Aufarbeitung Missbrauch: Landeskirche stockt Stellen auf
Zum Abschluss ihrer Tagung in Dresden hat die Landessynode sich mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs beschäftigt. Während Betroffene die Landeskirche scharf kritisierten, warb Landesbischof Bilz um deren Mitarbeit.Der Präsident des Landeskirchenamtes Sachsen, Hans-Peter Vollbach, hat eine personelle Aufstockung für die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt angekündigt. Insgesamt 2,5 Personalstellen seien für die Meldestelle sowie für die Geschäftsstelle der geplanten unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommission vorgesehen, sagte Vollbach am Montag auf der Tagung der Synode in Dresden. Außerdem würden Stellenanteile in den 16 Kirchenbezirken der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens eingerichtet. Damit beauftragte Personen sollen Präventionsarbeit übernehmen.
Vollbach betonte, die Kirchenbezirke hätten Schutzkonzepte erarbeitet und Präventionsbeauftragte ernannt. Etliche Weiterbildungsveranstaltungen hätten schon stattgefunden. Haupt- und Ehrenamtliche seien unabhängig von ihrer Tätigkeit verpflichtet, alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Die kirchlichen Anstellungsträger würden regelmäßig Einsicht in das erweiterte Führungszeugnis nehmen.
Auf der Tagung hatten Betroffene sexualisierter Gewalt schwere Vorwürfe gegen die sächsische Landeskirche erhoben. Die Kirche verfolge die Aufarbeitung nur „unlustig und lauwarm“ und wolle offenbar, dass nicht zu viel „hochkocht“, kritisierte der Betriebswirt Jochen Heimann. Es gebe in der Landeskirche zu diesem Thema keine klare Aufgabenstellung, keine Terminleiste und keine klaren Zuständigkeiten. Viele Kirchengemeinden hätten weiterhin kein Konzept zur Prävention sexualisierter Gewalt. Zudem fehle es an Vertrauenspersonen, an die sich Betroffene wenden könnten.
Der 81-jährige Heimann gehört zu sogenannten Ströer-Gruppe. Dabei geht es um Missbrauchsfälle, für die der 2013 gestorbene Chemnitzer Jugendwart und Diakon Kurt Ströer (1921-2013) verantwortlich gemacht wird. Von 1956 an soll er 30 Jahre lang junge Menschen missbraucht haben.
Die Betroffenen fordern unter anderem für die Aufarbeitung auch die Stasi-Akten mit einzubeziehen. Zudem müsse das Thema Anerkennungsleistung individuell geregelt werden und nicht „per Fragebogen und Pauschalvergütung“.
Andere Betroffene wie der frühere Chemnitzer Pfarrer Christoph Wohlgemuth sprachen von einem Glaubwürdigkeitsproblem der Landeskirche, von fehlender Kritik- und Fehlerkultur und von einer innerkirchlichen „Wagenburg-Mentalität“. Betroffene würden häufig wie „Nestbeschmutzer“ behandelt und ihre Perspektive außen vor gelassen.
Der sächsische Landesbischof Tobias Bilz betonte, es brauche einheitliche Standards und zugleich das Eingehen auf individuelle Schicksale. „Das Persönliche darf nicht hinten herunterfallen“, sagte Bilz. Er warb um die Mitarbeit der Betroffenen: „Wir brauchen ihre Rückmeldungen, das hat uns immer weitergeholfen.“
Im Januar war die sogenannte ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgelegt worden. Im Bereich der sächsischen Landeskirche sind laut Vollbach für den Zeitraum von 1946 bis heute 110 Betroffene sexualisierter Gewalt und 56 Beschuldigte bekannt. Insgesamt wurden bisher rund 630.000 Euro an „Anerkennungsleistungen“ an 55 Betroffene gezahlt.
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