Mächtig jung
Jugend und Synode: Theologiestudentin Theresa Lange ist Rettungsschwimmerin. Jetzt ist die 21-jährige Sächsin für ihre Kirche ins kalte Wasser gesprungen und arbeitet im Präsidium der VELKD-Synode.Theresa Lange wartet auf den Fotografen und den Reporter in Leipzig-Reudnitz, vor ihrer Haustür. Der Regen hat gerade aufgehört und sie will für das Gespräch einen Platz im Park suchen. Mit forschem Schritt steuert die 21-Jährige zielgerichtet durch Nebenstraßen ins Grüne. Seit 2019 studiert die junge Frau mit den langen, lockigen Haaren an der Universität Theologie. Anders als viele ihrer Mitstudierenden, die auch ins Pfarramt wollen, wohnt sie nicht im Evangelischen Studienhaus, nicht in einer der großen Wohngemeinschaften. »Ich brauche auch mal meine Ruhe«, lächelt sie.
Die ruhelosen, aufregenden Tage der Synoden der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) liegen gerade eine Woche hinter ihr. Ihre Eindrücke und Erfahrungen der Online-Tagungen, die so viele Jungsynodale wie nie zuvor versammelte, teilt sie gern. »Ich durfte als jüngstes Mitglied der VELKD-Synode sogar vor Ort in Hannover sein«, sagt sie begeistert. Bis zur Wahl des neuen Präsidiums gehörte sie zum dreiköpfigen Leitungsteam, neben dem Synodenältesten sowie dem Leitenden Bischof der VELKD. Und schließlich wurde sie noch ins fünfköpfige Präsidium gewählt. »Das bedeutet viel Arbeit und viel Verantwortung«, sagt sie. Ihren Nebenjob im Logistikzentrum am Flughafen werde sie deshalb aus Zeitgründen aufgeben, bedauert sie. »Die Arbeit im Präsidium bedeutet aber auch Macht, denn das Präsidium setzt Themen für die Synodentagungen.«
Regen setzt wieder ein. Im Schutze einer Brücke setzt sich Theresa Lange auf eine Bank. Nun öffnet die Jungsynodale ihren Themenkoffer, den sie für die Synodenarbeit im Kopf hat: »Wir müssen das Ehrenamt stärken«, beginnt die Studentin mit einem Anliegen, das auch die Jugendarbeit betrifft. Neben Dankbarkeit gegenüber den Ehrenamtlichen gehe es um Verteilung von Ehrenämtern auf verschiedene Schultern. »Hauptberufliche sollten einen Blick für die Begabungen von Menschen haben und diese mit einbeziehen«, meint Theresa Lange. Zwar sei sie froh, dass es neuerdings Plätze für Jugendvertreter vom Kirchenvorstand bis zur Landessynode gibt. Aber sie hält eine Verkürzung der Amtszeit von sechs auf drei Jahre für sinnvoller – so wie in der kirchlichen Jugendarbeit üblich. »Sechs Jahre sind einfach zu lang«, sagt sie mit Blick auf die vielen Veränderungen in jungen Jahren.
Vor sechs Jahren wohnte Theresa Lange noch bei ihren Eltern im mittelsächsischen Seelitz bei Rochlitz. Sie gestaltete Kindergottesdienste mit, unterstützte die Kinderbibeltage und das Sommerlager für Kinder und sie spielte schon viele Jahre im Flötenkreis. Außerdem begann sie als Rettungsschwimmerin bei der Wasserwacht Rochlitz. »Wir müssen unser Christsein auch außerhalb der kirchlichen Blase leben, etwa in Sportvereinen«, sagt die junge Frau. Sie meine damit nicht, gleich mit der Bibel zu kommen, betont sie. Es gehe um Beziehungsarbeit und authentisches Vorleben des christlichen Glaubens.
Nach dem Abitur 2018 verließ sie das Elternhaus, zog nach Grimma, für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der dortigen Kirchgemeinde. Bis dahin sei ihr Berufswunsch Medizinerin gewesen, erzählt sie. Danach wollte sie Pfarrerin werden. Nun begann sie auch in den Gremien der kirchlichen Jugendarbeit bis auf Landesebene durchzustarten.
»Das Pfarramt ist einer der genialsten Berufe, die ich mir vorstellen kann«, sagt die Theologiestudentin. Gleichzeitig müsse über Veränderungen im Pfarramt diskutiert werden, etwa das Verhältnis von Beruf und Familie sowie das Rollenbild des Partners der Pfarrperson. »Der Pfarrberuf muss auch attraktiv für junge Berufsanfängerinnen sein«, so Theresa Lange. In der Ausbildung brauche es eine gute Begleitung der Studenten. Der Rückzug der Landeskirche von der Pfarrstelle im Evangelischen Studienhaus sei dafür kein gutes Zeichen, meint sie.
Damit kommt sie schon zum nächsten Thema, nämlich den Übergang der Jugendlichen in die Berufswelt. Sie selbst sei in keiner Kirchgemeinde in Leipzig bislang heimisch geworden und wieder in ihrer Heimatgemeinde in Seelitz gemeldet. Zwar sei sie manchmal in der Jugendgruppe »Entschieden für Christus«, zum Sonntagsgottesdienst auch mal in der Thomaskirche wegen der Kirchenmusik oder für spannende theologische Fragen beim Theokreis, der Theologiestudenten begleitet. Aber an dieser Schwelle von der Schule zum Beruf sehe sie Handlungs- und Begleitungsbedarf.
Beim Thema Gottesdienste müsse es mehr Lebendigkeit und Vielfalt gerade für junge Menschen geben, findet die 21-Jährige. Corona und die Videoaufzeichnungen hätten häufig zu einer Reduzierung auf die Predigerperson geführt. Es brauche auch Zeugnisse von Gemeindegliedern und musikalisch auch mal mehr als die Orgel. »Besonders viele junge Menschen zieht es in hippe Freikirchen, wo die Musik mehr ihrem Musikgeschmack entspricht«, hat sie festgestellt.
Im Themenkoffer von Theresa Lange warten noch viele weitere Aufgaben wie Digitalisierung und Schöpfungsbewahrung. Doch als nach zwei Stunden die Sonne wieder scheint, bekommt der Fotograf ihre volle Aufmerksamkeit. Es war ihr erstes Gespräch mit der Presse, sagt sie. Wie es scheint, kommt die Rettungsschwimmerin auch in unbekannten Gewässern gut zurecht.
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