Frieden wieder lernen
Friedensdekade: Vom 6. bis 16. November besinnen sich viele auf das christliche Friedenszeugnis und beten um Auswege aus der Gewalt. Welche Auswege bietet Jesus?
Wenn nun in vielen Gemeinden wieder intensiv um Frieden gebetet wird, geschieht dies im Angesicht des furchtbaren Krieges in der Ukraine. So ist vor allem Raum zur Klage nötig über so viel Leid und Zerstörung, über so viele Opfer. »Wie liegt die Stadt so wüst, die voll Volks war! (…) Darüber weine ich so, und mein Auge fließt von Tränen«, klagt Jeremia in seinen Klageliedern (1,1.16). Es ist die Klage über die Barbarei des Krieges, die immer wieder wie eine Seuche über die Menschheit fällt. Und man möchte fortfahren mit dem »Weheruf« des Propheten Micha: »Weh denen, die Schaden zu tun trachten und gehen mit bösen Gedanken um auf ihrem Lager, dass sie es frühe, wenn’s licht wird, vollbringen, weil sie die Macht haben!« (Micha 2,1)
Und doch erhebt sich über diesen gewaltsamen Verheerungen die unerhörte Vision vom Anbruch des ewigen Friedensreiches: dass die Völker zur Friedensstadt Zion ziehen, ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und »hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen« (Micha 4,1-3). Der Anbruch dieses so ganz anders gearteten Friedensreiches wird verknüpft mit einem kommenden Friedensbringer aus Bethlehem: »Er wird der Friede sein«, kündigt der Prophet an (Micha 5,1.4). Und er ist gekommen. In jener geweihten Nacht vor über 2000 Jahren – mit dem Ruf der Engel über den Fluren von Bethlehem: »Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens«. Es ist ein anderer Frieden als der, den die Welt gibt. Anders als jener »Frieden« der Machthabenden, der doch eigentlich Krieg ist und auf das Besiegen, Ruinieren, Vernichten des Gegners setzt.
Wenn in diesen Tagen von christlicher Seite wieder nach dem wirklichen Frieden gesucht wird, sollte in die Schule des Friedens Jesu gegangen werden. In Zeiten allgegenwärtiger Kriegs-Rhetorik, die nur die Aufteilung der Welt in Freunde und Feinde und die Sprache der Waffen kennt, die die Herzen und Hirne zum Kasernenhof verengt und nur das eine Mittel kennt: stärker, härter, siegreicher sein, ist der andere Geist Jesu nötiger denn je. Sein Ausweg besteht darin, sich auf eine dritte Größe jenseits von Freund und Feind zu beziehen: die göttliche Friedenskraft des Reiches Gottes, die unsichtbar sich schon um uns breitet und darauf wartet, unter uns wirksam zu werden. Dieser Frieden ist die Umkehrung der Maßstäbe des Krieges: Feindesliebe, Entmachtung des Hasses, Sanftmut, Friedensstiftung, Verzicht auf Vergeltung. Dieser Frieden ist das Salz der Erde und das Licht der Welt.
Diese Schule des Friedens Jesu hat viele Lehrer. Einer von ihnen war der Jenaer Theologe Klaus-Peter Hertzsch (1930–2015), der zur Friedensdekade 1984 eine heute hochaktuelle Predigt hielt über das Bibelwort »Gott spricht: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen« (5. Mose 30,19). Dazu sagte er: »Darum ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich jeder Verherrlichung des Militärischen, aller Hoffnung auf gewaltsame Lösungen, aller Spekulation auf einen gewinnbaren Krieg zwischen den Weltsystemen überall entgegenzustemmen und Gedanken dieser Art im Keim zu ersticken.«
Ein anderer Lehrer ist der chinesische Dichter Liu Xiaobo (1955–2017), der schwer verfolgt wurde und im Angesicht seiner Verfolger in einer Gerichtsverhandlung sagen konnte: »Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass. (…) Hass kann die Klugheit und das Gewissen eines Menschen verderben, Feindseligkeit vergiftet den Geist eines Volkes, provoziert brutale Kämpfe auf Leben und Tod, es zerstört die Toleranz und die Humanität einer Gesellschaft, es behindert eine Gesellschaft auf dem Weg zu Freiheit und Demokratie. Deshalb hoffe ich, meine persönlichen Rückschläge überwinden zu können und mich weiterhin auf den Fortschritt und den Wandel unserer Gesellschaft zu konzentrieren und der Feindseligkeit der Staatsmacht mit dem größtmöglichen guten Willen zu begegnen und Hass durch Liebe zum Schmelzen zu bringen.«
Frieden wurzelt in Gott – bei ihm weiden Wolf und Schaf beieinander und Bosheit und Schaden sind überwunden (Jesaja 65,25). Und die Gnade Gottes ist’s, dass wir aus diesem Frieden schöpfen können.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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