Um das Alter der Himmelscheibe von Nebra ist wissenschaftlicher Streit entbrannt. Die am Donnerstag in der Zeitschrift "Archäologische Informationen" postulierte These, dass das bisher in die frühe Bronzezeit (um 1600 v. Chr.) datierte Artefakt erst 1.000 Jahre später in der Eisenzeit entstand, wurde vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Halle entschieden zurückgewiesen. Die Autoren des Artikels ignorierten nicht nur die Fülle an publizierten Forschungsergebnissen der vergangenen Jahre, ihre Argumente seien auch leicht zu widerlegen, sagte der stellvertretende Landesarchäologe Alfred Reichenberger.
Die kleine Bronzeplatte mit goldenem Mond und Sternen wurde 1999 bei Raubgrabungen gefunden, nach Angaben der Raubgräber zusammen mit bronzezeitlichen Schwertern, Beilen und Armschmuck. Das Alter der Himmelsscheibe wurde danach auf mehr als 3.600 Jahre datiert. Seit 2013 zählt sie zum Unesco-Weltdokumentenerbe. Die Autoren des Artikels, Rupert Gebhard von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Rüdiger Krause von der Goethe-Universität Frankfurt, zweifeln neben dem Alter auch am Fundort auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt. Aus ihrer Sicht handelt es sich beim Mittelberg "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nicht um die Fundstelle der Raubgräber.
Zudem gebe es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die bronzezeitlichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammengehöriges Ensemble bilden. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass sich die Scheibe nicht zusammen mit den anderen Objekten in originaler Lage im Grabungsloch befunden habe.
Stilistisch und kulturell lasse sich die Himmelsscheibe nicht in die frühbronzezeitliche Motivwelt des beginnenden zweiten Jahrtausends vor Christus einfügen, fügten die Wissenschaftler hinzu. Deutlichere Bezüge ließen sich aber zur Motivwelt der Eisenzeit herstellen. Die Annahme, die Himmelsscheibe passe nicht mit den übrigen Funden des Ensembles zusammen, sei falsch, hielt Reichenberger ihnen entgegen. Er verwies unter anderem auf ein für das Landgericht Halle erstelltes Gutachten, nach dem eine Herkunft sowohl der Erdanhaftungen an der Scheibe als auch am Schwert sehr wahrscheinlich aus der Nähe des Mittelberges stammten. Zudem belegten metallurgische Untersuchungen, dass das Kupfer aller Teile des Hortes aus derselben Lagerstätte - dem Mitterberg im Salzburger Land - stammten. Dort sei die Kupferproduktion aber zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. beendet worden, erklärte der Wissenschaftler aus Halle.
Analysen von keltischen, also eisenzeitlichen Kupferlegierungen zeigten laut eines weiteren Gutachtens ganz andere Zusammensetzungen sowohl der Hauptbestandteile als auch der Spurenelemente und Bleiisotopenverhältnisse. Damit scheidet für Reichenberger aus metallurgischer Sicht eine Datierung der Himmelsscheibe in die Eisenzeit klar aus. Ein letztes von Gebhard und Krause bemühtes Argument sei der Hinweis, die Himmelsscheibe von Nebra würde im damaligen Symbolgut als "ein vollkommener Fremdkörper" erscheinen.
Diese Feststellung treffe auf jeden einzigartigen Fund zu. "Die Himmelsscheibe von Nebra wäre in jeder vorgeschichtlichen Periode ein Fremdkörper", erklärte der Forscher.
Information: Publikation: Gebhard, R. & Krause, R. (2020). Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra. Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 3. Sept. 2020 Erwiderung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt: http://u.epd.de/1m2p
Internet: Ausführlichere Informationen auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte https://dguf.de/himmelsscheibe.html www.landesmuseum-vorgeschichte.de
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