Als die DDR-Kirche endete
Vor 30 Jahren tagte erstmals wieder eine gesamtdeutsche EKD-Synode. Doch wurde das Erbe der DDR-Kirche ausgeschlagen? Vor allem ihr Friedenszeugnis?
Als Richard Schröder an die Reihe kam, wurde es munter. An staatlichen Abschlüssen könne er leider nur mit der DDR-Fahrerlaubnis und der 8. Klasse aufwarten, betonte der Ost-Berliner Theologe auf der ersten gemeinsamen Synode der wiedervereinten EKD am 28. Juni 1991 in Coburg. Wortgewaltig und mit Verweis auf bedeutsame Studien und Examina hatten Vorredner aus dem Westen geglänzt. Die Vorstellung der »Brüder« aus dem Osten rief dagegen Heiterkeit hervor, erinnerte aber auch an die Benachteiligung der Christen durch Staat und Partei. Und sie zeigte völlig unterschiedliche Lebensläufe in Ost und West. Aber diese Unterschiede wurden in Coburg nicht nur in den Biografien deutlich. Auch der Weg der Kirchen, ihr Denken und Wirken hätte in den Jahren der Teilung nicht unterschiedlicher sein können. Für den Vereinigungsprozess war das kein Defizit, sondern ein Reichtum. Für einen Neuanfang auf Augenhöhe hätte er allemal gereicht. Doch das war offenbar nicht gewollt. Stattdessen gab es – ähnlich wie auf der politischen Ebene – den Wiederanschluss der ostdeutschen Landeskirchen an die damals westdeutsche EKD.
Dabei hatten sich viele in Ost wie in West gewünscht, dass von der kirchlichen Wiedervereinigung auch wertvolle Impulse für eine gesamtdeutsche Kirchenreform ausgehen. Doch die ist bekanntlich ausgeblieben. Mit beträchtlichen Folgen bis heute. Für Ruth Misselwitz, die 1988/89 als Delegierte in der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung mitgearbeitet hat, gehört die Friedensfrage entscheidend dazu. »Von Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung, wie wir sie auf den Synoden und auch im Abschlusstext der Ökumenischen Versammlung formuliert haben, keine Spur«, sagt die Pfarrerin und Mitbegründerin des Pankower Friedenskreises. Am deutlichsten sichtbar sei das für sie beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr – ein »Wahnsinn«, wie sie sagt. Die EKD habe weithin geschwiegen – mit Rücksicht auf die Militärseelsorge. »Nichts von unseren friedensethischen Grundgedanken, die wir in der DDR formuliert haben, ist geblieben«, sagt sie nicht ohne Klage.
An die hat dieser Tage immerhin der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms erinnert. »Die evangelischen Kirchen in der früheren DDR haben wichtige Denkanstöße erarbeitet, sie haben aus dem Evangelium heraus konkrete Antworten auf friedensethische Fragestellungen gegeben, und sie haben ein wichtiges Friedenszeugnis abgelegt«, betont er. Das gelte es nicht nur zu bewahren, sondern auch neu zu entdecken. So, wie auch ihr Anteil an der Friedlichen Revolution nicht vergessen werden dürfe.
Doch für Joachim Garstecki, einen der friedensethischen Vordenker der DDR-Kirchen, kommt das 30 Jahre nach der Coburger Synode »eindeutig zu spät«. Man hätte doch sehen können, »dass es im Friedensfundus der evangelischen Kirchen in der DDR Aspekte gibt, die man nicht einfach unter den Tisch fallen lassen sollte«. Doch die EKD habe sich nie wirklich mit den Texten auseinandergesetzt. Grund dafür sei, dass sich die EKD und der DDR-Kirchenbund fast ständig über ihre Positionen in der Friedensdiskussion gestritten hätten. Coburg sei dann der Wendepunkt gewesen. Frei nach dem Motto: Solange es die SED gab, waren die friedensethischen Positionen der Kirchen in der DDR völlig richtig. Doch das ist vorbei. Jetzt herrschen wieder »normale Verhältnisse«. Doch die Friedensarbeit des Kirchenbundes und seiner Landeskirchen in der DDR waren keine Konsequenz der gesellschaftspolitischen Begrenzungen, sondern fußten auf einer eigenen theologischen Einsicht: Die Kirchen verstanden sich als »Zeugnis- und Dienstgemeinschaft für den Frieden« – ein Motto, das heute aktueller ist denn je.
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