Die Weite suchen
Ferienbeginn: Wenn am Wochenende in Sachsen die Schulferien beginnen, atmen nicht nur die Kinder auf. Endlich Urlaub! Dabei kann beim Verreisen auch Gottvertrauen eingeübt werden – wenn wir es wagen, unsere Routinen unterbrechen zu lassen und Neuem zu begegnen.Befrage ich den Duden nach dem Begriff »Urlaub« , so erfahre ich, er kommt aus der höfischen Sprache. Im ursprünglichen Sinn bedeutet er, die »Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen«, die ein Adliger oder eine Dame dem Ritter gewährte, oder auch die Erlaubnis, sich aus dem (Militär-)Dienst zu entfernen. Die Freistellung regelt heute das Arbeitsrecht. Was können wir uns nun also erlauben? Wenn es denn finanziell möglich ist, bleibt für die meisten das Wichtigste, sich tatsächlich zu ent-fernen, auf Reisen zu gehen, möglichst weit weg von zu Hause. Natürlich gibt es dafür auch spirituelle Wurzeln. Sie liegen weit vor der höfischen Zeit. Es ist eine ausgesprochen fromme Art, sich in die Ferne zu begeben – das Pilgern, also das Wandern, »wallfahren« zu einem heiligen Ort. Die Psalmen beinhalten eine ganze Serie von Pilgerpsalmen oder »Wallfahrtsliedern«. Der bekannteste ist sicher der 121. Psalm: »Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?« In diesen alten Gebeten wird deutlich, dass das Reisen in alten Zeiten kein Spaziergang war und alle Annehmlichkeiten unserer Tage vermissen ließ.
Auch das moderne Pilgern mit ausgeschilderten Pilgerwegen, Pilgerführer und Pilgerherbergen ist demgegenüber recht komfortabel. Das Wort »Pilger« geht wohl auf das lateinische Wort »peregrinus« – der Fremde, der Fremdling zurück. Das heißt, ein Pilger war ein Mensch, der durchaus die heimatlichen Gefilde verließ. Pilgernde waren nicht immer und überall gleich willkommen. Vor allem, wenn sie nicht mit genügend Kleingeld ausgestattet waren. Pilger wirkten fremd, weil sie anders gekleidet und nicht immer der Landessprache mächtig waren. So waren sie dem Wohlwollen der Einheimischen ausgeliefert.
Heute reisen wir, um uns zu erholen, um dem Alltag zu entfliehen, um einmal alles zu vergessen, was belastet. Nichts hören und sehen, was an Arbeit erinnert. Für manch eine ist es vielleicht die erste größere Reise seit drei Jahren. Andere reisen, um Neues zu entdecken. Die Unbequemlichkeiten früherer Reisender – längst vergessen. Das Hotelbett ist gebucht, der Stellplatz für das Campingmobil gesichert, die Pauschalreise samt Reiserücktrittsversicherung schon längst geplant. Da geht es den modernen Reisenden gut.
Doch manch eine kann sich eine Reise in diesem Jahr nicht leisten. Ein anderer ist vielleicht in Sorge wegen der politischen Lage. Ist mein Reiseland wirklich sicher? Die nächste befürchtet Einschränkungen durch die steigenden Infektionszahlen. Unser Selbstverständnis, in einem technisch und wissenschaftlich hochentwickelten und sicheren Teil der Welt zu leben, ist erschüttert. Manchen ist die Lust und der Mut zu reisen vergangen. Wer sich aber trotz aller Bedenken auf den Weg macht, kann womöglich gerade in der aktuellen Situation Entdeckungen machen. Wie wird das sein, in diesem Sommer in Osteuropa unterwegs zu sein? Finden wir als Familie eine Reisemöglichkeit mit kleinem Budget? Wie wäre es, nur mit dem Fahrrad unterwegs zu sein?
Die Pilgernden in alter Zeit haben ihre Heimat, ihre kleinen Sicherheiten, ihre Gewohnheiten hinter sich gelassen. Vielleicht tut es auch uns gut, die »Komfortzone« zu verlassen, ein paar Worte in einer fremden Sprache sprechen zu lernen, uns von anderer Kultur und Sitte irritieren und inspirieren zu lassen, ungewohnte Speisen zu kosten, andere Arten zu glauben zu erleben, womöglich mit zu feiern? Vielleicht finden wir dabei neu in die Gebete unserer Glaubensväter und -mütter hinein: »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal fürchte ich kein Unglück« (Ps 23,4) und: »Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat« (Ps 121,2).
Pfarrerin Annette Bärisch ist Leiterin des Hauses der Stille in Grumbach.
Übersicht von Autobahn- und Radwegekirchen in der Landeskirche Sachsens:
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