»Ich ruhe in Gott«
Gespräch: Der Leipziger Fußballtrainer Marco Rose feiert große Erfolge mit RB Leipzig. Als Spieler in Mainz lernte er in einem Bibelkreis den christlichen Glauben kennen. Mit David Kadel sprach er über Gott, Fußball und das, was zählt im Leben.Marco Rose, um mal philosophisch zu starten: Was kann man im Fußball fürs Leben lernen?
Marco Rose: Zusammenhalt, Verlässlichkeit, bestimmte Grundwerte sind da schon übertragbar. Grundsätzlich sollte man im Leben immer versuchen, aus dem, was man macht und was man erlebt hat, weiter zu lernen. Wenn man aufhört zu lernen und denkt »das reicht«, findet keine Entwicklung mehr statt. Ich versuche sehr viel für mein Leben aus dem zu ziehen, was mir beruflich gerade gut gelingt. Im Idealfall liebt man sogar das, was man macht.
Du strahlst etwas sehr Zufriedenes aus, inwiefern ist Deine Zufriedenheit abhängig von äußeren Umständen?
Grundsätzlich kann man sich nie davon frei machen, dass die Zufriedenheit davon abhängig ist, habe ich ein Spiel gewonnen oder ein Spiel verloren. Natürlich versucht man auch es immer wieder anderen recht zu machen, aber auf der anderen Seite versuche ich gerade das nicht zu tun, sondern bei mir zu bleiben. Ich versuche natürlich, die Dinge, die ich mache, sehr ehrgeizig zu machen mit hohem Einsatz, aber am Ende musst du im Fußball deinen Weg finden und dich vor allem nicht von den vielen Einflüssen ablenken oder beeinträchtigen lassen, weil ja alle an einem ziehen und jeder mitsprechen darf.
Wann bist Du die beste Version von Marco Rose, die Du sein könntest? Was macht dich stark?
Wenn ich ein gutes Spannungsfeld für mich gefunden habe, wie bereite ich meine Mannschaft vor, wie spreche ich die Spieler an, ich habe das nötige Vertrauen in all das, was wir uns erarbeitet haben, ich bin locker genug, aber gleichzeitig auch mit klarem Fokus auf ein bestimmtes Ziel. Wie erreiche ich das? Indem ich mir immer wieder selber klar mache, dass nur harte Arbeit zur Zufriedenheit führt, man muss sich immer wieder bestmöglich vorbereiten auf alle die Aufgaben. Auf der anderen Seite musst du als Trainer aber auch den Rest geschehen lassen, und loslassen, in dem du großes Vertrauen in deine Mannschaft hast. All das zusammen hilft mir am Ende, die beste Version von mir zu sein.
Im hektischen Fußball ist »Ruhe« ein Alleinstellungsmerkmal für den, der es hat. Wann schaffst Du es am besten, in Dir zu ruhen?
Ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern, dass ich die Dinge richtig einordne. Im Fußball darf man die Hektik, die Dinge, die geschrieben und gesagt werden, nicht so sehr an sich heranlassen. Am Ende ist es zwar mein Beruf, aber doch nur Fußball, so dass es mir leicht fällt, die Dinge im Vergleich zum echten Leben einzuordnen. Zu realisieren, dass das, was du machst, natürlich wichtig ist, aber dich nicht den Rest deines Lebens verfolgen wird, in irgendeiner Form, sondern nur ein Tag in deinem Leben ist, wo es vielleicht um viel geht, aber das Leben trotzdem weitergeht. Das hilft einem sehr in sich zu ruhen und bei sich zu bleiben, auch wenn es mal hektisch wird. Man zieht ja aus allem etwas, aus Siegen, aber auch aus Niederlagen, das ist meine bewusste Lebens-Einstellung, Dinge richtig einzuordnen
Deine Philosophie als Bundesliga-Trainer, wie nah dran ist Zuckerbrot und Peitsche an Deinem Führungsstil im Umgang mit Menschen?
Grundsätzlich bin ich ein Menschenfreund, der gerne neue Menschen kennenlernt, der sich auf alles einlässt, was auf ihn zukommt, auch auf unterschiedlichste Mentalitäten. Und trotzdem habe ich eine gewisse Erwartungshaltung im Umgang miteinander, wo grundsätzlich alles bei mir auf Augenhöhe geschieht. Das gute Miteinander ist mir da wichtig, nicht dass ich nur ständig Dinge vorgebe, sondern ich möchte gute Ideen der Spieler aufnehmen. Ich lerne gerne die Leute besser und tiefer kennen, damit ein guter Draht zu den Spielern entsteht und ein gutes Gefühl füreinander. Aber in der Gruppe gibt es natürlich bestimmte Regeln im Umgang miteinander, die mir wichtig sind, wie Respekt und zwar für jeden und alles im Verein, ob es jetzt Menschen sind oder Trainings-Utensilien. Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, offener Umgang, offen sein für neue Dinge, leider ist das »normal« zu sein heute nicht mehr selbstverständlich, »Guten Morgen« und »Auf Wiedersehen« zu sagen, oder wenn ich ein Problem habe, darüber zu sprechen. Das sind eigentlich die menschlichen Basics, die ich als Trainer bewusst einfordere, weil sie in unserer Gesellschaft etwas verloren gegangen sind.
