Gen-Schere als Gott-Werkzeug?
Medizin und Ethik: Wie Chirurgen können Biologen und Ärzte mit einer neuen Technologie in Gene eingreifen – sie hoffen auf Heilung von Krebs, Aids und Erbkrankheiten. Doch es gibt auch eine Versuchung.Hoffnungen und Ängste liegen manchmal nahe beieinander. Manchmal sind sie sogar auf so engem Raum verbunden wie in einem Gen. Gerade diese kleinsten Baupläne des Lebens sorgen für große gesellschaftliche Diskussionen. Entfacht wurden sie in letzter Zeit vor allem durch ein neues Wunderwerkzeug: eine Gen-Schere namens Crispr/Cas.
Mit ihr wollen Forscher kaputte Gene reparieren. Die Hoffnung: Erbkrankheiten, Krebs und Aids wirksam und günstig heilen zu können. Erst vor fünf Jahren hatten die beiden Biologinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna das Verfahren bei Bakterien abgeschaut, die zielgenau die DNA von gefährlichen Viren zerstören können.
Doch Kritiker fürchten in Anspielung auf die zerstörerischen Folgen der Atom-Physik jetzt einen »nuklearen Moment« der Lebenswissenschaften. Manche sprechen gar von einem »Gott-Werkzeug«. Schwingt sich der Mensch mit der Gen-Schere selbst zum Schöpfer auf?
Das sei ein »merkwürdiger Gottesbegriff« und die Debatte über neue wissenschaftliche Möglichkeiten werde damit nur »religiös gesteigert«, kritisierte der frühere EKD-Ratsvorsitzende und Bischof Wolfgang Huber vor dem Deutschen Ethikrat. »Allen heilenden Eingriffen ist gemeinsam, dass sie planmäßige Interventionen sind, die nicht einfach der Natur ihren Lauf lassen«. Ethik ist für den früheren Professor Huber: das nüchterne, kritische Abwägen der Chancen und Risiken. Denn ausschließlich gut ist der Fortschritt ebenso wenig wie es die Schöpfung ist.
Die Folgen des Einsatzes der Gen-Schere sind tatsächlich noch nicht zu überblicken. Gibt es etwa unbeabsichtige Nebenwirkungen beim Ausschalten eines Gens? Eine Manipulation des Erbgutes einer Malaria übertragenden Mückenart etwa könnte diese ausrotten – doch das wäre ein massiver Eingriff in die Natur, gibt der Vorsitzende des Ethikrates, der Erlanger Theologieprofessor Peter Dabrock zu bedenken. »Auf der anderen Seite stehen Hunderttausende von Toten und Millionen von Erkrankten, die Malaria noch immer als Opfer fordert.«
Noch schwerer wiegen die Fragen, wenn es um Menschen-Gene geht. Umstritten ist vor allem der Einsatz der Gen-Schere in Keimzellen von werdenden Eltern oder gar an Embryonen. Denn die Folgen würden sich vererben, die Risiken sind unbekannt. Kritiker fürchten »Designer-Babys«, bei denen Eltern Haarfarbe, Größe und Talente vorherbestimmen wollen – in Deutschland ist dies durch ein Embryonenschutzgesetz verboten. Viele deutsche Theologen und Politiker sehen hier eine rote Linie, einige fordern deshalb eine befristete Einstellung dieser Forschungen. In China und Großbritannien dagegen wird längst mit der Gen-Schere an der Bekämpfung von Erbrankheiten bei – bisher nicht lebensfähigen – Embryonen gearbeitet.
Der Molekularbiologe Jens Reich weist darauf hin, dass eine solche Heilung »in jedem dieser Fälle für die Patienten und ihre Angehörigen eine glückliche Wendung des Lebensschicksals« wäre. Mehr noch: Der Eingriff an Genen könne auch dem Ziel einer Chancengerechtigkeit dienen. »Ist doch die große Verschiedenheit von körperlichen wie geistigen Erbanlagen zwischen den Menschen eine wesentliche Mitursache, dass die einen das Beste aus den Lebenschancen machen können, während die anderen von Geburt an benachteiligt sind«, schreibt Reich in einem Aufsatz.
Doch wo ist die Grenze zwischen der Vermeidung von Leid und der Vermehrung von Glück – zwischen Therapie und Perfektion? Sie muss klar gezogen werden, fordert der frühere EKD-Ratsvorsitzende Huber.
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