O Heiland, reiß die Himmel auf
Erwartung: Wann kommt der Erlöser und verwandelt diese friedlose Welt? Das ist keine Frage des Datums, sondern der Haltung: Rechne ich mit Gottes Liebe? Und werde ich Teil der Liebesgeschichte Gottes?Bis heute im vorgerückten Alter gehört für mich ein Adventskalender zu den Dingen, die in den Wochen vor Weihnachten unverzichtbar sind. Selbst in meiner Zeit bei der Armee hing einer im Spind. Mit jedem Türchen, das ich öffne, steigert sich die Vorfreude, die Erwartungen. Als Kind darauf, dass sich die Tür zum Weihnachtszimmer endlich öffnet und den Blick freigibt auf den Tannenbaum in seinem Lichterglanz und auf den Tisch mit den Geschenken. Schon tagelang hatte ich voller Vorfreude gerätselt, was denn diesmal dort liegen würde. In der Kaserne war es die Vorfreude auf die zwei, drei Tage Heimaturlaub, die mir half, die Tage bis dahin zu überstehen.
Gleichzeitig hat ein Adventskalender auch etwas Mahnendes: Hast du schon alle Geschenke für deine Lieben zusammen? Sind auch die anderen Vorbereitungen zum Fest getroffen? Und, je älter ich werde, wird noch eine innere Stimme immer lauter: Bist du auch dieses Jahr bereit, dich wieder neu auf die Botschaft der Engel einzulassen? Auf diesen Ruf »Euch ist heute der Heiland geboren!«? Spricht doch so manches dagegen, dass diese Advents- und Weihnachtszeit wieder so sorglos, voller Vorfreude wird wie damals als Kind. Es gehört wohl zum Erwachsenwerden dazu, zu lernen: Je größer die Erwartungen, desto tiefer und schmerzvoller kannst du enttäuscht werden. Und, ebenso prägend: Ich selbst habe schon so oft andere enttäuscht.
»Friede auf Erden«? Da ist ja, Gott sei‘s geklagt, nicht nur der Krieg gleich nebenan. In so vielen Regionen der Welt herrscht die Gewalt der Starken, ob mit militärischen oder wirtschaftlicher Macht durchgesetzt. Für so viele Millionen Menschen ist ihr Leben ein einziges Jammertal, während andere auch auf ihre Kosten im Wohlstand leben. Und auch ich, gewollt oder ungewollt, bin Teil dieses Systems. Seit der Nacht vor zwei Jahrtausenden in Bethlehem, die Menschen neu hoffen ließen auf eine bessere Welt, sind immer wieder hohe Erwartungen tief enttäuscht worden. Die Hirten kehrten zwar wieder um, »priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war« – doch ob es ihnen, den Außenseitern der damaligen Gesellschaft, danach besser ergangen war als vorher, darüber schweigt das Lukasevangelium.
Dann aber die Erfahrung am Ostermorgen: Er, Jesus, war der Messias – ja, er ist es. Jesus lebt, seine Sache geht weiter, Gott schreibt seine Liebesgeschichte mit den Menschen weiter. Überall gründen sich neue Gruppen, selbst im fernen Europa. Und sie sind sich ganz sicher: Dies ist nur eine Zwischenzeit. Bald wird er, der alle weltliche Macht ablehnte und so schmählich am Kreuz starb, wiederkommen – nun doch als gewaltiger Richter der Welt. Das lässt sie auch Verspottung und Verfolgung ertragen. Doch dann dehnt sich diese Zeit. Die Generation der ersten Christen stirbt, ohne dass sich diese Erwartung erfüllt hat. Dabei hatten doch die Evangelisten einen Satz Jesu überliefert, der einer Mathematik der Endzeit entgegensteht: »Ihr wisst weder Zeit noch Stunde, wann der Herr kommen wird«.
Doch für die meisten Christen hier und heute ist das wohl auch nicht das Problem. Die Wenigsten von uns leben in einer solchen Erwartung. »Wir singen laut: Herr, komm doch wieder – und denken leise: Jetzt noch nicht.« heißt es in einem Lied des christlichen Liedermachers Manfred Siebald. In adventlicher Erwartung leben? Wer tut das schon im Alltag mit seinen Herausforderungen? Meist fällt uns dies nur ein, wenn wir an frischen Gräbern stehen und nach Trost suchen.
Darum bin ich, der Kindheit seit Jahrzehnten entwachsen, so froh, dass mich im Advent ein Kalender daran erinnert, dass wir nicht nur auf ein Fest zugehen, das ein Ereignis feiert, das 2000 Jahre zurückliegt. Wir gehen auf ein Fest zu, das immer wieder neu die sichtbare Ankunft Gottes in dieser Welt feiert. Und uns alle Jahre wieder daran erinnert, dass die größte Liebesgeschichte der Welt immer noch weitergeht. Dass wir die Zeit nutzen, dem ähnlicher zu werden, wie Gott uns gedacht hat. Und dass diese Liebesgeschichte so auf ein Ziel hinläuft: dass Gott sei alles in allem.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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