ihm Hartmut Vetter aus Sebnitz. Vier Jahrzehnte lang hat er als Kantor gearbeitet. Der heute 76-Jährige weiß, wovon er spricht. Nun will er seinen Gast aus Pietermaritzburg zum Mittagessen lotsen.
Vetter engagiert sich für den Kirchenbezirk Pirna in der Partnerschaft und hat die überwiegend schwarze südafrikanische Gemeinde schon zwei Mal besucht. »Wir versuchen, uns auf Augenhöhe zu begegnen. Es geht nicht ums große Geld. Wir haben ja auch kaum Geld.« Mitte der 1990er Jahre sei ein Schulgeldfonds gegründet worden. Dafür spenden die Pirnaer Geld, etwa 1500 Euro im Jahr. Sikhakhanes Gemeinde entscheidet, welche Familien Unterstützung für Bücher, Schuluniformen oder Schuhe bekommen. Alle drei Jahre treffen sich Gruppen zum Besuch, mal in Pirna, mal in Pietermaritzburg. Per Whatsapp und Mails tauschen sie sich aus, auch für Fürbitten. »Es gibt andere Partnerschaften, die mehr Patenschaften sind. Das funktioniert aber nicht, weil es nicht von innen heraus gelebt wird«, erklärt Vetter. Er wünscht sich, dass sich die Deutschen »europäische Arroganz verkneifen«, nicht von oben herab spenden. Seine Frau wüsste das aber alles viel besser zu erzählen.
Doch Ina-Maria Vetter arbeitet im Organisationsteam der Tagung und hat wenig Zeit. Sie war schon beim ersten Treffen vor sieben Jahren in Meißen dabei. Sie hat das Gefühl, dass die Teilnehmenden diesmal »vertrauter miteinander reden«. Nach den Vorträgen stellt sie fest: »An vielen Stellen ähneln sich unsere Probleme. Vielerorts schrumpfen Gemeinden, Jugendliche sind schwierig zu erreichen. Dann das Geld. Klima ist Thema überall.« Wir in Europa seien noch gut dran, hätten genug Geld und Ressourcen, Klimafolgen auszugleichen. Wenn aber in Afrika Hitze die Getreideernte verderbe, verhungerten die Menschen.
Auf die Frage nach handfesten Ergebnissen des Treffens entgegnet der Hauptverantwortliche, Oberkirchenrat Friedemann Oehme, dass das ja keine wissenschaftliche Tagung sei. »Vielmehr soll das Bewusstsein geweckt werden, dass es anderen auf allen Erdteilen ähnlich geht. Das Treffen soll Ermutigung und gegenseitiges Kennenlernen sein.« Zu erleben ist das an diesem Tag beim gemeinsamen Mittagessen, an den Info-Ständen der Partnergemeinden, beim Bühnenprogramm und beim großen Abendmahl.
Mehr Infos bei der Landeskirche unter: www.t1p.de/jxmeg
Impressionen vom Elbe-Tauffest
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Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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