Es war Mord
Den Völkermord an den christlichen Armeniern will der Bundestag nach langem Zögern auch als Völkermord bezeichnen. Die Türkei wird das ärgern.Es ist ein Wort nur, das weltpolitische Wellen schlagen kann: Völkermord. Weil es die Dresdner Sinfoniker für ein Konzertprojekt verwenden, das an den gewaltsamen Tod von schätzungsweise über einer Million armenischer Christen vor 100 Jahren erinnern soll, intervenierte die Türkei im April bei der EU. So wenig ist dieses Verbrechen Vergangenheit.
Zwar haben schon vor einem Jahr Bundestagsabgeordnete aller Parteien und Bundespräsident Joachim Gauck von Völkermord gesprochen. Doch als das Parlament im Februar einen Antrag der Grünen behandelte, der in Ansprache mit CDU und SPD genau dies noch einmal klar aussprechen sollte, zuckte die Große Koalition zurück. Denn der EU-Türkei-Gipfel zur Eindämmung des Flüchtlingszustromes stand bevor.
Auch er stelle den Völkermord nicht in Frage, sagte damals der Pirnaer Abgeordnete Klaus Brähmig für seine CDU-Fraktion, aber man dürfe die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise nicht aufgeben. Ein gemeinsamer Antrag zum damaligen Zeitpunkt könnte zu einem »Türkei-kritischen Signal hochstilisiert« werden, fürchtete er. Drei Monate später stehen die Dinge offenbar anders.
Am 2. Juni werden CDU, SPD und Grüne eine gemeinsame Resolution in den Bundestag einbringen, die den »Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten« schon im Titel trägt – und einstige Skeptiker wie Klaus Brähmig werden zustimmen. »Man kann Völker, die eine historische Schuld auf sich geladen haben, nur einladen, sich selber von der Last zu befreien. Druck von außen wird eher zur inneren Abschottung führen«, sagt der Pirnaer Abgeordnete. Die heutige türkische Regierung sei nicht verantwortlich für den Völkermord. »Sie kann aber dafür Sorge tragen, dass eine unrühmliche Vergangenheit in eine gute Zukunft gewendet werden kann.«
Für den Dresdner CDU-Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz ist eine Bundestagserklärung zum Völkermord an den Armeniern längst «überfällig«. Er glaubt wie andere Abgeordnete, dass sie diesmal mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen wird. »Wenn wir aus Angst vor einer diplomatischen Eiszeit handeln, dann sind wir erpressbar«, sagt der frühere Bürgerrechtler. »Es ist das souveräne Recht jedes demokratischen Parlaments historische Sachverhalte so zu bewerten, wie es das für richtig hält.«
Dass es Ärger geben wird mit der Türkei, steht schon jetzt fest. Auch in großen Teilen der türkischen Bevölkerung und unter vielen Deutsch-Türken werde eine solche Resolution kritisch betrachtet, sagt die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering, Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, dem Sonntag. »Ich persönlich glaube, dass es mit einer solchen Resolution nicht getan ist. Versöhnung braucht die Bereitschaft der Menschen.« Dem soll die Resolution dienen, indem sie zur Aussöhnung und zu konkreten Projekten der Aufarbeitung aufruft. »Als deutsche Parlamentarier können wir bitten, auffordern, mehr nicht«, sagt die SPD-Politikerin. »Deswegen müssen wir diesen Prozess mit Bedacht unterstützen, den Frieden betonen, nicht den Zwist.«
Ihre SPD-Fraktionskollegin Kerstin Griese erinnert an die deutsche Mitschuld beim Völkermord an den Armeniern und anderen Christen im Osmanischen Reich. »Die Akten des Auswärtigen Amtes beweisen, dass Deutschland über die Massaker Bescheid wusste und seine schützende Hand über den Verbündeten gehalten hat«, sagt die Politikerin, die im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland sitzt, dem Sonntag. »Mir geht es darum, der deutschen Mitverantwortung gerecht zu werden, und nicht um einen erhobenen Zeigefinger der türkischen Regierung gegenüber.«
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