Frauen beten für die Welt
Der Weltgebetstag der Frauen ist die größte Basisbewegung christlicher Frauen weltweit. Dieses Jahr kommen die Impulse aus Taiwan. Worin liegt die Kraft der Bewegung?Weltgebetstag ist eine meiner frühesten Erinnerungen an Gemeindeleben. Eine wärmende Erinnerung. Eine Erinnerung an eine Situation, bei der ich im Gottesdienst vorkam, bei der viele mitmachen durften. Eine Erinnerung an aufregende Erzählungen über ferne Länder und dass es bis dorthin Christen gäbe. Eine Erinnerung daran, etwas Gemeinschaftliches erlebt zu haben.
Meine ersten Erinnerungen liegen in der DDR-Zeit. In vielen Gemeinden wurde der Weltgebetstag gefeiert. Sehr verschieden wurde er gefeiert: still und ernst, wie eben ein ernster Gottesdienst zu sein hatte und woanders auch froh und leicht mit Familien und Kindern. Es war für mich als Kind und Jugendliche ein erhebendes Gefühl, dass das Beten und Sprechen dieser Texte genau in jenem Moment um die Welt ging und von keiner Mauer aufzuhalten gewesen wäre. Ich lernte, dass Kirchesein heißt, mit Menschen weltweit Anliegen zu teilen und selbst Teil der weltweiten Kirche zu sein.
Das Spannende war nicht unbedingt der Blick hinaus aus der DDR, sondern hinein in andere interessante Lebenswirklichkeiten und hin zu Geschwistern in der weltweiten Ökumene. Es war auch der Blick in Lebensverhältnisse und Ungerechtigkeiten weit entfernt von dem vergleichsweise sicheren Leben, das wir kannten. Die Inhalte schlossen sich nahtlos an existenziell erlebte Themen der DDR-Kirche an: Frieden und Versöhnung, Gleichberechtigung von Frauen, Umweltschutz und Rassismus, Solidarität und Gerechtigkeit.
In vier Jahren kann der Weltgebetstag international bereits auf 100 Jahre vernetztes Gebet und weltweite Gemeinschaft zurückschauen. In Deutschland begannen die Frauen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in größerem Rahmen gemeinsam zu feiern. Sie hatten auch während des Krieges nicht damit aufgehört, weltweit gemeinsam zu beten. Der Weltgebetstag war eine – wenn auch kleine – Plattform, die der Welt in vielem voraus war. Und er ist eine Bewegung, die immer stärker und selbstbewusster politische und gesellschaftliche Themen anspricht.
Seit ich mich entschieden habe, Pfarrerin zu werden, begegnet mir allerdings immer ein müdes mitleidiges Lächeln, wenn vom Weltgebetstag die Rede ist. Weltgebetstag, hörte ich oft, sei langweilig und so ein Frauendings. Und dann sehe ich die Frauen in Wolfmannshausen vor mir, die mich zu ihrer Vorbereitung einluden, evangelische und katholische Frauen, die Tische lagen voll Material, die Zettel standen voller Rezepte und ihre Ideen sprudelten. Eine ungeheure Lust und ein Spaß am Gestalten war zu spüren. Ich dürfte auch dabei sein, sagten sie, und mich gerne um die Technik und Landeskunde kümmern. Der Gottesdienst war – und ist bis heute – ihre Sache.
Stell dir vor, da gibt es in unserer Kirche genau das, was wir oft neben dem Guten und Altbewährten suchen: authentische, alternative und selbst gestaltete Gottesdienste von denen, die sie feiern wollen. Ein Ort, der Menschen ökumenisch und über Generationen zusammenbringt. Themen aus dem Leben und der Blick in die Welt, Glaube, der sieht und tut. Schwungvolle und bewegte Musik, die zu Herzen geht. Ein Ineinandergehen von wahrhaftigem Beten und Schriftlesen. Das Sorgen für andere mit einer Kollekte und konkreten Hilfsprojekten. Und vor allem: zusammen feiern, tanzen, essen und an einem Tisch sitzen. Klingt doch nach einem Format, das wir brauchen können! Ein Format, zu dem man ohne Probleme die Nachbarin einladen könnte oder junge Leute. Eine geöffnete Gemeinschaft, die auch offen ist für Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen, die vielleicht manchmal nicht so leicht an unsere Angebote anknüpfen können.
In mir schlägt ein Herz dafür – für eine der größten christlichen Laienbewegungen der Welt, von Frauen angesichts von Ungerechtigkeit und Krieg ins Leben gerufen und heute ein Netzwerk von Menschen für Menschen: ein Glaubensnetzwerk. Einen Tag lang ein gemeinsames Gebet, das um die Welt geht, 24 Stunden lang in über 150 Ländern – welche Kraft! Schauen Sie doch gleich mal, wo Sie mitfeiern können!
Die Autorin ist Regionalbischöfin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
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Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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