Wie warst Du charakterlich eigentlich selber als Profi, immer pflegeleicht?
Ich war manchmal ein Typ mit zwei Gesichtern, ich war mir immer bewusst, dass das Team ein ganz ganz wichtiger Faktor ist und funktionieren muss, wenn ich als Spieler erfolgreich sein will. Ich habe mir viel ums Team-Gefüge Gedanken gemacht, war immer sehr teamfähig und habe bewusst versucht, neue Spieler ins Team zu integrieren, das war mir immer sehr wichtig. Auf der anderen Seite war ich aber auch sehr jähzornig und das stand mir manchmal im Weg. Auch unter Kloppo gabs schon mal Momente, wo es geknallt hat und ich übers Ziel hinausgeschossen bin und mich weniger teamfähig verhalten habe. Als ich dann eine Zeit lang nicht gespielt habe und gemeint hatte, ich müsste meine Unzufriedenheit zur Schau stellen, und Kloppo zeigen, dass mir das gar nicht gefällt, was er da gerade macht. In der Zeit durfte ich natürlich auch viel lernen. Deswegen habe ich bis zu einem gewissen Punkt Verständnis für Unzufriedenheit der Spieler und kann das als Trainer heute gut einsetzen, diesen Erfahrungswert, aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn ein Spieler mir über Wochen zeigen muss, dass er das gerade gar nicht akzeptiert und darüber persönlich beleidigt ist. Das hat mir damals als Spieler geholfen zu verstehen, dass du mit dieser Einstellung und Haltung natürlich keine guten Trainings-Leistungen bringen kannst und dir dann wiederum auch nicht verdienst zu spielen. Dann erkennst du wieder, dass es eben ein Teamsport ist und du vielleicht mal wieder gut trainieren solltest, damit der Trainer dich wieder bringen kann.
Was ist der größte Feind eines jungen Spielers heute?
Die junge Generation heute will sehr schnell sehr viel erreichen und auch zu Recht, weil sie schon viel früher bereit sind. Aber diese schnelle Selbstzufriedenheit und die fehlende Selbstreflexion verhindern da leider oft eine Weiter-Entwicklung, was ja im Fußball mit das Wichtigste ist. Das Handy ist natürlich auch so ein Thema, wenn du in die Kabine kommst und da sitzen zwölf Spieler und zehn davon starren aufs Handy und keiner reagiert und merkt, dass da der Trainer in der Kabine steht, dann ist das natürlich ein skurriles Bild für Profisport. Ich will das nicht verbieten, denn es gehört ja irgendwie dazu, aber ich würde mir wünschen, dass man die Zeit nach dem Training nutzt, miteinander zu reden, was man im Spiel vorhat oder auch privat, weil dadurch erst das Team gestärkt wird, indem man sich füreinander interessiert. Beim Essen gibt es bei uns kein Handy, in der Kabine darf man ganz kurz drauf schauen, obs etwas Wichtiges ist, aber mehr bitte nicht, dann konfrontiere ich die Spieler auch damit. Und wenn es nicht klappt, werde ich da auch intervenieren müssen, aber es geht ja immer darum, dass du zum Nachdenken anregst und es so moderierst, dass sie es verstehen, dass es ein Stück weit auch unserem Erfolg dient und du ihnen nichts wegnehmen willst.
Wie war Marco Rose selber als Fußballer, ordne Dich mal irgendwo zwischen Jens Jeremies und Lionel Messie ein.
(lacht) Also wenn ich zwischen beiden bin, dann eher rechts von Jens Jeremies.
Du sprichst oft von Empathie.
Ja, so bin ich von meinen Eltern erzogen worden und das habe ich auch als Spieler oft erlebt und hinterfragt: was erwartest du von einem Trainer, damit es ein gutes und erfolgreiches Miteinander wird im Team. Empathie hat für mich viel mit Authentizität zu tun, man kann es sich vielleicht aneignen, aber es hat am Ende viel mit selbst Erlebtem und mit Erfahrungen sammeln zu tun.
Wieviel Prozent hat für Dich Erfolg in der Führung von Menschen mit Empathie zu tun?
Für mich sind es 95, eigentlich 100 Prozent, denn es geht um Menschen und wenn du Menschen führen willst, dann musst du sie verstehen und dich in sie hineindenken können. Denn du kannst vielleicht als Trainer inhaltlich top sein, aber haben die Spieler keinen Bock auf dich, dann hast du ein Problem.
Du bekennst Dich schon länger zu Deinem christlichen Glauben, kann man sagen, Du ruhst in Gott?
