Heiraten in der Fantasiekirche
Neue »Hochzeitskapelle Callenberg« sorgt für VerwirrungVor dem Privatgelände der Hochzeitsmanager Vivienne und Tino Taubert fahren die Autos deutlich langsamer. Aus dem Grundstück ragt seit kurzem ein Zwiebelturm mit Wetterfahne heraus. Die beiden gebürtigen Sachsen haben auf ihrem Dreiseithof in Callenberg-Reichenbach (Landkreis Zwickau) eine »Hochzeitskapelle« errichten lassen. Schlicht und weiß steht sie an der Stelle, wo früher der Pferdestall war. Die erste Hochzeit ist am Freitag (22. Dezember) geplant.
Als Kirche geweiht ist die »Hochzeitskapelle Callenberg« - wie sie offiziell heißt - aber nicht. Vielmehr verrät der Schriftzug auf der Fassade die Nutzung der etwas anderen Art: »Cafe, Trausaal, Feiern aller Art« ist zu lesen. »Es ist eine Kirche, die keine Kirche ist«, sagt Tino Taubert (54), »zu uns kann jeder kommen«. Die »Event-Kapelle« ist seit dem 1. Dezember offizielle Außenstelle des Standesamtes Hohenstein-Ernstthal. In ihr kann aber auch einfach nur gefeiert werden.
Tatsächlich sieht sie rein äußerlich wie ein Sakralgebäude aus. Auch der Innenraum mutet zunächst wie eine Kirche an: Unter einem Kreuzgewölbe im Renaissance-Stil hängt ein Kronleuchter aus Bleikristall, hohe Fenster geben Licht frei. Doch ein Altar - Herzstück und Blickpunkt jeder Kirche - fehlt.
Stattdessen ragt ein Kamin aus Porphyr in die Höhe. Zwei Stühle für das Brautpaar stehen davor. Auch Bänke für die Gäste wurden aufgestellt - »ähnlich denen in Kirchen, nur bequemer«, sagt Vivienne Taubert. Das fast 400 Jahre alte Holz dafür stammt den Tauberts zufolge von einer ehemaligen Almhütte in Österreich.
Die Kapelle sei ein Mix aus allem: Museum, Kirche und Schloss. »Wir wollen den Paaren eine Traumhochzeit bieten«, sagt die Eventmanagerin, schließlich gehe es um große Gefühle. Sie selbst hätten für ihre eigene Hochzeit eine Kirche gesucht, aber als Atheisten keine gefunden. Nun haben sie einen Raum ganz nach ihren Vorstellungen geschaffen. Er sei nicht protzig, eher schlicht und natürlich.
Religiöse Symbole wie etwa das Kreuz verwendeten sie ganz bewusst nicht. »Uns ist wichtig, dass wie keine religiösen Gefühle verletzen«, sagt Tino Taubert. Er hat die Fantasiekirche konzipiert. »Wir haben nicht eine Kapelle für Atheisten gebaut«, betonte er: »Wir wollen auch Christen einladen.« So habe ein Paar angekündigt, ihren eigenen Pfarrer mitzubringen. Bisher haben die Tauberts 38 Anmeldungen für Hochzeiten. Die meisten Paare kommen aus der Region.
Der evangelische Ortspfarrer Christian Schubert findet »eine Kirche, die keine sein will« schon »komisch«. Ein Kirchengebäude als »reines Event«, in dem »kein Segen gespendet wird«, sei »problematisch«. Das mache ihn »nachdenklich«. Er selbst würde in der Kapelle der Tauberts keine Trauung halten. »Das geht nach der Trauordnung unserer Kirche auch nicht«, betont Schubert. Diese sieht in aller Regel einen gottesdienstlichen Ort vor.
Die Meinungen unter den Dorfbewohnern gehen auseinander. Einige ältere Leute hätten zum ihm gesagt, "schön, dass sie eine Kirche gebaut haben", berichtet Tino Taubert. Andere rümpften die Nase.
Seit elf Jahren haben sich die Tauberts auf Hochzeiten spezialisiert. Mehr als 400 Hochzeiten haben die Jazz- und Popsängerin und der Musiker mittlerweile organisiert. Die Nutzungsvereinbarung für ihre Kapelle als Traukirche besitzen sie seit 2013. Doch mehr als drei Jahre mussten sie um die Finanzierung kämpfen. Sie seien auf "sehr viel Unverständnis gestoßen", sagt Vivienne Taubert, obwohl der Bedarf da sei, das hätten sie in einer Analyse nachgewiesen. Rund 800.000 Euro sind an Kosten zusammengekommen.
»Die Kapelle ist ein Synonym für die heutige Zeit, in der Dinge und Formen entnommen und anders gefüllt werden«, sagt der Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Matthias Oelke. Es handele sich eindeutig nicht um eine Sakralbau, aber es werde auf die historische Formensprache von Kirchen zurückgegriffen. Das sei »irritierend« und führe zu »Unverständnis«.
Eine Kirche sei ein gewidmeter Ort, betont Oelke. Sakralgebäude könnten nicht einfach umgenutzt und als Veranstaltungsort vermietet werden. »Wir können das Kreuz nicht einfach mal wegpacken.« Die Kapelle beleidige aber seine religiösen Gefühle nicht. Sie sei ein »Ausdruck unserer heutigen widersprüchlichen Zeit«, so Oelke.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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