Das andere evangelisch
Reformiert: In Leipzig trifft sich die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen – mitten im Luther-Land. Wie ist es, hier reformiert zu sein? Und wo liegt der Unterschied zum Luthertum?Als evangelisches Kind gehörte ich zu einer Minderheit. Die Gegend am Niederrhein, wo ich aufgewachsen bin, ist bis heute stark katholisch geprägt. Der Kirchturm der evangelischen Kirche, in der ich konfirmiert wurde, Kindergottesdienst und Jugendarbeit erlebte, ist gerade mal halb so hoch wie der der katholischen Kirche, der in der flachen Landschaft weithin sichtbar ist. Im späten 16. Jahrhundert fanden hier, im Herzogtum Kleve, niederländische Reformierte Zuflucht und Glaubensfreiheit, die sie in den spanisch beherrschten Niederlanden nicht hatten. Sie gründeten die Gemeinde, in der 400 Jahre danach mein Vater Pfarrer war. Evangelisch zu sein, das hat was mit der Reformation und Martin Luther zu tun, lernte ich als Kind. Im Lauf der Jahre merkte ich, dass »evangelisch« nicht einfach »nicht katholisch« hieß, sondern unterschiedliche Ausprägungen annehmen konnte: andere Liturgien, als ich sie kannte – und evangelische Kirchen, die anders aussahen als die heimatliche, die keine Bilder und kein Kreuz beherbergt. Als Jugendliche und später als Studentin lernte ich auch die Begegnung mit Christen aus aller Welt kennen und schätzen, und das Engagement von Kirchen gegen Rassismus, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung.
Nach einem Umzug überzeugte mich ein Kollege, mich gezielt der evangelisch-reformierten Gemeinde in der neuen Heimat anzuschließen. Und so machte ich es auch, als ich einige Jahre später nach Leipzig kam. Seit 1998 gehöre ich zur Evangelisch Reformierten Kirche zu Leipzig, singe im Chor und gehöre zum Konsistorium (also der Gemeindeleitung). Auch diese Gemeinde wurde von Glaubensflüchtlingen gegründet: Von Hugenotten, die um 1700 vor Ludwig XIV aus Frankreich flohen. Jahrhunderte lang war sie selbständig – erst in den 1990er Jahren schloss sie sich der evangelisch-reformierten Landeskirche mit Sitz im ostfriesischen Leer an.
Das ist ein Punkt, der mir gefällt: die Eigenständigkeit der Gemeinden, eine Leitungsstruktur, die nicht hierarchisch ist, sondern sich aus dem Gemeinden heraus aufbaut und auf die Mitverantwortung aller Gemeindeglieder setzt. Und ich erlebe in unserer Gemeinde eine große Offenheit. Die Zeit der Friedlichen Revolution in der DDR habe ich hier nicht miterlebt – doch ich freue mich, zu einer Gemeinde zu gehören, die ihre Räume für Umwelt- und Oppositionsgruppen öffnete und als zweite nach der Nikolaikirche Friedensgebete anbot.
Wieder gehöre ich als evangelische Christin zu einer Minderheit – jetzt nicht im katholischen Umfeld, sondern im weitgehend säkularisierten. Umso wichtiger finde ich die lebendige ökumenische Zusammenarbeit in Leipzig und in Sachsen: Ob voriges Jahr zum Katholikentag, neulich zum Kirchentag oder jetzt bei der Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in Leipzig: Die Kirchen und Gemeinden unterstützen und helfen sich. Unterschiedliche Auffassungen in manchen Fragen von Theologie und Kirchenverständnis werden nicht übertüncht – aber sie führen selten zum Streit. Uns verbindet viel mehr, als uns trennt.
So erlebe ich es auch in meiner Arbeit als evangelische Kirchenredakteurin im Privatradio: Hier spreche ich viel mit Interviewpartnern in lutherischen Gemeinden, und ich arbeite eng und freundschaftlich mit meinem katholischen Kollegen zusammen.
Vielen Kirchen in Leipzig und in Sachsen, vielen Lutheranern, Reformierten, Katholiken, fühle ich mich beruflich und persönlich verbunden. Und ich hoffe, mit dem Besuch von reformierten Christen aus aller Welt entstehen in diesen Tagen viele neue Ideen und Verbindungen.
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