Ja! Genauso würde ich es ausdrücken. Ich empfinde das immer genauso, wenn ich es schaffe, über Gott nachzudenken und über Gott ins Gespräch zu kommen, dann fühlt sich das für mich immer gut an und gibt mir viel Ruhe und Kraft. Leider nehme ich mir viel zu selten Zeit dafür, aber am Ende spüre ich immer, wenn ich in Gedanken bei Gott bin, dass es mir gut tut, deswegen glaube ich auch an Gott.
Was für ein Bild hast Du von Gott?
Wenn ich mit ihm rede, ist es immer Jesus Christus und nie ein alter Mann mit einem Bart, sondern ich denke in dem Zusammenhang immer an Jesus. Ostern ist für mich etwas ganz Reales, weil Jesus die Verbindung geworden ist zwischen Gott und uns Menschen.
Welche Charaktereigenschaft bewunderst Du an Jesus?
Grundsätzlich bin ich fasziniert von der Stärke, die Jesus ausstrahlt und wieviel er in seinem Leben für uns auf sich genommen hat. Die Kraft, die Jesus ausstrahlte, auch als er gekreuzigt wurde, und seine Stärke, zu verzeihen, das ist für mich etwas Großartiges und daran glaube ich. Und natürlich, dass du als Mensch bei Gott fehlbar sein darfst und du trotzdem immer zu Gott kommen kannst, dass Jesus deine Schuld auf sich nimmt und er versucht, dich wieder in die richtige Richtung zu lenken, das berührt mich schon.
Gibt es eine Passage in der Bibel, die Du besonders magst?
Also generell die Geschichte von Jesus ist schon einzigartig und berührt mich, aber ich bin jetzt nicht so bibelfest und von daher freue ich mich immer, wenn wir zwei über Gott sprechen, oder Du mir ab und an einen inspirierenden Vers auf Whatsapp schickst, als Ermutigung, das bedeutet mir schon viel und da freue ich mich immer riesig drüber, weil es immer in die Tiefe geht. »Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht!«, Philipper 4,13, den fand ich immer ganz stark, als ich noch Spieler war.
Was war eigentlich Dein erster Zugang zum Glauben?
Damals in der Mainzer Zeit, als 05er, unser Bibelkreis mit Sandro Schwarz und anderen Spielern, das würde ich schon als meinen Einstieg zum christlichen Glauben bezeichnen. In Leipzig, wo ich groß geworden bin, war das damals nicht so angesagt mit dem Glauben – mich als Mensch mit Jesus zu beschäftigen, begann erstmals in Mainz, wofür ich bis heute sehr dankbar bin, weil es mein Denken bereichert.
Was nervt am Fußball gerade? Welche Entwicklung geht für dich in die falsche Richtung?
Fußball ist ja Volkssport und dadurch auch Spiegelbild der Gesellschaft, die zunehmende Verrohung der Sitten in unserer Gesellschaft, wie respektlos da miteinander umgegangen wird, da sehe ich schon ein großes Problem, worüber wir sprechen sollten, da es uns alle betrifft. Uns allen ginge es doch im Alltag viel besser, wenn man einfach wieder eine grundsätzliche Freundlichkeit und Dankbarkeit an den Tag legt und sich wieder neu bewusst macht, welche Werte für das Miteinander gelten sollten, die wir uns alle wünschen. Im Fußball speziell stört mich, dass man denkt, man müsste alles neu erfinden. Fußball ist ein alter Sport, der sich natürlich entwickelt hat, aber von Jahr zu Jahr immer mehr in Frage zu stellen, was doch eigentlich diesen emotionalen Sport ausgemacht hat, finde ich bedenklich.
Im Fußball geht es ja immer wieder um Weiter-Entwicklung, wie hast Du Dich in den letzten Jahren als »Mensch« weiterentwickelt?
Das Entscheidende im Leben ist, dass du dich selber nicht so wichtig nimmst. Das, was du tust, schon, das nehme ich extrem wichtig, aber mich selber möchte ich gar nicht so wichtig nehmen, weil ich merke, dass ich dann viel entspannter durchs Leben gehe und das alles viel mehr genießen kann. Ich lerne aber auch immer wieder mal interessante Menschen kennen, oder treffe Freunde, mit denen ich auch über sehr tiefe Themen reden kann, das trägt dann auch wieder zu deiner Entwicklung bei.
Last not least: Was wirst Du Gott fragen wenn Du im Himmel vor ihm stehst?
Der Glaube macht mich zu einem reflektierteren Menschen. Und ich merke das schon, wenn ich etwas falsch gemacht habe und kann auch Fehler eingestehen, das gehört für mich zum Christsein dazu, da ehrlich mit mir selbst und vor Gott zu sein. Und trotzdem mache ich natürlich immer wieder Dinge falsch, aber deswegen bin ich ja Mensch und schätze Gottes Vergebung. Wahrscheinlich werde ich ihn fragen, wie konntest du mir eigentlich all diese Dinge vergeben, die ich auf dem Kerbholz hatte, ich danke dir dafür!
Mit freundlicher Genehmigung von der »Fußball Bibel« und Autor David Kadel
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