Mut zum Träumen
Die Leipziger Pfarrerin Ines Schmidt tritt nach bewegtem Berufsleben in den RuhestandAm 28. März wird Pfarrerin Ines Schmidt in Leipzig-Leutzsch in den Ruhestand verabschiedet. Die meiste Zeit ihrer 35 Dienstjahre war sie jedoch in Dölzig und umliegenden Orten tätig. »Mit Ihnen erhält die Gemeinde eine letzte Chance«, hatte Superintendent Johannes Richter 1986 zu der 28-jährigen angehenden Pfarrerin gesagt. »Die Pfarrer sind mir zu schade, als dass sie in diesem ›roten‹ Arbeiterdorf verheizt werden.«
Das rote Dorf war Dölzig bei Leipzig. Aber es ging nicht schief. Ines Schmidt kam und blieb viele Jahre. »Mir war es wichtig, jeweils dort, wo ich hingestellt wurde, den Dienst an den Menschen zu tun: genau hinzuschauen, wer diese Menschen sind und mich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die dort gerade zu lösen sind.« In Dölzig kämpfte sie mit Kirchenvorstand und Dorf erfolgreich für sauberes Wasser und saubere Luft in einer Region, wo zu DDR-Zeiten LKWs ihre giftige Fracht abkippten und die Folgen niemanden zu interessieren schien, wie sich Ines Schmidt erinnert. Ihr Motto: »Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen.« Der Weg des geringsten Widerstands war nie etwas für Ines Schmidt.
2018 wechselte sie zur Laurentius-Gemeinde in Leipzig-Leutzsch. In den vergangenen zehn Jahren war sie auch Seelsorgerin für den Flughafen Leipzig-Schkeuditz. Zu ihren Aufgaben gehörten hier die seelsorgereiche Betreuung von Familien, deren Angehörige in einem Sommerurlaub überraschend gestorben waren, wie eine Familie, die ein Kind durch einen schrecklichen Badeunfall verlor.
Im Flughafen hielt sie Andachten für christliche Reisegruppen, gestaltete oder organisierte Foto-Ausstellungen zu biblischen Themen, die sie so aufbereitete, »dass sie für Leute, die mit Kirche nichts zu tun haben und die sich auf dem Flughafen langweilen, interessant sein könnten«, wie sie sagt.
Über die Jahre waren die Menschen, zu denen sie gestellt war, nicht nur Bewohner in Leipzig und Umgebung, sondern auch US-Soldaten auf dem Heimweg aus Kriegsgebieten. Zu ihrer Seelsorge am Flughafen gehörte auch die Präsenz bei der Abschiebung von abgelehnten und in vielen Fällen straffällig gewordenen Asylbewerbern sowie der intensive Kontakt zur Bundespolizei im Rahmen der Abschiebungen. Bis 2003 ging sie über sieben Jahre verteilt jeweils für mehrere Monate nach Namibia, um dort als Pfarrerin in der deutschen evangelischen Gemeinde zu arbeiten.
Geboren wurde Ines Schmidt 1958 in eine nicht-kirchliche Familie. Über einen Mitschüler bekam sie als Jugendliche Anschluss an die Gemeinde Marienbrunn in Leipzig. Das christliche Menschenbild zog sie sehr an, anders als das sozialistische. Nach der Schule kamen erst einmal die Berufsausbildung in der Garten- und Landschaftsgestaltung, das weiterführende Studium brach sie jedoch ab. »Ich war nicht rot genug und merkte schnell, dass das nichts für mich war.« Sie wollte lieber für die Kirche arbeiten. Hans Jochen Genthe vom Predigerseminar in Erfurt, den sie aus der Studentengemeinde kannte, riet ihr zum Theologiestudium. Hierzu legte sie eine Sonderreifeprüfung ab und ging nach Leipzig an die Uni. »Ich wollte bewusst an einer staatlichen Universität studieren. Ich dachte: Wenn du mit den Menschen leben willst, musst du auch mitkriegen, wie das wirkliche Leben aussieht.«
Vor zweieinhalb Jahren wurde die streitbare Problemlöserin angefragt, die Gemeinde in Leutzsch zu übernehmen – eine Gemeinde mit »vielen innergemeindlichen Problemen« sowie mit kräftezehrenden Herausforderungen im Bau und im Kindergarten. »Im Rückblick kann ich sagen: Trotz aller schwierigen und manchmal auch dunklen Momente war es für mich eine schöne Zeit in Leutzsch«, schreibt die scheidende Pfarrerin zum Abschied im Gemeindeblatt. »Ich habe unwahrscheinlich viele engagierte Menschen getroffen und bin dafür sehr dankbar«, sagt sie im Interview. Was ihr die ganzen Jahre auch genützt habe, waren ihre Erfahrungen im Leistungssport, denn zu DDR-Zeiten war sie auch Schwimmerin: »Das hat mir geholfen, die Zähne zusammenzubeißen.«
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