Letzte Ruhe soll grünen
Kirche und Friedhof: Die kirchlichen Friedhöfe in Sachsen werden zunehmend zentral verwaltet. Spitzenreiter ist das Oschatzer Land. Neben einheitlicheren Regeln birgt es die Chance auf mehr Natur.Die letzte Ruhe muss für Guido Fleischer grün sein. Den Weg zur Auferstehung könnte eine Blüh- und Bienenwiese säumen oder viele Bäume. »Ich will Friedhöfe naturnah, mit Parkcharakter«, sagt der Friedhofsverwalter der Kirchgemeinde Oschatzer Land. Zugleich seien es Orte der barrierefreien Begegnung, der inneren Einkehr und Ruhe. »Aber ich bin kein Freund von Waldbestattungen.«
Letzteres würde seiner Arbeitsgrundlage nur noch mehr schaden. Schließlich sind die Friedhöfe gerade in ländlichen Räumen ohnehin schon an der Finanzierungsgrenze. Über 1000 Friedhöfe sind in Sachsen in Trägerschaft von Kirchgemeinden, Kirchspielen oder Friedhofsverbänden. Ganze 44 davon hält Guido Fleischer seit zwei Jahren unter seiner Leitung. Deshalb müsste der 47-jährige Vater von sechs Kindern normalerweise viel hinter seinem Schreibtisch in der Friedhofsverwaltung in Wermsdorf sitzen. Doch häufig ist er auf einem seiner zahlreichen Friedhöfe im Oschatzer Land unterwegs, um Beerdigungen oder andere Friedhofsarbeiten zu besprechen.
In der Sommerhitze nimmt Guido Fleischer auch selbst den Bewässerungsschlauch in die Hand. Damit begießt er auf den Gräbern die »Wechselbepflanzung« und die »Dauerbegrünung«, wie es der gelernte Friedhofsgärtner nennt. Der sonnengebräunte Verwaltungsleiter ist eher ein Mann des Handwerks statt der Schreibarbeit – das sagt er auch selbst. Er trägt Arbeitsschuhe und Arbeitshosen, die sichtbar schwer im Einsatz waren, ein aufgeknöpftes blaues T-Shirt, ein Basecap auf dem Kopf und einen breiten rot-grauen Kinnbart. Kaum, dass die Pflanzen auf zwei Grabstellen in der Sommerhitze Wasser erhaschen konnten, da klingelt schon wieder das Mobiltelefon: Guido Fleischer erhält einen neuen Termin für eine Beerdigung.
6724 Grabstellen hatten seine 44 Friedhöfe Ende vergangenen Jahres. Etwa genauso viele Gemeindeglieder zählt die Kirchgemeinde Oschatzer Land. Im Jahr 2020 hatte sie sich aus 27 Kirchgemeinden, die früher mal den Kirchenbezirk Oschatz bildeten, zu einer einzigen Gemeinde vereinigt. Vor dieser Fusion sei an einen Friedhofsverband zur Verwaltung der vielen vor allem kleinen Friedhöfe gedacht worden, sagt Guido Fleischer. Doch mit der Vereinigung wurde eine zentrale Friedhofsverwaltung geschaffen, die er mit Sitz in Wermsdorf leitet. Dadurch sind die Mitarbeitenden vor allem telefonisch viel besser zu erreichen, nämlich von Montag bis Freitag.
Im Zuge der Kooperation und Zusammenlegung von Kirchgemeinden durch die sogenannte Strukturreform seien in der gesamten Landeskirche schon einige zentrale Friedhofsverwaltungen geschaffen worden, sagt Holger Enke. Der Referent für Friedhofsangelegenheiten im Landeskirchenamt kann dafür aber keine Zahlen nennen. Guido Fleischer weiß jedoch: »Wir sind mit 44 Friedhöfen schon ein Ausreißer in Sachsen.« Der Leiter der Friedhofsverwaltung arbeitet zusammen mit Regina Standke und Sylvia Däbritz im Obergeschoss des Pfarrhauses. Die beiden Frauen halten dem Chef den Rücken frei, damit er sich Personalangelegenheiten, Fragen zur Friedhofsnutzung oder einer neuen einheitlichen Friedhofsgebührenordnung widmen kann. Letztere ist 2021 schon in Kraft getreten. Dadurch hätten sich die Beiträge pro Grabstätte teilweise mehr als verdoppelt, rechnet der Verwaltungsleiter vor. Auch eine einheitliche Friedhofsordnung sei noch in Planung, sagt Guido Fleischer, und Konzeptionen zur Entwicklung der Friedhöfe müssten ebenfalls aufgestellt werden. 18,6 Hektar Fläche hätten die Friedhöfe insgesamt, von etwa 1200 Quadratmetern in Wellerswalde und Zöschau bis zu 1,9 Hektar in Mügeln. Jeder Friedhof sei anders, betont Guido Fleischer, der im vergangenen Jahr rund 400 Bestattungen zählte. Und abgesehen vom städtischen Friedhof Oschatz gebe es in allen anderen Orten auch keine »Konkurrenz« für die kirchlichen Friedhöfe, sie seien »Monopolfriedhöfe«, sagt Guido Fleischer.
Neun weitere Mitarbeiter seien auf den Friedhöfen unterwegs, um zu gießen, pflanzen, verschneiden, Gräber auszuheben und zu schließen und vieles mehr. Guido Fleischer ist mit all dem aufgewachsen, denn schon sein Großvater habe auf dem Friedhof gearbeitet, erzählt er. Als er vor 26 Jahren aufhörte, konnte der Enkel in die Fußstapfen treten. »Ich bin sehr naturverbunden«, sagt er. Und das solle sich in der Gestaltung der Friedhöfe auch widerspiegeln. »Ich möchte gern mindestens zwei Drittel der Grabstellen bepflanzt haben«, zeigt er über den Wermsdorfer Friedhof. »Mein Ziel ist eine Komplett-Bepflanzung«, sagt er und will künftig dafür auch noch mehr Grabpflegearbeiten anbieten. Denn die letzte Ruhe soll grün sein – auf allen seinen Friedhöfen.
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