Hinaus ins Freie
Pilgern: Der Wert des bewussten Wanderns auf alten Wegen liegt schon Iänger wieder im Trend. Das Pilgern, auch in der näheren Umgebung, kann den Geist klären und Körper und Seele stärken. Genau das, was heute nötig ist. Auch in Sachsen gibt es zahlreiche Wege zu entdecken.Nach der belastenden Pandemie-Zeit geht eine Sehnsucht um: Aufatmen, Sorgen-Loslassen, Losgehen, die Welt mit neuen Augen sehen, Dankbarsein, der gestressten Seele Urlaub gönnen, den Füßen neue Wege geben. All das kann einem die uralte Form des Pilgerns geben. Diese in den letzten Jahren vielerorts wiederentdeckte bewusste Form des Wanderns könnte laut dem Pilgerpastor der Nordkirche, Bernd Lohse, im Spätsommer dieses Jahres einen neuen Boom erleben. Denn die Infrastruktur für Pilgerwanderungen sei »relativ robust«, sagte Lohse dem epd. Viele Betten würden von Kirchengemeinden, Klöstern oder engagierten Privatleuten bereitgestellt. Pilgern werde Lohse zufolge auch im Aufwind bleiben. Denn es gebe ein großes Bedürfnis nach einem klimaneutralen, spirituellen Urlaub.
Und Heike Plaß, Referentin für den Bereich Pilgern bei der Evangelischen Erwachsenenarbeit Münster, wirbt für die Entdeckung des Pilgerns in die nächste Umgebung. »Aus jedem Weg kann man einen Pilgerweg machen«, sagt die Pilgerbegleiter-Ausbilderin der Kirchenzeitung »UK«. Auch, wenn man von der Haustür aus losgeht. »Der Weg predigt. Eine Brücke kann für Übergänge im Leben stehen, eine Wiese kann den Blick in die Weite öffnen und ein Baum an unsere Wurzeln erinnern«, so Plaß. Sie rät, einfach loszugehen und vielleicht eine Bibel oder eine Geschichte mit auf den Weg zu nehmen. »Gehen, beten und schauen, was kommt. Einfach ausprobieren.«
Auch in Sachsen laden zahlreiche, mittlerweile gut ausgebaute und ausgeschilderte Pilgerwege zum spirituellen Wandern ein. Zum Beispiel der 450 Kilometer lange Ökumenische Pilgerweg, der von Görlitz über Bautzen, Kamenz, Großenhain, Wurzen nach Leipzig und dann weiter nach Westen führt – auf den alten Pfaden der mittelalterlichen Handelsstraße Via Regia. Oder die Via Porphyria, die von Geithain durch das Mulden- und Chemnitztal, das Kohrener Land und den Leipziger Südraum führt. Oder der sächsische Jakobsweg entlang der mittelalterlichen Frankenstraße von Bautzen über Dresden, Freiberg, Chemnitz, Zwickau und Plauen nach Hof (Oberfranken). Und schließlich der Lutherweg Sachsen entlang zahlreicher Schlösser, Burgen und Klöster.
Damit das einfache Pilgern durch die Umgebung noch leichter möglich wird, hat die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) eine »Pilgerweg-App« und eine Internetseite eingerichtet. Diese digitalen Hilfsmittel regen dazu an, sieben Wochen lang jeden Tag mindestens 30 Minuten zweckfrei zu gehen. Die Handy-App misst dabei die Wegstrecke. Auch können die Teilnehmer Fotos mit Gedanken als Wegmarke einer »inneren Reise« in der App notieren. Und jeden Tag erhalten die Pilger Impulse zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Die Teilnehmer können sich auch untereinander austauschen. Jedes Wochenende stehe eine digitale Herberge zum Besuch offen, die von Kirchen, Gruppen oder Initiativen gestaltet werde.
Auch der sächsische Landesbischof Tobias Bilz ist ein begeisterter »Geher«, wie er im Vorwort des Büchleins »Von Wegen« mit Pilgergedichten Tobias Petzoldts bekennt. Er hat bereits die Alpen zu Fuß überquert und ist von der spirituellen Dimension des Gehens überzeugt. Das Gehen erinnere daran, dass wir Orientierung benötigen, so Bilz. Christen können sich auf ihren Lebenswegen an den Führungen Gottes orientieren – und an der Bibel, die wie eine »gute alte Karte« oder eine »App«, ein »Draht nach oben« sei.
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