Eine neue Reformation wagen
Glauben heute: Über 500 Jahre nach der Reformation Luthers ist die Frage, welche Schritte heute nötig sind, um das christliche Zeugnis glaubwürdig zu leben. Diese Schritte führen heraus aus der Kirche.Die Christenheit steht an der Schwelle zu einer neuen Reformation. Es wird nicht die erste sein, nicht die zweite und nicht die letzte. Die Kirche reformiert sich immer, sagte der Heilige Augustinus. Aber besonders in Zeiten großer Veränderungen und Krisen in unserer gemeinsamen Welt ist es die prophetische Aufgabe, Gottes Ruf in Bezug auf diese Zeichen der Zeit wahrzunehmen und zu beantworten. Von Martin Luther müssen wir in diesen Zeiten lernen, empfindsam zu sein dafür, wie sich Gottes Macht in unserer Schwäche und Krise äußert. »Lass dir an meiner Gnade genügen« – diese Worte Christi an den Apostel Paulus betreffen auch uns, wann immer wir versucht sind, die Hoffnung zu verlieren in den dunklen Nächten der Geschichte. Reformation, die Veränderung der Form, ist immer dort notwendig, wo die Form den Inhalt behindert und die Bewegung des lebendigen Herzens hemmt. Das Herz des Christentums ist der auferstandene Christus, der lebendig ist im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe von Männern und Frauen in der Kirche und jenseits ihrer sichtbaren Grenzen. Diese Grenzen müssen erweitert werden und alle unsere äußeren Ausdrucksformen des Glaubens müssen gewandelt werden, wenn sie unserer Sehnsucht, Gottes Wort zu hören und zu verstehen, im Wege stehen.
Zwei parallele Reformationen im 16. Jahrhundert, die lutherische und die katholische Reformation, bereicherten, erneuerten und vertieften das Christentum. Die neueste, heutige Reformation kann ein wichtiger Schritt in Richtung christlicher Einheit werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das Geschenk der Einheit der Christen empfangen werden, wenn wir uns einsetzen für eine erweiterte und vertiefende Ökumene. Die Einheit der Christen kann aber nicht das höchste Ziel der neuen Reformation sein. Es kann nur ein Nebenprodukt der Bemühungen sein, die ganze menschliche Familie zusammenzubringen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen für ihre Umwelt – die ganze Schöpfung. Deshalb dürfen wir nicht nur fragen, was »der Geist heute zu den Kirchen sagt«, sondern auch wie »der Geist, der weht, wo er will« jenseits der Kirchen wirkt. Wir müssen den Mut haben, die gegenwärtigen Formen und Grenzen des Christentums zu übersteigen. Es ist notwendig, noch tiefer zu verstehen, was die Mission und der Kern der Kirche ist: Ein wirkungsvolles Zeichen der Einheit zu sein, zu der die ganze Menschheit berufen ist; ein Werkzeug der Versöhnung und Heilung der Wunden unserer gegenwärtigen Welt zu sein. Wir streben nicht nach Einheit, um die Christenheit mächtiger und einflussreicher, sondern um sie glaubwürdiger zu machen: »damit die Welt glaubt«. Wir sollen die Botschaft, die uns aufgetragen ist, in einer glaubwürdigen, verständlichen und überzeugenden Weise vermitteln. Paulus ruft die Christen nicht zur Uniformität auf, sondern zu gegenseitigem Respekt und Harmonie unter den verschiedenen Teilen des Körpers, die unersetzbar sind in ihrer Einzigartigkeit und Verschiedenheit. Es ist diese Einheit der Christen, eine Einheit in Verschiedenheit, die der Anfang, die Quelle und das Beispiel von Koexistenz für die ganze menschliche Familie ist, ein Weg des Teilens und gegenseitigen Ergänzens unserer Gaben, Erfahrungen und Perspektiven.
Das Ziel der »Neuen Reformation« ist, die Christenheit zu verwandeln und zu vereinen im Streben nach Einheit der menschlichen Familie. Das ist ein endzeitliches Ziel, aber wir müssen hier und heute einen wichtigen Schritt gehen. Er besteht darin, wahrzunehmen und anzuerkennen, dass alle Menschen Geschwister sind, dass sie gleiche Rechte auf Anerkennung ihrer Würde haben, auf Angenommensein in Respekt, Liebe und Solidarität. Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung. Ja, das ist unsere Hoffnung, die wir mit jedem teilen möchten. Unsere Hoffnung gründet in der Tatsache, dass der Geist Gottes ununterbrochen die Menschheit zu einem Leib vereint. Lasst uns Zeugen eines Glaubens sein, der durch Liebe immer wieder Hoffnung weckt.
Auszug aus der Eröffnungsrede bei der 13. Generalversammlung des Lutherischen Weltbundes am 14. September in Krakau.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.