Noch Hoffnung für die Erde?
Schöpfung: Viele ökologische Systeme sind aus dem Gleichgewicht. Der Klimawandel zeigt immer bedrohlichere Folgen. Die Ökumenische Konferenz »Hoffnung für die Erde leben« forderte ein Ende des Wachstums und eine »Ethik des Genug«.Erntedank zeigt jedes Jahr aufs Neue, wie angewiesen der Mensch auf die Erde ist, wie grundsätzlich eingewoben er in das Netz des Lebens ist. Erntedank ist somit immer auch ein Anlass, nach der Beziehung zur Schöpfung zu fragen – und ihre Bedrohtheit wahrzunehmen. »Wir leben über unsere Grenzen. Die planetarischen Grenzen werden nicht annähernd geachtet. Wir überziehen ständig den Kredit, den die Erde gibt«, klagte der Klimaforscher Wolfgang Lucht bei der Ökumenischen Konferenz »Hoffnung für die Erde leben« vor zwei Wochen in Dresden und verweist darauf, dass derzeit sechs von neun planetarischen Grenzen überschritten werden und so ein Großteil der Ökosysteme gefährlich instabil sei. Doch es herrsche eine große Verdrängung in Bezug auf die Folgen der permanenten Wachstumswirtschaften. Obwohl klar sei, dass es auf einem endlichen Planeten kein unbegrenztes Wachstum möglich sei und ein »Weiter so« nicht funktioniere, werde der gewaltigen Dynamik des »Immer mehr« politisch nicht Einhalt geboten. Die gängigen Lösungsansätze folgten immer noch dem alten Muster der Wachstumslogik: Die Technik solle grün werden. »Doch die Technik wird es nicht richten«, so Lucht. Denn die ökologische Optimierung der Technik habe Grenzen, da der Stoffdurchsatz nicht unbegrenzt gesteigert werden könne. Es müsse ein grundlegender Wandel erfolgen: Weg vom Streben nach »Immer mehr« und hin zu einer »Ethik des Genug«. Wachstum sei zwar zentral in der Natur, aber nicht unkontrolliertes Wachstum, so Lucht. Die zentrale Frage sei, wie wir wieder in eine lebendige und lebenserhaltende Beziehung zur Schöpfung gelangen. Dazu gehöre es, die Natur nicht länger als Ressource zu betrachten und ihr in Gestalt einer Herrschaftsbeziehung gegenüberzutreten. »Wir müssen diese totalitäre Machtstruktur überwinden zugunsten eines beziehungsorientierten Verhältnisses.« Zentral seien nachhaltige Lebensweisen, das Erlernen und Beachten von Begrenzungen und eine »Strategie des Genug«.
Ein Beispiel für einen solchen Weg gab bei der Ökumenischen Konferenz in Dresden Martin Klotz Woock von der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Wulfshagener Hütten bei Kiel. Hier leben und arbeiten 40 Menschen in bescheidener und nachhaltiger Weise zusammen. Gemeinsam betreiben sie eine kleine solidarische Landwirtschaft und stellen Holzspielzeug für Kindergärten her, an denen die Kinder den aufrechten Gang üben können. »Wir wollen mit unserer Lebensgemeinschaft zeigen: Es geht auch anders. Gutes Leben ist auch jenseits der Orientierung an immer mehr Wachstum möglich.« Sie tragen Second-Hand-Kleider und teilen den gemeinsamen Verdienst. So kann jede Person von etwa 900 Euro pro Monat leben. »Davon ist ein bescheidenes, aber würdevolles Leben möglich«, so Klotz Woock.
Für den Theologen Walter Lechner, Initiator der Initiative »anders wachsen« und Referent bei der EKD-Zukunftswerkstatt »midi«, sind solche Lebensversuche wegweisend. »Diese Modelle können Appetit machen für eine andere Gesellschaft und zeigen, dass es auch anders geht, damit die Menschen die Angst davor verlieren, dass nach einem Ende des Wachstums die Katastrophe ausbricht.« Vielmehr könne erkannt werden, dass ein Leben, das sich am »Genug« orientiert, schön sein könne. Denn der Verzicht auf Materielles könne zu mehr Zeit für die Familie oder die Selbstentfaltung führen. Es müssten jene Räume in den Blick kommen, in denen wir unendlich wachsen können und es müsste jenes Wachstum enden, das zerstörerisch ist, so Lechner.
Die Kirche könnte hierfür ein idealer Raum sein. Allerdings sei sie in einer »unheiligen Allianz« mit dem auf Wachstum gründenden Wirtschaftssystem gefangen, so Lechner: Je besser die Konjunktur, desto höher das Kirchensteueraufkommen. Auf diese Weise sei man mit verstrickt in die Wachstumslogik: »Wir sind Komplizen dieses Systems.« Stattdessen sei aber ein Ausstieg aus diesem System nötig. »Wir müssen uns zu einem anderen System zwingen«, betonte Lechner. Die Politik des Genug (»Suffizienz«) werde zwangsläufig kommen. Die Frage sei nur, ob wir sie lernen durch die Katastrophe oder durch ein bewusstes und vorbeugendes Gestalten.
Für den Weg in diese »Postwachstums-Gesellschaft« könne die Kirche Wesentliches beitragen, betonte Bischöfin Dagmar Winter (Church of England) in Dresden. Das Fasten, der Sabbat oder das Erlassjahr seien Schätze aus der jüdisch-christlichen Tradition, die wiederentdeckt werden sollten. Und auch die Warnung davor, dem Mammon zu dienen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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