»Die Jahreslosung ermutigt mich!«
Der Leitartikel zum Jahresbeginn von Landesbischof Tobias BilzPrüfungssituation. Ich bin schon oft geprüft worden und habe auch selbst schon geprüft. Wie verschieden fühlt sich das an! Auf der einen Seite will man alles richtig machen und auf keinen Fall versagen, auf der anderen Seite möchte man herausfinden, ob der Kandidat oder die Kandidatin Eignung nachweisen kann.
Die Jahreslosung für 2025 schickt uns alle in einen Prüfprozess. Wir sollen miteinander herausfinden, was gut ist. Es ist bitter nötig, dass wir diese Frage beantworten. Die Prüfungsthemen liegen auf der Hand: Was ist für unsere Kirche gut und für ihren Dienst an den Menschen? Wie begegnen wir den Herausforderungen, vor denen wir stehen, wenn es um die Gestaltung der Arbeit unter erschwerten Bedingungen geht? Was wollen wir festhalten und was gilt es loszulassen? Wofür machen wir uns stark, weil es uns wichtig ist und was wird tatsächlich gebraucht? Wie können wir uns in die großen gesellschaftlichen Gestaltungsprozesse einbringen?
Paulus schreibt an die Gemeinde in Thessaloniki, die noch ganz jung und ungefestigt ist. Es gibt noch keine Regeln für das Gemeindeleben und keine ausgeprägten Traditionen. Sie hatte ihm eine Menge Alltagsfragen nach Athen übermittelt. Weil er selbst nicht kommen kann, schreibt er ihnen. Am Ende des Briefes fasst er zusammen, was besonders wichtig ist. Hier hin gehört unser Leitsatz für das neue Jahr.
Manchmal träume ich davon, wir könnten die Kirche ganz neu aufsetzen, noch einmal zurückkehren in diese Phase des Entstehens. Vieles von dem, was uns heute Kraft und Zeit kostet, scheint nicht mehr recht zu passen. Welche Lebensformen der Kirche eignen sich für unsere Zeit? Wir können nicht zurück an den Anfang des christlichen Glaubens. Trotzdem steht die Frage im Raum: Brauchen wir einen Neustart unter der Führung des Heiligen Geistes?
Jedenfalls war die Gemeinde damals stark darauf angewiesen, direkt vom Geist Gottes geführt zu werden. »Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht.« Das sind die Aufforderungen unmittelbar vor unserem Leitsatz. Sie sind auch der Grund dafür, warum eine Prüfung dessen notwendig ist, was dann an Ideen aufkommt. Die Geister müssen unterschieden werden. Was kommt von Gott und was sind allzu menschliche Ideen? Was öffnet uns für den Willen Gottes, und wie lassen wir es konkret werden für neue Wege der Kirche? Hier sehe ich die deutlichste Herausforderung:
Prüft nicht zuerst, was von der gewachsenen Kirche bleiben soll und was weg kann. Befasst euch vielmehr mit den Impulsen, die Gottes Geist heute gibt. Prüft sie! Schaut, ob etwas Gutes dabei ist. Probiert neue Wege! Haltet Ausschau nach den Möglichkeiten, die sich jetzt ergeben.
Damit kommen wir zum Kern des Ganzen: Wie prüft man angemessen? Und woran erkennt man das Gute? Ich denke, dass es nicht darum geht, ob etwas »richtig« oder »falsch« ist. Wir müssen uns aus der Umklammerung dieses Schwarz-Weiß-Schemas lösen. Stattdessen brauchen wir Gelegenheiten des gemeinsamen Abwägens. Das braucht Zeit und geeignete Formate, Zutrauen in das Wirken des Heiligen Geistes und Freiheit in der Debatte. Das bedeutet auch Verzicht auf Denk- und Wortverbote, Vorurteile und schnelle negative Reaktionen. Ich stelle mir ein echtes und intensives gemeinsames Suchen vor, solange, bis wir das Gute gefunden haben.
Doch woran erkennt man das? Paulus verzichtet auf eine Definition. Er scheint davon auszugehen, dass die Gemeinde mit Gottes Hilfe das schon herausfinden wird. Ich habe freilich eine kleine Sammlung von Prüffragen: Ist das, was wir tun, im Sinne Jesu? Entspricht es der biblischen Grundbotschaft? Wird ein positiver Horizont eröffnet? Fördert die aufkommende Idee die Gemeinschaft? Lassen wir uns vom Gottvertrauen leiten, um einen neuen Weg beschreiten zu können? Gibt es erste konkrete Schritte zur Umsetzung? Paulus jedenfalls vertraut dem konstruktiven Prozess unter der Wirkung des Heiligen Geistes.
Eins möchte er jedenfalls nicht, dass nach der Prüfung alles verworfen wird, vielleicht sogar mit genau dieser Absicht geprüft wird. Das Gute soll heraus-gefunden werden.
Ich merke, dass ich meinen Ausgangspunkt der Prüfungssituation längst verlassen habe. Prüfungsstress steht nicht mehr im Mittelpunkt. Vielmehr sehe ich jetzt eine Gruppe von Menschen vor mir, die gespannt Ausschau nach dem hält, was Gottes Geist im kommenden Jahr unter uns wirken wird. Das Gute wird sich zeigen.
Die Jahreslosung ermutigt mich!
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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